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"Die Insolvenz hat Schiesser geholfen"
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Interview

"Die Insolvenz hat Schiesser geholfen"

Volker Grub, Insolvenzverwalter von Schiesser, über Erfolg in der Krise und Bettwäsche für die Enkel.
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Volker Grub will Schiesser retten. Das Unternehmen hat noch 2000 Mitarbeiter. Foto: p-a/dpa dpa
Herr Grub, gehören Sie zu den Gewinnern des Jahres?

Es war das Jahr der Krise und der großen Insolvenzen. Das hat unserer Branche sehr geholfen. Viele Insolvenzverwalter haben 2009 neues Personal eingestellt, um den Ansturm bewältigen zu können. So wie bei einer Epidemie die Ärzte gewinnen, profitieren in der Krise die Insolvenzverwalter.

Und die retten dann Firmen wie den Wäschehersteller Schiesser?

Es läuft da jedenfalls hervorragend. Die Gläubiger haben Anfang Dezember den konkreten Verkaufsverhandlungen mit drei Interessenten zugestimmt, die unsere Arbeit fortführen wollen. Das ist eine gute Nachricht für die Mitarbeiter von Schiesser.

Zu einem Bieterkonsortium gehört der Modeschöpfer Wolfgang Joop. Wer sind die anderen Interessenten?

Ich habe ihnen Vertraulichkeit zugesichert. Daran möchte ich mich halten.

Sind es Finanzinvestoren oder haben sie wie Joop ein strategisches Interesse an Schiesser?

Auch das möchte ich nicht sagen.

Wie ist denn aktuell der Stand der Dinge?

Wir legen den drei Parteien nun noch mal sehr detaillierte Zahlen vor, mit dem Ergebnis für 2009 und der Planung für 2010. Dann sehen wir, ob einer der drei sein Angebot noch verbessert. Sonst erteilen die Gläubiger auf der Basis der bisherigen Offerten den Zuschlag.

Wann fällt die Entscheidung?

Ich gehe davon aus, dass der Kaufvertrag im Januar unterschrieben wird und Schiesser zum April einen neuen Eigentümer bekommt.

Wenn es so kommt, ist Schiesser gerettet. Was machen Sie besser als andere Insolvenzverwalter?

Jede Insolvenz ist anders. Grundsätzlich gilt: Produziert ein Unternehmen langlebige Wirtschaftsgüter, die Wartung, Service und Ersatzteile benötigen wie Maschinen, ist es für einen Käufer entscheidend, ob es das Unternehmen in den nächsten Jahren noch gibt. Bei einer solchen Insolvenz kann man nicht garantieren, dass diese Leistungen auch noch in fünf Jahren erbracht werden. Bei Unterwäsche ist dies anders. Eine geplatzte Naht kann man auch selbst flicken.

Wie ist es bei Quelle und Karstadt?

Quelle wurde einfach von der Entwicklung im Internet überholt. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Bei Karstadt muss man sehen, dass auch andere Warenhäuser wie Hertie oder Woolworth in die Insolvenz rutschten. Das stellt das Modell Warenhaus grundsätzlich infrage.

Warum sind 2009 so viele deutsche Traditionsfirmen in Bedrängnis geraten?

Viele Unternehmen, die nicht ganz auf festen Beinen standen, gerieten durch die Krise ins Wackeln oder sind gefallen. Normalerweise gehen etwa 90 Prozent der Pleiten auf Fehler des Managements zurück. 2009 war es höchstens die Hälfte. Man muss die Insolvenz als Chance begreifen. Viele Firmen suchen erst in der Insolvenz nach dem Machbaren und besinnen sich auf ihr Kerngeschäft. Das tut ihnen gut.

Was ist mit dem Imageschaden?


Bei Schiesser gab es keinen. Im Gegenteil, es gab einen positiven Impuls. Unsere Verkaufszahlen sind gestiegen, trotz Insolvenz. Im Herbst und im Winter lief das Geschäft besser als geplant. Die Kunden haben mehr Unterwäsche gekauft als vor der Insolvenz.

Aus Mitleid?

Vielleicht. Vielleicht aber auch aus Eigennutz. Sie wollten einfach nicht, dass Schiesser aus den Regalen verschwindet.

Haben Sie auch persönlich den Verkauf angekurbelt?

Ja, natürlich (lacht). Ich habe mich mit Unterwäsche eingedeckt. Aber vor allem haben meine Enkel Bettwäsche mit den Comicfiguren Prinzessin Lillifee und Käpt’n Sharky bekommen.

Das klingt, als wäre die Insolvenz ein Kinderspiel?

Nein, das wäre ein falscher Eindruck. Wir haben uns von einigen verlustreichen Geschäften getrennt und schreiben dadurch wieder schwarze Zahlen. Außerdem mussten wir etwa 500 Arbeitsplätze in Tschechien und der Slowakei abbauen.

Gab es nicht auch in Deutschland Entlassungen?


Nein. Kurz vor der Insolvenz wurde in Radolfzell 100 Mitarbeitern gekündigt. Dabei konnte ich es zum Glück belassen.

Sind die Arbeitnehmer die großen Verlierer dieses Pleitejahres?

Das sehe ich anders. Die Krise hat bewirkt, dass die Tarifparteien enger zusammenrücken und dass man überlegt, wie man Arbeitnehmer künftig besser am Erfolg beteiligen kann. Denken Sie daran, wie die IG Metall das Magna-Konzept für Opel aktiv mitgestaltet hat. Die Gewerkschaften sind unternehmerischer geworden, und das empfinde ich als positiv.

Rechnen Sie auch im kommenden Jahr mit vielen Pleiten?


2010 wird es genau so viele Insolvenzen geben wird wie 2009, aber wohl weniger spektakuläre Fälle. Es trifft vor allem die kleinen Betriebe, die keiner kennt.

Das Gespräch führte David Lerch.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 10.12.2009)
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