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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Thema Islam und Gewalt
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20080607024445/http://www.maxeiner-miersch.de:80/standp2004-02-04a.htm
Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Islam und Gewalt

Hintergrund:
In der Diskussion um islamistische Gewalt spielen die familiären und sexuellen Ursachen kaum eine Rolle.

 

Küsst die Islamisten

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Als vergangene Woche ein Moslem in einer Gelsenkirchener Moschee aus verletzter Ehre zwei Glaubensbrüder erschoss, war das den meisten Zeitungen nur eine Kurzmeldung wehrt. Man hat sich daran gewöhnt, dass inmitten einer liberalen Gesellschaft das Mittelalter wiederaufersteht: Ehrenmorde, Zwangsverheiratungen, Freiheitsberaubung an Frauen und Mädchen, Selbstjustiz aufgrund angeblich erlittener "Schande". "Wenn meine Schwester Sex vor der Ehe hat, schlitz ich die auf, ganz klar," sagte ein jugendlicher Moslem unbefangen einer taz-Reporterin. Übergriffe auf Passanten, die in den Augen militanter Religionswächter schwul oder jüdisch aussehen, nehmen zu.

Ist es nicht Zeit, für eine öffentliche Diskussion darüber? Unsere talklustige Mediengesellschaft streitet übers Kopftuch und blendet das eigentliche Thema aus. Und das nicht nur in Deutschland. Der britische TV-Moderator Robert Kilroy-Silk verlor kürzlich seinen Job, weil er deutlich aussprach, dass in arabischen Ländern "Selbstmordattentäter, Armabhacker und Frauenunterdrücker" ihr Unwesen treiben. Das Aussprechen solcher hässlichen Tatsachen ist offenbar unerwünscht.

Wenn aggressive Minderheiten Angst verbreiten, ist Demutshaltung ein verständlicher Reflex. Nur nicht provozieren! Doch was gegenüber aggressiven Gangs in der U-Bahn gilt, sollte nicht unbedingt zur Grundhaltung von Medienmachern und Politikern werden. "Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft", empfahl Kurt Tucholsky 1931 in einem Gedicht. Er spottete darin über die verbreitete Konfliktscheu und Mutlosigkeit im Umgang mit den SA-Banden. "Ihr müsst sie lieb und nett behandeln, erschreckt sie nicht - sie sind so zart!"

Die Frage, warum ausgerechnet antimoderne islamische Kulturen so viel Unterdrückung und Gewalt hervorbringen, muss erlaubt sein. Doch die Diskussion darüber wird abgewürgt. Unmittelbar nach dem Schock des 11. September 2001 wurden die verbindlichen Deutungsmuster festgelegt: Armut, kulturelle Kränkung durch den Westen und die Sturheit Israels gelten seither als ausgemachte Ursachen des moslemischen Furors. Ende der Diskussion.

Wer die Täter und ihre Motive betrachtet, stößt aber früher oder später auf ganz andere Triebfedern. In ihren Traktaten ist viel von himmlischen Freuden die Rede, die sehr irdisch anmuten. An der verhasste westlichen Kultur empört sie vor allem deren vermeintliche sexuelle Zügellosigkeit. Warum war es Mohammed Atta so furchtbar wichtig, dass nach seinem Tod keine Frau seine Leiche sieht und niemand seine Genitalien berührt? Man muss nicht zum Psychologisieren neigen, um dahinter familiäre und sexuelle Wirkungen zu vermuten. Kein Thema? Sonst herrscht in deutschen Medien nicht so viel Zurückhaltung beim Aufspüren psychologischen Ursachen. Vergangenes Jahr war Bush-Analyse der Hit. Verfolgt er einen unbewussten väterlichen Auftrag? Was kompensiert er mit seiner Religiosität? Welche Rolle spielt seine frühere Suchtproblematik?

Das wenige, was man über Kindheit und Jungend in rückständigen islamischen Kulturen lesen und hören kann, ergibt ein düsteres Bild: Kleine Jungs lernen Schwache zu verachten und Brutalität zu bewundern. Körperliche Züchtigung ist alltäglich. Später dann ist den Jugendlichen Kontakt zu gleichaltrigen Mädchen streng verwehrt. Ihre sexuelle Frustration sucht sich häufig in homosexuellen Notgemeinschaften ein Ventil (begleitet von quälenden Schuldgefühlen). In solchen Notgemeinschaften werden die Jüngeren und Schwächeren von den Stärkeren benutzt. Alles in allem also eine Drangsal aus Verklemmtheit, falscher Scham und Unterdrückung.

Im eigenen Interesse müssen wir begreifen lernen, wie Männer ticken, die auf solche Weise aufgewachsen sind. Warum sich Männlichkeit für sie nicht in Schaffenskraft und Schöpfergeist ausdrückt, sondern in Waffenkult und Hass. Ihre Wut wird sich nicht mit ein paar verständnisvollen Gesten abkühlen lassen. Wo sind die Wilhelm Reichs, die Mitscherlichs, die Erich Fromms von heute, die sich die diese Sozialisation einmal genauer ansehen? Das Thema ist gefährlich. Denn die Frage nach der familiären und sexuellen Normen stellt die islamische Tradition insgesamt in Frage. Wir brauchen aber dringend mehr Wissen, um besser zu verstehen, mit wem wir es zu tun haben.

 

Erschienen in Die Welt vom 04.02.2004