Logikpatente > Analyse > Invention
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Analyse | Invention | Richtlinie | TRIPs | Triviální | UrhR Schwach? | Interessen |
Welt der Dinge (blau) vs Welt des Geistes (rot): physische Kausalität vs logische Funktionalität: konkret vs abstrakt: leichte Nachahmung aufwendiger Innovation vs aufwendige Nachahmung leichter Innovation Kern vs Umsetzung: Jede neue Lehre, egal wie abstrakt und immateriell, wird letztlich mit bekannten Verfahren in etwas physisches umgesetzt. Es genügt nicht, dass das Ergebnis als ganzes neu und physisch ist. Der Kern muss die Prüfungen bestehen. |
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Es verbietet sich demnach, den Schutz von geistigen Leistungen auf dem Weg über eine Erweiterung der Grenzen des Technischen -- die auf deren Aufgabe hinauslaufen würde -- zu erlangen. Es muss vielmehr dabei verbleiben, dass eine reine Organisations- und Rechenregel, deren einzige Beziehung zum Reich der Technik in ihrer Benutzbarkeit für den bestimmungsgemäßen Betrieb einer bekannten Datenverarbeitungsanlage besteht, keinen Patentschutz verdient. Ob ihr auf andere Weise, etwa mit Hilfe des Urheber- oder des Wettbewerbsrechts, Schutz zuteil werden kann, ist hier nicht zu erörtern.
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Bei der Prüfung der Frage, ob eine Erfindung vorliegt, muss der Prüfer ... die Form oder die Art des Patentanspruchs außer acht lassen und sich auf den Inhalt konzentrieren, um festzustellen, welchen neuen Beitrag die beanspruchte angebliche
Zweifellos noch nicht.
In Wirklichkeit sind die Gesetzesregeln des Übereinkommens und der nationalen Gesetze klar: Sie fordern unmissverständlich die Nicht-Patentierbarkeit von Software. Das Spiel, das heute gespielt wird, besteht darin, in einer oder der anderen Weise diese Regeln zu verdrehen, z.B. indem man sich, wie oben beschrieben, die Gesamtheit aus Hardware und Software als eine virtuelle Maschine denkt, die (künftig ...) patentierbar sein könnte. Unter dieser Voraussetzung kann man dann patentrechtlich argumentieren. Die auf diese Weise auf dem einen oder anderen Wege erhältlichen Patente haben allerdings nur denjenigen Wert, den man ihnen beimisst --- oder der sich durch einen Konsens ergibt, dieser Frage nicht genauer nachgehen zu wollen. Tatsächlich kann die Verdrehung der Gesetzesregeln nur insoweit Wirkung entfalten, wie sich ein Konsens darüber herstellen lässt, ob man dieses Spiel gegen die bestehenden Gesetzesregeln spielen soll oder nicht. Hierbei handelt es sich nicht mehr um eine juristische Frage im strengen Sinne.
Aber auch hier liegt nicht der Kern des Problems. Selbst wenn hohe Standards der Neuheit und Erfindungshöhe zum Funktionieren gebracht werden könnten, bliebe uns die Frage nicht erspart, wofür Patente erteilt werden sollen und wie dieser Bereich abzugrenzen ist. Patente sind recht grobe Monopolrechte, die wir nicht unbedingt für alle pfiffigen Neuerungen erteilt sehen wollen. Oder soll es Patente für politische Methoden geben? Geschäftsverfahren? Argumentationsketten? Alles irgendwie geschäftlich verwertbare? Alles, wofür Patentämter Prüfer einzustellen bereit sind? Diese Frage wurde bislang mit dem Begriff der "technischen Erfindung" beanwortet, d.h. mit der Forderung, dass eine patentfähige Erfindung uns nicht einfach eine neue Idee lehren soll sondern eine neue Art, Ideen in Naturkräfte umzusetzen, also eine physische und nicht eine logische Problemlösung.
Vielfältige Gründe sprechen für diese traditionelle Grenzziehung zwischen logischer Idee und physischer Umsetzung.
Es gibt auf der einen Seite Fragen, die wir an die Welt der Dinge, oder, etwas enger, die Welt der beherrschbaren Naturkräfte, richten. Jede neue Antwort auf eine solche Frage wird relativ schwierig zu finden sein und die Verwendung materieller Gegenstände sowohl beim Suchen nach der Lösung als auch bei ihrem Einsatz erfordern. Sowohl die Erforschung als auch die Umsetzung solcher "technischer Problemlösungen" erfordert i.d.R. eine aufwendig regulierte industrielle Organisation. Es entstehen materielle Erzeugnisse, deren minimaler Stückpreis (Grenzkosten) über Null liegt. Diesem Stückpreis lassen sich Lizenzgebühren hinzufügen. Die zusätzliche Reglementierung des Marktgeschehens durch Patente kann zwar zu Überteuerungen und anderen schmerzhaften Marktstörungen führen, aber zwischen dem industriellen Grundaufwand und dem patentbedingten Zusatzaufwand bleibt zumindest eine gewisse Verhältnismäßigkeit gewahrt.
Auf der anderen Seite gibt es Fragen, die wir an die Welt des Geistes, d.h. die menschlichen Verstandeskräfte und die von ihnen aufgebauten axiomatischen Systeme richten. Die Antwort auf eine solche Frage liegt in einer neuen Organisations- und Rechenregel, die mit rein geistigen Mitteln auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen ist. Oft gelingt dabei ein 100% zuverlässiger mathematischer "Beweis", wie es ihn in der Welt der Dinge nicht gibt.
Die Trennung dieser beiden Welten bereitete vor 50 Jahren noch in den meisten Fällen keine auffälligen Probleme. Dennoch gab es schon immer schwierige Fälle, und hochentwickelte Methoden zur Trennung des Geistigen vom Dinglichen wurden von Patentrechtsgelehrten bereits im 19ten Jahrhundert veröffentlicht und diskutiert.
Allmählich griffen die beiden Welten immer weiter ineinander. Die "Maschinenlogik" (software) wurde gegenüber der "Maschinenphysik" (hardware) immer eigenständiger und gewann spektakulär an wirtschaftlicher Bedeutung -- ohne dass deshalb der Fortschritt im Bereich des Physischen unbedeutend geworden wäre. Dank der Mittlung durch den Neumannschen Universalrechner wurde die Trennung zwischen Logikalien und Physikalien jedoch klarer, und immer mehr Probleme konnten auf Logik reduziert werden.
Schon früh wurden deshalb einige Patentanwälte unruhig und meinten: Wenn maschinelle Vorgänge patentierbar sind, warum soll es dann für die Patentierbarkeit etwas ausmachen, ob sie auf analogen oder auf digitalen Geräten ablaufen? Soll das Patentwesen etwa in der digitalen Zukunft an den Rand gedrängt werden?
Dem hielten andere entgegen: wenn Organisations- und Rechenregeln keine technischen Erfindungen sind, warum soll es dann etwas ausmachen, ob ich sie in meinem Kopf, mit Bleistift und Papier, mit dem Abakus oder mit dem üblichen Werkzeug der digitalen Zivilisation, dem Universalrechner ausführe? Soll in der digitalen Zukunft etwa die Freiheit des Geistes an den Rand gedrängt werden?
Bei genauerer Betrachtung muss man dem zweiten Argument recht geben. Denn die ökonomische Begründung für die Begrenzung des Patentwesens greift auch hier: abstrakte Ideen (Algorithmen) werden, egal ob sie auf technische Vorgänge abbildbar sind, ohne Experimentierkosten geschaffen, können auf eine unbegrenzte Menge von Problemen angewandt werden und lassen sich dank der Informatik noch schneller und billiger verbreiten als menschliche Gedanken: die Grenzkosten des Informationsproduktes liegen bei Null, und das Verhältnis zwischen Patentgebühren und den Grundkosten, auf die sie draufzuschlagen wären, stellt eine Division durch Null dar. Ferner wird der im Patent implizierte Vertrag "Monopol auf die Umsetzung gegen Offenbarung der Idee" ad absurdum geführt: da zwischen der Information und ihrer Umsetzung keine Erfindung liegt, droht jede sachgerechte Offenbarung der Idee in turing-kompletter Syntax zu einer Verletzungshandlung zu werden.
Diese Probleme wurden in den 60er und 70er Jahren unter Patentrechtsgelehrten, insbesondere in Deutschland, intensiv diskutiert. Es wurde in Patentrechtslehrbüchern erläutert und von führenden deutschen Gerichten in der Anwendung verfeinert. Selbst mögliche künftige Irrwege und deren Konsequenzen wurden von Rechtsprechung und Schrifttum prophetisch warnend aufgezeigt. Der einzige ersichtliche Grund dafür, dass diese Irrwege dann dennoch vom EPA und BGH beschritten wurden, liegt wohl in der Schwäche (Unwissenheit und Gier) des Adam. Patentjuristen sind im Schnitt, was diese Probleme anbetrifft, ziemlich unbedarft. Sie glauben gerne an populäre Irrtümer und kolportieren solche Irrtümer dankbar in Fachzeitschriften. Echtes Wissen über den Technikbegriff und ähnliche interdisziplinäre Randbereiche bringt kein Geld in die Kasse, weder die der Patentanwaltskanzlei noch die des Europäischen Patentamtes, welches sich durch Patentgebühren finanziert.
Gleichzeitig gibt es seit den 60er Jahren eine zunehmend einflussreiche Gruppe von Patentjuristen, die eine grundsätzliche Beschränkung des Patentwesens auf die "Welt der Dinge" mit dem Hinweis ablehnen, dadurch müsse das Patentwesen den Anschluss an zunehmend bedeutende Bereiche des Wirtschaftslebens verlieren. Unter dem Einfluss dieser Denkweise verfielen die Patentierbarkeitsstandards Stück um Stück. Zunächst wurde in den frühen 80er Jahren industrielle Steuerungslogik patentiert, und die ehemals verpönten Funktionsansprüche (d.h. Beanspruchung abstrakter Funktionalitäten unabhängig von einer naturkräftegebundenen Implementationsweise) wurden akzeptabel. Allmählich schien die vom Gesetz geforderte "Diskriminierung gegen Computerprogramme" nicht mehr zeitgemäß zu sein. Patentabteilungen von Großfirmen wie Siemens und IBM investierten viel Geld und Zeit, um die zunächst "gegenüber den Neuen Technologien unaufgeschlossene" Denkweise der Patentämter durch Grundsatzurteile des EPA/BGH in Bewegung zu bringen. Mit der Funktionslogik wurden zunehmend alle wirtschaftlich interessanten Vorgänge unseres Lebens patentierbar. Bereits in den frühen 90er Jahren war am EPA die gesamte Liste der Patentierbarkeitsausschlüsse in Art 52 EPÜ, von der Mathematik bis zu den "Verfahren für geschäftliche Tätigkeit" und der "Wiedergabe von Information", praktisch zur Makulatur geworden. Für die Rechtsprechungspraxis des Europäischen Patentamtes war es seitdem belanglos, ob ein begehrter Patentierungsgegenstand auf dieser Liste steht oder nicht. Es kann allerdings passieren, dass Anspruch auf ein "Pensionsberechnungssystem" o.ä. vor dem EPA scheitert, weil der Antragsteller vergessen hat, rechtzeitig zum Prioritätsdatum genügend "technische Effekte" zu offenbaren. Was patentierbar ist, ist im wesentlichen eine Frage der Sorgfalt bei der Vorbereitung einer Patentschrift, wie nicht nur ein bekannter Patentanwalt richtig bemerkte.
Bis Mitte der 90er Jahre scheute man allerdings noch vor der letzten Konsequenz zurück. Organisations- und Rechenregeln wurden nur indirekt patentiert, sprachlich eingekleidet als "technische" Prozesse. Wer ein Programm auf den Markt brachte, konnte damit immer noch keinen Patentanspruch verletzen. Nach intensivem jahrelangen Trommelfeuer durch patentjuristische Fachzeitschriften schien 1998 der Zeitpunkt gekommen, die letzte Hemmschwelle zu überwinden. Durch eine Entscheidung einer (in Rechtsfragen nicht zuständigen) technischen Beschwerdekammer und Folgeentscheidungen ließ das Amt verlautbaren, dass künftig wörtliche Ansprüche auf Informationsgegenstände ("Computerprogrammprodukt", Computerprogramm, Datenstruktur etc) direkt beansprucht werden können. Per "Anmerkung des Herausgebers" stellte die Amtsleitung klar, dass sie beabsichtige "künftig die Praxis des Amtes an dieser Entscheidung auszurichten" und die Prüfungsrichtlinien entsprechend umzuschreiben.
Meanwhile, the caselaw of the EPO has indeed been pushing the boundaries of what is technical ever wider. According to its Examination Guidelines of 2002 "A further technical effect which lends technical character to a computer program may be found e.g. in the control of an industrial process or in processing data which represent physical entities or in the internal functioning of the computer itself or its interfaces under the influence of the program and could, for example, affect the efficiency or security of a process, the management of computer resources required or the rate of data transfer in a communication link."
According to rulings on EP 0689133, even the "economical use of the resource area on the screen" is "technical".
And if that doesn't cover the program, then "processing which is based on considerations of how a computer works is technical". Thus in the Sohei case a patent the EPO Board of Appeal upheld a patent for using the same input form to update two databases, namely an inventory database and a billing database, because it implied (but didn't actually limit itself by specifying how to do it) the handling of files containing different types of information, which is technical.
Allerdings sind die auf dieser Grundlage gewährten Patente von ungewissem Wert. Gesetzestreue Gerichte (wie z.B. der Schwedische Oberste Gerichtshof und der 17. Senat des Bundespatentgerichtes) finden regelmäßig Widersprüche in der Argumentation des EPA und des BGH und weisen Ansprüche auf logische Funktionalitäten und informationelle Gegenstände zurück. Auch bei den nationalen Gerichten in anderen Ländern gibt es solche Reibungen oder Unabwägbarkeiten. Daher ist der Patentbewegung sehr daran gelegen, das Europäische Patentübereinkommen zu ändern oder mithilfe neuer Gesetzgebung endgültig unwirksam zu machen. Ein entsprechendes Vorhaben galt seit ca 1997 als beschlossene Sache, scheiterte aber vorerst im November 2000 am öffentlichen Widerstand. Dennoch hält das EPA an seiner 1998 voreilig beschlossenen Rechtsänderung fest und setzt damit die Regierungen und die Europäische Kommission unter Druck. Derzeit steht eine Europäische "Richtlinie über die Patentierbarkeit von computer-implementierbaren Erfindungen" an, bei der es offenbar darum geht, die gegenwärtige Praxis des EPA, Patente auf computer-implementierte Organisations- und Rechenregeln und informationelle Gegenstände zu erteilen, zu legalisieren. Unter dem Namen der "Harmonisierung" und "Beseitigung von Rechtsunsicherheiten" soll die wackelige Grundlage, auf der sich die Rechtsprechung des EPA derzeit bewegt, stabilisiert werden. Bisherige Entwürfe der EU-Patentjuristen zeigen jedoch, dass dadurch bestenfalls die Widersprüche zwischen Rechtsprechung und Gesetz, nicht jedoch die inneren Widersprüche der EPA-Judikatur aufgehoben würden. Wenn die Patentbewegung von "Klärung der verworrenen Rechtslage" spricht, meint sie damit Ersetzung der klaren Gesetzesregeln des EPÜ durch die verworrene Praxis des EPA, m.a.W. grenzenlose Patentierbarkeit amerikanischen Stils. Da das EPA seine Praxis jedoch aus politischen Gründen weiterhin mit einem rechtsdogmatischen Schleier verhüllen muss, werden wohl auch in den kommenden Jahren vor allem unbeeindruckte amerikanische und japanische Unternehmen den Großteil derjenigen Patente erhalten, die das EPA theoretisch nicht erteilt.
Das EPA selbst hat bisher keinerlei Systematik entwickelt. Selbst die ausführlich diskutierte Entscheidung "Computerprogrammprodukt/IBM" greift auf verschiedene Einzelfälle zurück. Die Judikatur des EPA erscheint sohin von Kasuistik geprägt, eine Definition des erforderlichen "technischen Effektes" bleibt selbst die zuletzt genannte Entscheidung schuldig - dies obwohl das EPA, wie bereits erwähnt, gedenkt seine Rechtsprechung künftig an dieser Entscheidung auszurichten.