Ihre Erinnerungen an die Bonner Republik
Wo Wehner wetterte und Kohl der ewige Kanzler war: Vor zehn Jahren endete die Epoche der Bonner Republik. Was sind Ihre Erinnerungen an die Bonner Zeit? War die Politik wirklich besser, die Republik bescheidener oder ist die Nostalgie übertrieben? Was hat sich in Berlin verändert? Diskutieren Sie mit!
Foto: dpa
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1. Bonn ist nicht Weimar
Es gab dort keinen Schiller, keinen Goethe, keinen Herder und keinen Wieland, und wennzwar auch Beethoven den Namen der Stadt auf immer golden scheinen lässt, so klang für mich - als Kind, Baujahr 1982 - der Name Bonn am Rhein stets nach der Alten Republik, im besten Wortsinn.
Berlin ist für uns süddeutsche Separatisten eine Zumutung, weil zwei Dinge mitschwingen, die süddeutsche Magennerven über Gebühr beanspruchen: Preußentum und Subventioniertheit. Darüber muß man als Münchner erst einmal hinwegkommen.
Ich empfand die grundanstädige rheinische Provinzialität immer als etwas Beruhigendes, als etwas, was Geborgenheit vermitteln konnte. Bonn war ja nie der Nabel eines imperialen Gebildes, nie das Zentrum eines weitverzweigten Reiches mit belasteter Geschichte, sondern eine Stadt, die zu einer mittleren Macht, wie sie die Bundesreublik nun einmal ist, hervorragend passte.
Wenn Werner Veigel in der Tagesschau nach dem grandiosen Tusch (der einem Kind wie mir immer tiefen Eindruck machte) mit unnachahmlich offiziöser Stimme den täglichen Staatsakt der Bonner Republik verlas, herrschte hingerissenes Schweigen im Familienkreise.
Problematisch ist, daß sich wohl bis an mein Lebensende an Bonn auch Erinnerungen an Helmut Kohl knüpfen: Wie er, in diesem sagenhaften Bungalow, mit Strickweste, Filzpantoffeln und Moselwein und mit der schneidenden Holerigkeit des Pfälzischen im Munde mal diesen, mal jenen Staatsgast empfing, tags darauf dann mit Slippern durch den Kanzlergarten schlurfte, sodann zum Saumagen bat ... dergleichen konnte einfach nur in Bonn stattfinden. Wenn man so will, dann ist Bonn geistig gleichweit von allen anderen Städten der Republik entfernt. Auch das kann eine Hauptstadt zur Hauptstadt machen. Bonn am Rhein war als Hauptstadt unübersehbar ein Provisorium, eine Zwischenstation, etwas noch nicht ganz Angekommenes.
In Berlin liegen die Dinge anders. Berlin ist ja ein zwitterhaftes Wesen, das das Nichtangekommensein zum Programm erhob, das immerfort Unfertige zur stilbildenden Identität entwickelte, ja gerade daher seinen Reiz bezieht. Statt Palais Schaumburg die Kanzlerwaschmaschine, dafür aber auch: Brandenburger Tor.
Berlin paßt gut zur heutigen Bundesrepublik, die ja wie diese Stadt auch ihre Rolle erst finden muß, zwischen Ost und West, zwischen oben und unten.
Rühmen wir also Bonn auch weiterhin, aber machen mit Berlin endlich unseren Frieden.
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2. Sie machen sich das zu leicht!
Dies ist eine Antwort auf Kommentar Nr. 1Vielleicht hilft Ihnen aus Ihrer Trauer um die Bedeutungslosigkeit des Ortes die Erinnerung an jenen Umstand, dass sich stud.theol. Fritz Nietzsche in Bonn die Lues eingefangen hatte, der er schließlich in Weimar erlegen ist.
Wenn das nicht Grund für Bonn ist, das Erbe Weimars anzutreten, was dann? Frage ich sie!In Berlin hatte sich Ecke Gendarmenmarkt E.T.A. Hoffmann das Hirn aus dem Schädel gesoffen. Auch so ein markantes, symbolträchtiges Ereignis, das zur Hauptstadt des Volkes der Dichter und Denker prädestiniert.
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3. Sie muss besser gewesen sein
Anstelle einer Stellungnahme zitiere ich Gerhard Schröder: "Ich gebe ohne Umschweife zu, dass mir dieses Gefühl, das ich hier zu beschreiben versuche, weder in Hannover noch später in Bonn bewusst gewes war. Nein, erst mit dem Umzug nach Berlin wurde mir deutlich, wie sehr unser aktuelles Handeln auch verwoben sein muss mit den kollektiven Erfahrungen, von denen die Geschichte unseres Landes erzählt." Wenn mit den Erfahrungen vor allem die beiden Weltkriege gemeint sind, so verwundert es doch, dass Deutschland erst seit dem Regierungsumzug in die Hauptstadt sich wieder in Kriegseinsätzen beteiligt (Kosovo, Afghanistan usw.). Wenn man Schröder folgt, müsste Berlin doch eher ein Warnzeichen sein, verheerende Kriege zu führen. Das ist offenbar genau anders.
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4. wieso
soll frueher etwas besser gewesen sein ? gerade strauss , kohl und eine mege anderer komischer figuren haben uns ja einiges von den aktuellen problemem erst eingebrockt , denn auch damals galt schon "nach uns die sintflut" undaehnliche "weissheiten".
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5. Die Bundesrepublik und ihre Politik
Wir Deutsche leben in einer sehr teuren Staatsform. Die Rechtsgrundlagen führen ebenso zu sehr hohen Kosten wie die Verwaltung in der Teilung Bundessachen, Ländersachen, Kommunalsachen. Es ist deshalb keiner Partei und damit keiner Regierung möglich, wesentliche Kosteneinsparungen durchzusetzen. Die Tatsache, dass neue Gesetze und noch mehr die anschliessenden Verordnungen in sehr vielen Fällen zusätzliches Personal erforderlich macht, verhindert den oft genannten und sicher auch gewollten Bürokratieabbau. Hier könnte eine Ein-Parteien-Regierung Abhilfe schaffen. Ob sie es wirklich will und damit wirklich schafft ist mehr als fraglich. Die bisherigen Erfahrungen sind nicht positiv zu werten. Wir bleiben Bürger eines sehr teuren Staats-Systemes. So war es bisher, so ist es heute.
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6. Es lohnte sich, ...
den Bundestagsdebatten zuzuhören. Wehners endlos, präzise
Sätze, wenn er gegen Herrn "Lüg" wetterte ...
Es war mehr Leidenschaft, Engagement zu verspüren.
Man hing am Radio, als Barzel den Misstrauensantrag gegen
Brandt einbrachte.
Heute dagegen: ZUM GÄHNEN langweilig ...Auf diesen Kommentar antworten »
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7. Da sagen Sie was!
Dies ist eine Antwort auf Kommentar Nr. 6Ich war zwar nicht selbst Zeuge dieser Auseinandersetzungen, allerdings erscheinen mir aus heutiger Sicht die damaligen verbalen Schlachten im Plenum als etwas sehr demokratisches: Das Parlament war der Ort, an dem über das Politische gestritten wurde.
Was ich schon öfter bemängelt habe, nämlich die unerträgliche Mißachtung des Parlaments (als Ort zur Austragung politischer Konflikte), manifestiert sich auch dergestelt, daß es dort in der Tat, wie Sie sagen, mittlerweile eigentlich gar nicht mehr zugeht. Die berühmten "Haushaltsdebatten", die früher traditionell zum Klingenkreuzen zwischen Regierungsparteien und Opposition dienten, sind ja auch nur mehr läppische Geplänkel mit sehr stark geriatrischem Einschlag.
Der Rest wird heute entweder bei Christiansen-Nachfolgeformaten sonntagabends heruntersalbadert oder im Hinterzimmer mit Fraktionszwang ausbaldovert, den Rest im Alltagsgeschäft erledigen Spitzenbeamte, die ohnehin nie im Parlament erscheinen müssen, oder Lobbyisten, die auch dafür bekannt sind, das Tageslicht einer politisierten Öffentlichkeit zu scheuen.
Eigentlich nicht das, was ich mir typischerweise unter einer saftigen Demokratenveranstaltung vorstelle.
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8. Ja wer verfolgt heute noch eine Debatte.
Dies ist eine Antwort auf Kommentar Nr. 6Die famosen Redner sind dieser Republik, bis auf wenige Ausnahmen, wohl ausgegangen.
Die Frauenquote hat ja in diesem Fall ihre volle Berechtigung, aber Kurzweiliger werden die Debatten deshalb noch lange nicht.Herzlichst
Orpheus -
9. Noch haben wir die Hauptstadt in der Fremde
Dies ist eine Antwort auf Kommentar Nr. 1nicht aufgegeben:
!!
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10. "Komische"
Dies ist eine Antwort auf Kommentar Nr. 4Figuren erscheinen oefter hier in dieser Zeit bei dieser ZEIT und ihren Lesern.
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11. nicht wirklich komisch
Dies ist eine Antwort auf Kommentar Nr. 10... the great chessboard - wissen sie - da handelt es sich um figuren und keine menschen - menschen waeren natuerlich besser ... sind aber in der politik nicht vertreten, denn korruption macht aus dem menschen figuren.
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12. ... und darf ich fragen,
wer hat die Beschreibung komische "Figuren" hier zum ersten Mal benuetzt?
Auf Ihrem grossen "Chessboard" (? wo kommt denn dieses Wort her?... meinen Sie ein Schach-Brett vielleicht?) muessten/sollten Sie, wie alle, sich mit denjenigen bemuehen. die sich dieser Beschreibung bedienten/bedienen. Nein?
Ich kann nur wiederholen und unterstreichen: "Komische Figuren erscheinen oefter hier in dieser Zeit bei dieser ZEIT und deren Lesern."
Und wie erwartet, nehmen diejenigen, die sich angesprochen fuehlen, dazu Stellung, oder?
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13. the great chessboard
ist der titel eines buches auf das ich hier anspiele - wahrscheinlich kennen sie es ja
... ansonsten : ich habe den begriff" komische figuren" benutzt, wie sie wissen, daher fuehlte ich mich auch angesprochen - logisch und nicht der rede wert. benutz habe ich den begriff fuer ein paar alte saecke von politikern aus der deutschen vergangenheit , wenns recht ist, die uns eine menge schwierigkeiten enigebrockt haben, an denen wir jetzt noch rumkauen - zufrieden jetzt - mr doppelbold. uberigens - durch fettschrift wird inhalt nicht besser und auch nicht sinnreicher. -
14. FETTSCHRIFT.....
wofuer bietet die ZEIT sie an?
PS. Wuerden Sie uns minderwertigen Mitlesern veraten, was Ihnen in "Chessboard" so sehr aufgefallen ist? Oder soll das ein Geheimnis bleiben?
Man wuerde doch hoffen, dass Sie auf dieses Buch hinweisen weil es mehr als "ansgepielt" werden sollte?PPS. Warum nicht anderen, hilflos und weniger mit Fantasie geboren, helfen, Sie richtig und nicht nur vermutlich zu verstehen? Wie? Mit der Benuetzung von grossen wie auch leinen Buchstaben, wie es einst in der Grundschule einem beigebracht wurde. Waere das zuviel gefragt? (Herr Kuhn nimmt sich die Zeit, es zu tun.)
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15. 5 Euro pro Bürger und Jahr kostet uns die Bundesregierung
Dies ist eine Antwort auf Kommentar Nr. 5Vielleicht ist das ja in Wahrheit einfach zu billig. Einen 10 Jahre alten Bordeaux kriegen Sie auch nicht beim Aldi...
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In diesem Wahljahr werde ich mich für keine Partei
aussprechen und zu keinem Parteiprogramm. Aber ich
werde nicht aufhören, zu sagen, dass diese Krise eine
ideologische Heimat hat: die FDP.…
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16. Bonner Improvisationstheater vs, Berliner Staatstheater
Dies ist eine Antwort auf Kommentar Nr. 7Der grosse Vorzug der Bonner Republik war, dass es im Parlament eben um die Sache ging. Heute geht es in Ausschüssen um die Sache - und erst wenn diese Ausschüsse jede egal wie gute Idee zu einem kanten- und konturlosen Einheitskiesel rundgeschliffen haben, wird über diesen unkenntlichen Zombie des eigentlichen Entwurfs öffentlich geredet. Diese Reden haben aber nix mit der Sache zu tun, weil niemand im Parlament, jenseits der Ausschüsse, in irgend einer Weise "mit der Sache" zu tun hat, es sind vielmehr reine Fensterreden der Parteienpropaganda.
Und Fensterreden in geschlossenen Räumen wirken nun mal, günstigstenfalls, unfreiwilig komisch. Meist einfach nur ödePhoenix Moderator (aus dem Off): Hören Sie nun eine Öde auf den Rechtsstaat von Dr. GUido Westerwelle.
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In diesem Wahljahr werde ich mich für keine Partei
aussprechen und zu keinem Parteiprogramm. Aber ich
werde nicht aufhören, zu sagen, dass diese Krise eine
ideologische Heimat hat: die FDP.…
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17. ich frage sie
Dies ist eine Antwort auf Kommentar Nr. 14was ahben sie fuer ein problem - herr oder frau grmma - wird schon wissen was ich meine. die weltpolitik als schachbatie zu bezeichnen ist nun nicht sehr neu oder besonders schwer verstehbar ... und wen sie den titel in google eingeben wissen sie auch was ansonsten gemeint sein koennte. bevor man fragt versucht man selber zu denken, dachte ich immer - zumindest gehe ich so vor solangen ich nihct jemanden provozieren will oder eine rein rhetorsiche frage stellen will.
ich hoffe dies antwort befriedigt ihren wissensdurst herr lpzig
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18. Nein, ich habe kein Problem. Wenigstens nicht mit Ihnen!
Und wenn ich eins anderswo haette, wuerde es Sie nichts angehen.
Ist Befriedigung zu verlangen nicht eine reine Zumuting, wenn man sich nur beklagen und schimpfen will?
Vielleicht kann mir jemand anders als Sie erklaeren, was Sie meinen, wenn Sie solche "Brocken" schreiben, und erwarten von dem Leser sie zusammenzufaedeln?
Geht man nicht zur Schule, um zu lernen, wie man sich mit anderen unterhalten kann? Und lernt unter anderem dort wie man schreibt, um hoeflich zu bleiben.
Ich wuensche Inen einen guten Tag. Hoffentlich treffen Sie nur Leute heute die Ihnen sympathische vorkommen, so dass Sie Aerger vermeiden koennen.
PS. Warum denken Sie, ich will wissen, was andere meinen mit einem Begriff (in einer Ihnen fremden Sprache), wenn ich Sie anspreche? Wikepedia und Google sind Werkzeug und eigenen sich fuer den Verfasser besser als fuer den Leser. Letzten Endes ist es der, der seine Ansichten anderen vorstellen will, oder?
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19. Strauß gegen Wehner
Sehr geehrte/r iDog / grmma,
es ist sehr nett, dass Sie für die Community anschaulich die verbalen Schlagabtäusche zwischen Herbert Wehner und Franz Josef Strauß nachspielen möchten: Einer sachbezogenen Debatte wäre eine etwas moderatere Umgangsweise allerdings dienlicher.
Mit freundlichen Grüßen,Johannes Kuhn, Redaktion ZEIT ONLINE
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20. richtige Kerls
waren da in Bonn. Ich erinnere mich gerne an die markanten Stimmen.
Die Herren haben gesprochen und nicht gefistel, noch genuschelt und auch nicht geseiert.Gut, es gab auch Ausnahmen, aber die standen im Kontrast dazu.
Wie hiess gleich noch jener Abgeordnete der in Bonn sturzbesoffen auf das Podium schritt...?
Einmalig. In Berlin kann ich mir das nicht vorstellen. Es scheint so eine *verzeihen Sie bitte* Beamtenmentalität durch die MdB's zu diffundieren, ganz nach dem Motto: Ich muss die Nummer hier noch hundert Mal + machen und muss mit meiner Haltung haushalten.Auch hat der Politiker in Bonn noch Berührungspunkte mit dem Volk gehabt. In Berlin sind die MdB's doch längst unter Tage oder auf der "höheren Beamtenlaufbahn" unterwegs.
Schade, das Politik und Parlament so steril geworden sind.
*augenzwinkernd*
Ihr Philoktet.
Kommentare (22)