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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Thema Klima
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20080607024244/http://www.maxeiner-miersch.de:80/standp2003-08-06a.htm
Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Klima

Hintergrund:
Ein ungewöhnlich warmer und niederschlagsarmer Sommer in Europa ruft reflexartig sämtliche Klimakatastrophen-Propagandisten auf den Plan. Im vergangenen Jahr war ein besonders niederschlagsreicher Sommer Anlass für das gleiche Spektakel.

 

Eiszeit in Harare

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Puuh, diese Hitze. Während der Ventilator vom Büroregal bläst, haben wir uns den Spaß gemacht, das Internet nach Kälterekorden der letzten Wochen zu durchforsten. Und wer suchet, der findet: Von Simbabwe bis Alaska, von Illinois bis Peru beunruhigte extreme Kälte die Menschen. Harare litt unter dem kältesten Juli seit 50 Jahren (Quelle: The Herald Zimbabwe). In Alaska wurden die sommerlichen Besucher des Denali-Nationalparks erstmals seit Menschengedenken von Schneefall überrascht (Fairbanks Daily News-Miner). In Peru erfroren im Juli bei minus 23 Grad über 60 Menschen (AFP, Lima). Auch Teile Nordamerikas stöhnten, der Juni in Illinois war der kälteste seit 1895 (Illinois State Water Survey). Kommt womöglich die nächste Eiszeit?

Das ist natürlich Quatsch. Irgendwo auf der Welt gibt es praktisch immer einen Temperatur-Rekord oder eine extreme Wetterlage - in die eine wie die andere Richtung. Das Weltklima stellt aber den globalen statistischen Mittelwert von Größen wie Niederschlag und Temperatur über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren dar. Der Anstieg der Durchschnittstemperatur im letzten Jahrhundert um etwa 0,6 Grad resultiert in erster Linie aus milderen Nächten, kürzeren und in den nördlichen Breiten etwas weniger extremen Wintern - allesamt eher erfreuliche Erscheinungen. Einzelne Ausreißer gehen in diesem statistischen Rauschen völlig unter. Kein seriöser Wissenschaftler wird daraus einen langfristigen Prognosetrend herleiten. Sollte man zumindest meinen.

Jetzt haben wir in Deutschland endlich mal wieder einen Sommer, der diesen Namen verdient. Scharen junger Mädchen bereichern bauchnabelfrei das Straßenbild und sogar den Schulunterricht. Nächtliche Innenstädte verwandeln sich in Flaniermeilen italienischen Zuschnitts. Das Leben kann schön sein. Aber darf es das? Wenn man Medien, Ökoaktivisten und Teilen der Wissenschaft glaubt, dann heißt die Antwort: Nein.

Denn kaum kam der Sommer 2003, machten sie eine alarmierende Feststellung: Es wird wärmer! In einem pawlowschen Reflex skandiert man seitdem: Klimakatstrophe! Dürrejahr! Hitzenotstand! Kündeten im vergangenen Jahr deutlich zu heftige Niederschläge von künftigem Unheil, so diente in diesem Jahr das Gegenteil als Indiz. Motto: Erst verdörrt Brandenburg und dann die ganze Welt. Ein Musterbeispiel von selektiver Wahrnehmung und medialem Herdentrieb. Und manchmal echt komisch: "Klimaschutz bei 35 Grad im Schatten", bedauerte die Umweltorganisation WWF ein Treffen der EU-Umweltminister. Die hatten sich für ihr Stelldichein die schöne Toskana ausgewählt, wo es im Juli ja schon mal etwas wärmer werden soll.

Jegliche Wetterphänomene werden inzwischen der vom Menschen gemachten Klimaerwärmung zugeordnet: Egal ob zuviel Regen oder zuwenig, Hitze oder Kälte, zuviel Schnee oder zuwenig (Frage: Was müssten Eis und Schnee eigentlich tun, um eine Klimaabkühlung zu zeigen?). Wenn die Logik einmal zu sehr klemmt, dann behilft sich die Katastrophen-Branche mit dem Begriff "Extremereignis". Dahinter kann sich praktisch alles verbergen. Und alles, klar doch, nimmt zu. Die Häufung von Wetterextremen, so räumte der Leiter des Klimaprogramms der Welt Meterorlogie-Organisation kürzlich ein, könnte allerdings schlicht dadurch zustande kommen "dass die Berichte und die Erfassung von Wetterextremen zunehmen."

Übermotivierten Ökoaktivisten und ahnungslosen Journalisten kann man das Katastrophengedröhne zur Not noch nachsehen. Aber die wissenschaftlichen Wanderprediger, die damit durch die Talkshows tingeln, nerven allmählich und untergraben die Glaubwürdigkeit ihrer seriösen Kollegen. Wir halten es da lieber mit einem alten Winzer von der Mosel, den wir kürzlich bei einem Weinfest trafen. Alsbald kam die Rede auf die Launen der Natur. Wortlos zeigte der Mann auf die Hochwasserstände, die an seinem Haus seit 1820 markiert sind. Extreme Hochwasser? Schon die Vorfahren mussten mindestens ein dutzend mal im ersten Stock ausharren. (Übrigens: Auch im Elbsandsteingebirge kam es schon 1927 und 1957 zu katastrophalen Hochwassern durch Starkregenfälle mit vielen Toten). Besonders gut kennt sich unser Mosel-Winzer mit heißen Sommern aus, denn die Wein-Jahrgänge stellen zugleich ein aufschlussreiches Klima-Archiv dar. Begeistert erinnert er sich an den 1959er-Riesling, das Produkt eines herrlichen Sommers. 2003 könnte ebenfalls ein Spitzen-Jahrgang werden. Wir werden diesen Sommer in bester Erinnerung behalten.

 

Erschienen in Die Welt vom 06.08.03