Die Architektur-Biennale in den Giardini, dem traditonellen Schauplatz der Kunst-Biennale, gibt es seit 1980. Die Schau für Baukunst ist zum eindrucksvollen Jahrmarkt der Visionen geworden

Die Architektur-Biennale in den Giardini, dem traditonellen Schauplatz der Kunst-Biennale, gibt es seit 1980. Die Schau für Baukunst ist zum eindrucksvollen Jahrmarkt der Visionen geworden

Warschau ist ein Haufen Müll. Alte Waschmaschinen, Fernseher, Möbel, Stahlträger, Pappkartons stapeln sich in Straßen und Vorgärten so hoch, dass die Marina Mokotów, eine ehemals teure und gut geschützte Wohnanlage des Postsozialismus, schon halb im Abfall versunken ist. Gelbe Bagger beackern notdürftig die wachsende Schrotthalde, doch die Straßen sind für Autos längst unpassierbar geworden.

Noch ist das nur ein Bild, eine dystopische Montage des polnischen Künstlers Kobas Laksa, der sich die Zukunft von Gebäuden und ganzen Städten vorstellt. Zwei italienische Architekturstudenten betrachten staunend das großflächige Foto, das im polnischen Pavillon auf der Architektur-Biennale in Venedig ausgestellt ist. Auch wenn man in so einem Schrottparadies gerne einmal herumkrabbeln wolle, sagt die Studentin, sei dieses Bild eine Warnung. »Wir können nicht so weiterleben wie bisher. Und nicht einfach so weiterbauen.« Ihr Kommilitone nickt mit ernstem Blick.

Die beiden haben ja auch recht mit ihrer Sorge: Wenn sich die Welt nicht ändert in den nächsten fünfzig Jahren, wird der polnische Pavillon versunken sein. Und mit ihm Venedig. Nicht im Müll, sondern im Meer, dessen Spiegel sich durch das Schmelzen der Polkappen um mehrere Meter anheben wird. Schuld ist – das wissen wir doch – der Klimawandel.

Aber wer ist der Hauptverursacher des Klimawandels? »Gebäude, Gebäude und noch mal Gebäude«, sagt ein Mann mit Glatze und Schnauzbart im Piccolo Teatro, nur einige Gehminuten vom polnischen Pavillon entfernt. Der Mann ist Ökonom, heißt Jeremy Rifkin und trägt trotz der schwülen Hitze Anzug, Krawatte und passendes Einstecktuch. Normalerweise berät er Vorstandsvorsitzende von Firmen wie General Motors oder Regierungschefs wie Angela Merkel. Heute erklärt er, der lockere Agitator, einigen Hundert angereisten Architekten und Journalisten, dass Häuser – vor der Fleischproduktion an zweiter und dem Transport an dritter Stelle – die meiste Energie verbrauchen und daher für 30 bis 40 Prozent des weltweiten Kohlendioxidausstoßes verantwortlich sind. »Die Gebäude sind unser Untergang«, predigt Rifkin, »sie werden aber auch unsere Rettung sein.« Gemeinsam mit den Architekten will er die »Dritte Industrielle Revolution« vorantreiben. Dabei gehe es um nichts Geringeres als das Überleben unserer Spezies. Alles sei eine Frage der Verteilung: Jedes Haus solle in Zukunft als kleines Kraftwerk funktionieren und mit Hilfe von Sonne, Wind oder Abfall Energie gewinnen. Die Energie wird also demokratisiert, ihre Verteilung dezentralisiert und ihr Verbrauch besser kontrolliert. Denn der Strom, so Rifkin, werde in Zukunft nicht mehr mechanisch, sondern digital verteilt: Jeder Kühlschrank bekomme nur noch so viel, wie er wirklich gerade brauche.

Um sich anzusehen, wie solch eine intelligente Stromverteilung aussieht, muss man vom Piccolo Teatro wieder in die Giardini gehen, zum deutschen Pavillon. Was Rifkin Revolution nennt, wird hier mit einer simplen Vorrichtung demonstriert, die an den Werkunterricht in der fünften Klasse erinnert. Eine Reihe von Glühbirnen ist auf einem Brett durch ein Kabel miteinander verbunden. Wenn man den Lichtschalter betätigt, geschieht das Wunder: Die Glühbirnen leuchten unterschiedlich stark zu unterschiedlichen Zeiten – obwohl sie alle an demselben Kabel hängen. Kleine Chips in den gelben Lüsterklemmen vor den einzelnen Birnen steuern die Stromzufuhr. Durch diese kleinen Chips könne man in Zukunft bis zu 40 Prozent des gesamten Energiebedarfs einsparen, sagen Matthias Böttger und Friedrich von Borries.

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