StandpunkteMarkt und Umwelt Hintergrund:
Global 2005von Dirk Maxeiner und Michael Miersch Es gibt zahlreiche Umweltthemen, die finden nur in Deutschland statt. Doch Anfang April war es ausnahmsweise mal umgekehrt. Da sorgte eine UN-Studie von Brasilien bis China für großes Aufsehen, nur hierzulande nicht. Zwischen Feinstaub und Papsttod wurde sie einfach ignoriert. Schade eigentlich, denn das „Millenium Ecosystem Assessment“ (MA), das vom United Nations Environment Programme (UNEP) koordiniert wurde, kam zu überraschenden Resultaten. 1360 Fachleute aus 95 Ländern hatten daran mitgearbeitet und Kofi Annan lobte es als „beispiellosen Beitrag zu unserer globalen Mission für Entwicklung, Nachhaltigkeit und Frieden.“ Das Ungewöhnliche an dieser Studie ist nicht die Diagnose. Sie enthält das übliche Lamento über die Ausbeutung der Natur durch den Menschen. Und in vielen Fällen ist die Warnung vor einer rücksichtlosen Übernutzung der Ressourcen ja auch vollkommen berechtigt. Dass die Fischbestände der Ozeane sträflich geplündert werden, ist auch unter Wissenschaftlern unumstritten, die nicht zur Gemeinde der professionellen Alarmrufer gehören. Ebenso die zwar leicht gebremste aber immer noch katastrophale Zerstörung tropischer Wälder und der Mangrovengürtel an den Küsten der warmen Meere. Über die Verlustraten von Tier- und Pflanzenarten lässt sich dagegen trefflich streiten, ebenso wie um die Fragen des Wasserverbrauchs, der ja Süßwasser nicht wirklich „verbraucht“ (in Sinne, wie zum Beispiel Erdöl aufgebraucht wird), sondern lediglich falschen Nutzungen zuführt und verschmutzt (was reversibel ist). Bei manchen Angaben haben die Autoren der Studie auch ein bisschen getrickst. „Seit 1945 wurde mehr Fläche in Ackerland umgewandelt,“ behaupten sie, „als im gesamten 18. Und 19. Jahrhundert.“ Dazu sollte man allerdings wissen, dass die große Ausweitung des Agrarlandes in den ersten zwanzig Nachkriegsjahren stattfand. Dann kam die „grüne Revolution“: Anbautechnik und Saatgut wurden immer besser. Auf den gleicher Fläche konnte immer mehr geerntet werden. Seit den sechziger Jahren wurde das Ackerland nur noch um zehn Prozent ausgedehnt – bei gleichzeitiger mehr als Verdopplung der Menschenzahl. Alles in allem zählt die Bestandsaufnahme aber viele echte und
brennende Probleme auf, auch wenn dies nicht sonderlich neu ist. Wirklich
erstaunlich hingegen sind die Rezepte, die die UN zur Beseitigung der
Missstände propagiert. Normalerweise schlagen supranationalen Bürokratien
die Schaffung neuer Behörden vor, das Einsetzen internationaler
Kommissionen, gerne auch eine Folge von großartigen Welt-Gipfeln. Überraschenderweise
tut das „Millenium Ecosystem Assessment“ dies nicht. Wir
reiben uns die Augen, denn es empfiehlt: Mehr Marktwirtschaft und mehr
Globalisierung. Wo Wohlstand herrscht, geht es der Umwelt meistens besser.
Deshalb fordert die Studie, dass Zollschranken fallen, damit auch die
Armen am Welthandel teilnehmen können. Überall auf dem Globus
wird unsinnigste Ressourcenplünderung staatlich gefördert und
alimentiert. Das Abstellen umweltschädlicher Subventionen könnte
viel bewirken. Außerdem mangelt es oft an klaren Eigentumsrechten.
Die Fischbestände in den Weltmeeren sind das beste Beispiel: Was
niemandem gehört, wird von allen ausgeplündert.
Erschienen in Die Welt vom 13.4.2005
Copyright © 1996-2007 Dirk Maxeiner und Michael Miersch. |
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