(Translated by https://www.hiragana.jp/)
Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Big Tobacco
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20080607030311/http://www.maxeiner-miersch.de:80/standp2006-10-27a.htm
Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Big Tobacco

Hintergrund:
Der Tabakkonzern BAT unterstützt die Aufrechterhaltung des DDT-Verbots.

 

Thank you for Smoking

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Erschienen am 27.10.2006 in DIE WELT

Die Zeiten sind unübersichtlich und die Koalitionen auch. Man kann vor keiner Überraschung mehr sicher sein: Feministinnen und Grüne bilden in Fragen der Bioethik plötzlich eine Front mit dem Vatikan, ATTAC und NPD wettern wortgleich gegen die Globalisierung, Liberale und Linke kommen sich in der Frage eines staatlichen Grundeinkommens näher. Grundsätzlich ist nichts dagegen zu sagen, das Lagerdenken zu überwinden - aber manchmal muss man sich doch sehr wundern. Ganz besonders wundern wir uns über eine bemerkenswerte Koalition aus grünen Umweltaktivisten und dem internationalen Tabakkonzern "British American Tobacco" (BAT).

Zum Hintergrund: Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat beschlossen, das Pestizid DDT in einigen besonders schwer betroffenen Ländern wieder im Kampf gegen Malaria einzusetzen (diese Zeitung berichtet darüber). Es wird in geringen Mengen in Häusern versprüht, um den Krankheitsüberträger - die Anopheles-Mücke - zu töten. Für die Menschen ist das ungefährlich. In Südafrika gingen durch solche Sprühaktionen die Neuerkrankungen um 75 Prozent zurück.

500 Millionen Menschen leiden weltweit unter der Fieberkrankheit, zwei Millionen sterben daran - vor allem Kinder. Deshalb will auch Uganda wieder DDT einsetzen (dort kostet Malaria täglich fast 300 Menschenleben). Es überrascht uns nicht, dass schlecht informierte Hardcore-Aktivisten fortfahren, DDT zu dämonisieren und gegen die WHO-Entscheidung Sturm zu laufen. Dass der Zigarettenhersteller BAT dabei mitmacht, verblüfft uns aber doch. Plötzlich liegt dem Tabakkonzern die Gesundheit der Menschen außerordentlich am Herzen. Nein, nicht etwa die der afrikanischen Malariaopfer, sondern die seiner Kunden. Und das auch anders, als der Leser jetzt vielleicht erwarten mag.

Der Konzern produziert in Uganda Tabak und bangt um seine Exporte. Obwohl ein Einsatz des Pestizids in der Landwirtschaft überhaupt nicht zur Debatte steht, könnten westliche Raucher eine schwere DDT-Phobie entwickeln. Motto: Wo kommen wir denn hin, wenn mein gesunder Tabak in einer Gegend angebaut wird, wo irgendwelche Afrikaner in ihren Hütten mit DDT hantieren! An meine Lunge kommen nur naturreine polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Nitrosamine und Schwermetalle!

Chemophobe aus dem grünen Milieu und Big-Tobacco gehen eine postmoderne Koalition ein - auf Kosten armer Menschen, die keine Lobby haben. Was sich da zusammen gefunden hat, verschlägt auch ohne Lungenzug den Atem. Die amerikanische Bürgerrechts-Organisation "Congress of Racial Equality" (CORE) wirft BAT vor, die WHO-Malaria-Politik mit Lobbyarbeit gezielt zu unterminieren und falsche Ängste zu schüren: "BAT macht Milliarden von Dollar indem es Afrikanern, Europäern und Amerikanern krebserregende Produkte verkauft. Dann behauptet man eine lebensrettende Chemikalie könnte zu Untergewicht bei Neugeborenen führen - was nicht stimmt. Fest steht hingegen: Der Nicht-Einsatz von DDT wird vielen afrikanischen Müttern und Kindern das Leben kosten."

In einer Broschüre, die BAT Deutschland unlängst unter Journalisten verteilen ließ, lobt das Unternehmen seine "Corporate Social Responsibility". Man habe "weltweit einen neuen Weg in der Tabakindustrie" eingeschlagen und suche "im Rahmen eines Social Reporting Prozesses aktiv den Dialog mit gesellschaftlichen und politischen Interessengruppen." Davon ermutigt, baten wir den Leiter der Öffentlichkeitsarbeit um eine Stellungnahme. Er ließ ausrichten, man möge sich doch bitte an die Kollegen in London wenden. All dies ist natürlich volkspädagogisch wertvoll. Nicht zuletzt, weil es immer mehr Menschen leicht fallen sollte, auf Glimmstengel von BAT zu verzichten. Zunächst natürlich diejenigen, die an ihre Gesundheit denken. Dann diejenigen, die auch an ihre Gesundheit denken, dabei allerdings auf Phantomrisiken durch DDT fixiert sind. Und schließlich diejenigen, die auch an die Gesundheit von Menschen in Afrika denken.