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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Emissionshandel
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Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Emissionshandel

Hintergrund:
Der als marktwirtschaftliches Instrument des Klimaschutzes gelobte Handel mit Koh-lendioxid-Emissionsrechten erweist sich als staatsmonopolistisches Monstrum.

 

Kohlenstoff-Sozialismus

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Erschienen am 09.06.2006 in DIE WELT

Planwirtschaft oder Markt? Wie lautet die europäische Antwort auf diese Frage? Ganz einfach: Beides! Und was dabei herauskommt, lässt sich gerade beim so genannten Emissionshandel beobachten, der im Namen des Klimaschutzes verordnet wurde. Um es in den wichtigsten Amtssprachen zu sagen: Nichts, rien, nothing, nada, niente. Oder auch: Eine komplette Farce. In Deutschland wirken dabei alle Bundestags-Parteien, der bürokratisch-ökologische Komplex, Banken, Energiekonzerne und Teile der Großindustrie mit. Dieser Club deckt komplizenhaft den Mantel des Schweigens über die Causa, denn wenn der Bürger wüsste, wie ihm mitgespielt wird, könnte er ernsthaft böse werden.

Am Anfang stand die Idee, den Ausstoß von Kohlendioxid möglichst effizient zu begrenzen. Um ein vereinbartes Gesamtvolumen an Abgasen nicht zu überschreiten, werden an Kraftwerke und große Industrieanlagen zunächst anteilige Emissionsrechte ausgegeben. Wer danach mehr CO2 ausstößt, muss Rechte zukaufen. Wer unter seinem Limit liegt, kann die überschüssigen Zertifikate verkaufen. Dieser Marktmechanismus soll Kohlendioxid dort einsparen, wo es am wenigsten kostet. So weit die Theorie.

Und nun zur Praxis: Würde Kohlendioxid tatsächlich wie beabsichtigt auf möglichst ökonomische Weise eingespart, dann wäre beispielsweise Schluss mit der Windkraft. Denn teurer lassen sich Abgase nicht vermeiden, mal abgesehen von Solarzellen. Effizientere Kohlekraftwerke könnten für einen Bruchteil der Investitionen einen viel größeren Effekt erzielen, ganz zu Schweigen von verlängerten Laufzeiten für die Atomkraftwerke. Doch das ist ideologisch nicht gewollt. Der Ausstieg aus der Atomkraft ist beschlossen, Windräder und Sonnenzellen werden durch staatlich vorgeschriebene Garantiepreise mit Milliarden gepeppelt. Beides führt den Ansatz des Emissionshandels von vorne herein ad absurdum.

Doch damit nicht genug. Ein solcher Markt kann nur dann funktionieren, wenn die Vergabe von Zertifikaten transparent ist und alle Teilnehmer den gleichen Regeln unterliegen. Doch jedes teilnehmende Land verfährt mehr oder weniger nach eigner Fasson - für Außenstehende sind die Emissionsdaten der EU windelweich und völlig undurchsichtig. In Deutschland wurden die Anteile in abgeschotteten Zirkeln aus Politik, Behörden und Wirtschaft ausgekungelt. Ein erstaunliches Verfahren, wenn man bedenkt, dass dabei Papiere im Wert von vielen Milliarden verteilt wurden. Das hat viel mit Selbstbedienung und Staatsmonopolkapitalismus zu tun, aber nichts mit Marktwirtschaft.

Prompt stellt sich jetzt heraus, dass vielen Konzernen mehr Rechte zugeschanzt wurden, als sie überhaupt brauchen. Das Ergebnis ist das gleiche, als wenn der Staat zu viel Geld druckt: Inflation. Nachdem anfangs CO2-Zertifikate gehortet wurden und die Kurse in die Höhe schnellten, will sie jetzt keiner mehr haben. Es werden kaum Zertifikate gehandelt. Der Markt, der nie einer war, entpuppt sich als bürokratische Luftnummer.

Man muss sich das vorstellen: Der Kohlendioxid-Ausstoß der Bundesrepublik ist mit Emissionshandel exakt genauso groß, wie er ohne ihn wäre. Auswirkungen der Übung auf das Weltklima liegen ebenfalls bei Null. Nicht desto trotz werden den deutschen Verbrauchern und Stromkunden dafür Milliarden abgeknöpft. So kalkulierten die Energieriesen die geschenkten Zertifikate - buchhalterisch richtig - mit ihrem seinerzeit theoretischen Kaufwert in die Strompreiskalkulation ein, was ihnen vier bis sechs Milliarden Euro einbrachte. Die Bürger und die Wirtschaft zahlen die Zeche für symbolpolitischen Irrsinn.

Und der wird weitergehen. Als Rettungsaktion wird in Berliner Ministerien sogar schon über staatliche Preisregulierungen (!) für die Kohlenstoff-Börse nachgedacht. Anwälte, Banken und Unternehmensberatungen profitieren bestens, auch der amtlichen Emissionshandelsstelle (DHST) dürfte ein ewiges Leben beschieden sein. Dafür sorgt das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG), das Zuteilungsgesetz (TUHG) sowie das Projektmechanismengesetz (ProMechG). Hat ein Land mit über vier Millionen Arbeitslosen wirklich nichts besseres zu tun?