(Translated by https://www.hiragana.jp/)
Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Thema Petrodollar
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20080607024550/http://www.maxeiner-miersch.de:80/standp2004-05-05a.htm
Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Petrodollar

Hintergrund:
Die arabischen Öl-Scheichtümer kaufen sich bei immer mehr großen Autoherstellern ein. Interessenkonflikte liegen auf der Hand.

 

Vorsicht, Ölspur!

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Nehmen wir einmal an, dieser Tage ginge folgende Meldung durch die Wirtschafts-Nachrichten: Exxon Mobil steigt bei Volkswagen als Großaktionär ein! Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich den Aufschrei vorzustellen. Ein finsterer Ölkonzern, obendrein aus Texas, bestimmt künftig die Geschicke eines der größten deutschen Autohersteller mit. Sprit sparende Autos? Alternative Antriebe? Schluss, aus! Das wüssten die sinistren Ölbarone garantiert zu verhindern, denn an ihren schmutzigen Händen klebt das schwarze Gold. So oder so ähnlich müsste man sich die Berichterstattung vorstellen. Doch zum Glück tritt dieser Ernstfall nicht ein. Statt dessen freuen sich unsere Wirtschaftsführer und Politiker (von Schröder bis Wulff) über den Einstieg von Abu Dhabi und dessen einwandfrei liquiden Herrschaftsfamilien. Kultivierte Scheichs sind ruppigen texanischen Managern, die womöglich beim telefonieren Kaugummis kauen, allemal vorzuziehen.

Wobei wir doch auch gegenüber den neuen Großaktionären bei VW gewisse Vorbehalte hegen. So sind sie bislang auch nicht gerade als Vertreter der Weg-vom-Öl-Fraktion auffällig geworden. Wäre auch ein bisschen viel verlangt, schließlich verfügen die Vereinigten Arabischen Emirate (zu denen Abu Dhabi zählt) über zehn Prozent der Welt-Ölreserven. Allein 2003 kamen dadurch 25 Milliarden-Dollar in die Familienkasse. Könnte es vielleicht sein, dass sich hier gegenüber ölbrandfreien Innovationen, die Volkswagen ja künftig hoffentlich zu bieten hat, gewisse Interessenkonflikte ergeben? Wir wissen es nicht, machen uns aber so unsere Gedanken. Es wäre jedenfalls beruhigend, wenn es in der Autoindustrie auch künftig noch ein paar petrodollarfreie Zonen gäbe, zumal Kuwait ja auch schon bei Daimler-Chrysler am Shareholder-Tisch sitzt.

Es wird Zeit, dass der Westen endlich zum Horizont einer besseren Energiezukunft durchstartet, zu einer Fortschrittsoffensive nach dem Beispiel des amerikanische Raumfahrtprogramms, das in der Mondlandung gipfelte. Ökonomische, ökologische und moralische Gründe sprechen dafür. Erdöl sprudelt zwar auch in absehbarer Zukunft noch reichlich aus dem Boden. Bedauerlicherweise aber meist am falschen Ort. Saudi-Arabien ist das derzeit mit Abstand ölreichste Förderland, gefolgt von Irak, Kuwait, den Arabischen Emiraten und dem Iran. Gut zwei Drittel der nach heutigem Stand der Technik leicht zugänglichen Ölreserven befinden sich in diesen Ländern. Doch keines davon (mit der möglichen Ausnahme eines zukünftigen Irak) kann für sich in Anspruch nehmen auch nur halbwegs demokratisch zu sein, in keinem gibt es eine abwählbare Regierung, in keinem herrscht Pressefreiheit. Acht Prozent der Menschheit lebt im arabischen Raum, laut einer Analyse des kalifornischen Milken-Institute produzieren sie global "zwei Prozent der Waren und 60 Prozent der Terroristen". Viele Billionen an Öldollars, die im Laufe der Jahre in diese Länder geflossen sind, haben mehr Schaden als Nutzen angerichtet. Das Bild vom Westen als abhängiger Junkie, der seinen Stoff beim kriminellen Dealer einkauft, ist so schief nicht.

Vor einigen Jahren haben die Betreiber der amerikanischen Atomkraftwerke das Problem schon einmal in einer Anzeigenserie treffend auf den Punkt gebracht. Wir haben sie uns rausgerissen und aufgehoben, weil sie nicht viele Worte braucht (und sich als prophetisch erwiesen hat). "Wenn Sie sich hinsichtlich der Atomenergie unsicher fühlen, dann bedenken Sie die Alternativen," hieß es in großen Lettern. Die Alternativen wurden auch gleich gezeigt: Khomeini, Gaddhafi, Saddam Hussein. Kommentar überflüssig. Was als Argument für die Atomkraft gedacht war, gilt natürlich für alle Entwicklungen, die uns vom Öl unabhängiger machen. Gerne erinnern wir uns deshalb auch an eine wunderbare Werbung, bei der ein modischer Kleinwagen neben einem fetten Sportwagen parkt. Unter dem PS-Wunder steht: "Macht abhängig." Beim Sparmodell: "Macht unabhängig."

 

Erschienen in Die Welt vom 05.05.2004