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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Thema Feinstaub
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20080607024956/http://www.maxeiner-miersch.de:80/standp2005-04-06a.htm
Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Feinstaub

Hintergrund:
In mehren Großstädten werden erhebliche Luftbelastungen durch Feinstäube gemessen. Dies löst eine heftige öffentliche Diskussion aus.

 

Reinemachen mit Sisyphus

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Die Auseinandersetzung über Feinstaub kam zwar spät, ist aber ein Zeichen der Vernunft. Seit langem erleben wir mal wieder eine Umweltdebatte über ein real existierendes Problem. Das ist ein Fortschritt gegenüber dem gewohnten Rummel um hypothetische Ängste. Feinstaub dringt tief in Lunge und Organe ein. Auch kühl analysierende und der Öko-Hysterie unverdächtige Wissenschaftler warnen vor den Gesundheitsgefahren. Ein Blick in die Vergangenheit gemahnt zur Vorsicht: Kohlestaub ruinierte die Gesundheit unzähliger Kumpels, Holz- und Schleifstaub die von Schreinern oder Malern, Asbeststaub die von Arbeitern in Minen und Fabriken. Die Gefahren wurden oft erst spät erkannt, und bis zur Einführung von Schutzmassnahmen dauerte es lange.

Es muss also etwas geschehen. Die Tatsache, dass sowohl Behörden als auch die Hersteller von Dieselfahrzeugen das Problem auf die lange Bank geschoben haben, ist bestimmt kein Ruhmesblatt und wurde ausreichend gewürdigt. Aber man kann auch eine andere, grundsätzlichere Lehre daraus ziehen: Neue Lösungen zum Wohle der Umwelt bringen leider auch neue, unerwartete Probleme hervor.

Moderne Dieselfahrzeuge waren ja zunächst auch Antwort auf eine ökologische Herausforderung: Der VW Lupo 3L , das erste allseits begrüßte serienmäßige Dreiliter-Automobil der Welt, wurde nicht umsonst von einem Dieselmotor angetrieben. Die großen Fortschritte dieser Technologie sparen Sprit und Kohlendioxid-Emissionen. Dies beruht nicht zuletzt auf einer perfekten Verbrennung - bei der aber leider auch feinste Partikel entstehen. Jetzt müssen Filter auf die Motoren drauf (was den Verbrauch leider wieder erhöht). Dass die Feinstäube überhaupt herumschweben ist ein Nebeneffekt erfolgreicher Luftreinhaltung. Denn früher dockten die Winzlinge an größeren Staubteilchen an, die nicht so leicht in den Körper eindringe konnten.

Das Thema zeigt, dass reale Umweltprobleme selten mit ideologischen Reinheitspostulaten zu lösen sind. Wir werden nie in Ökotopia ankommen, wo alles getan ist und wir auf duftenden Blumenwiesen ausruhen. Diese Erkenntnis ist für manche immer noch eine harte Nuss. In der Realität geht viel mehr darum, schrittweise voranzukommen, Rückschläge in Kauf zu nehmen und die Ergebnisse immer wieder zu überprüfen und dem neusten Stand der Erkenntnis anzupassen. Es gibt im Umweltbereich mittlerweile etliche Beispiele für überraschende Nebeneffekte gut gemeinter Maßnahmen. Denken wir nur an die Forderung nach Freilandhaltung für Legehennen, die jedermann an der Haustür unterschreiben würde. Anfang des Jahres stellt sich dann heraus, dass Öko-Eier höher mit Dioxin belastet sind, weil sich Spuren davon (auch aus natürlichen Quellen) eher im Freien finden. Denken wir an die großartigen Erfolge bei der Reinigung unserer Gewässer. Jetzt stellen Ökologen fest, dass all die schönen neuen Kläranlagen auch einen Haken haben: Sie filtern soviel Nährstoffe aus dem Wasser heraus, dass die manche Fischbestände abnehmen. Auch das Ziel, Deutschland mehr mit Wind- und Sonnenenergie zu versorgen und die Atomkraft abzuschalten, hat einen Haken: Weil das eine das andere nicht aufwiegen kann, wird das Land faktisch abhängiger von fossilen Brennstoffen als je zuvor.

Selbst die neue EU-Feinstaubrichtlinie ist möglicherweise nicht der Weisheit letzter Schluss. Die vorgeschriebene Messmethode gibt zwar Auskunft über eine gewisse Grundbelastung, erkennt aber nicht die entscheidende Konzentration der wirklich problematischen kleinsten Partikel. Feinstaub-Experten weisen darauf hin: Das einige Jahre alte Gesetz ist ohne Berücksichtigung der neusten Literatur gemacht worden.

 

 

Erschienen in Die Welt vom 6.4.2005