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Discounter-Wildwuchs: Berliner Abgeordnetenhaus will kleine Läden schützen - Berliner Wirtschaft - Wirtschaft - Tagesspiegel
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Discounter-Wildwuchs Berliner Abgeordnetenhaus will kleine Läden schützen

Tür an Tür: Wo ein Discounter öffnet, kommen häufig weitere hinzu. - Foto: Mike Wolff

Supermärkte sind nützlich, aber selten schön. Und sie verdrängen kleine Berliner Einzelhändler, findet eine Mehrheit im Landesparlament - und will Ordnung ins Stadtbild bringen.

Nicht nur der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz ärgert sich über die „Einheitsbauweise“ der Lebensmittelketten, die an vielen Stellen das Stadtbild zerstöre. Wegen dieser mangelnden Rücksichtnahme auf örtliche Gegebenheiten vergleicht er die anhaltende Expansion der Märkte mit „Aliens, die sich auf der Erde ansiedeln“. Außerdem sei die Nahversorgung fast überall in der Stadt längst gesichert – es gehe meist nur noch um einen „Verdrängungswettbewerb“.

So sieht es auch eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus: Außer der FDP stimmten alle Fraktionen im Stadtplanungsausschuss einem Antrag der SPD und Linken zu, die „Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsunternehmen stadtverträglich zu steuern“. Der Parlamentsbeschluss soll in der kommenden Woche folgen. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) lobt den Vorstoß, die „Instrumente zu schärfen“, mit denen Standorte als geeignet oder ungeeignet für große Geschäfte eingestuft werden können.

Für Shoppingcenter gibt es solche Festlegungen längst, sie sind im Flächennutzungsplan und dem Berliner Zentrenatlas verankert. Doch zum großflächigen Einzelhandel gehören auch Supermärkte, Möbelhäuser sowie Elektronik- und andere Fachmärkte ab einer Verkaufsfläche von 700 Quadratmetern. Im sogenannten Raumordnungsbericht der Länder Berlin und Brandenburg steht, dass solche großen Geschäfte bereits rund zwei Drittel der gesamten Verkaufsfläche in der Stadt betreiben. Allein Lidl hat hier rund 150 Filialen und Aldi 100, hinzu kommen Discounter wie Netto oder Penny und Supermarktketten wie Kaiser’s oder Reichelt.

Alle Bezirke erarbeiten deshalb zurzeit Einzelhandelskonzepte. In Friedrichshain-Kreuzberg wurde gerade ein Entwurf erstellt, über den nun die Bezirksverordneten beraten sollen. „Es geht nicht um die Verhinderung von Neueröffnungen“, sagt Wirtschaftsstadtrat Peter Beckers (SPD). Mancherorts seien große Märkte ja sinnvoll, das beweise zum Beispiel der Biolebensmittelmarkt am Mehringdamm. Wichtig sei aber, Investoren an die richtige Stelle zu lotsen. Ihnen werde das Konzept „mehr Planungssicherheit“ bringen.

In Spandau gab es Streit um den neuen „Siemensstadt-Park“ an der Nonnendammallee. Die „neue riesige Einkaufsstadt“ bedrohe Händler in der Altstadt Spandau und anderen Einkaufsstraßen, kritisierte der SPD-Kreisverband im vorigen Jahr. Dagegen bestritt CDU-Baustadtrat Carsten-Michael Röding (CDU), dass Kaufkraft abgezogen werde; er berief sich auf ein Einzelhandelsgutachten. Am heutigen Mittwoch eröffnet als eines der ersten neuen Geschäfte der Fachmarkt „Küchen aktuell“, auch ein Obi-Baumarkt und ein Schnellrestaurant bedienen bereits ihre Kunden. Im Laufe des Sommers folgen ein Kaiser’s-Supermarkt, ein Möbelhaus, eine Polster- und eine Bettenhandlung, ein Sportstudio, ein privates Kinderfreizeitzentrum und eine 1200 Quadratmeter große Spielhalle. Manche Nutzungen habe der Bezirk jedoch von vornherein ausgeschlossen, heißt es von der Aldinger & Fischer Grundbesitz und Vermarktungs GmbH, die als Bauherr 52 Millionen Euro investiert. Ein Elektronikmarkt oder mehr Flächen für Lebensmittelhandel zum Beispiel waren tabu.

Wirtschaftssenator Wolf sagt, es gebe „keinen Mangel an Discountern, sie sind verstärkt auch in innerstädtischen Lagen zu finden“. Die Bürger müssten nicht befürchten, dass ihnen preisgünstige Einkaufsmöglichkeiten genommen werden. Um „lebendige Kieze und möglichst kurze, auch fußläufige Einkaufswege“ zu gewährleisten, sei aber eine funktionierende Mischung aus großen und kleinen Geschäften notwendig.

Der Handelsverband Berlin-Brandenburg hält es für richtig, die Ansiedlungen stärker zu steuern: „Die Stadt sollte nicht mit Discountern zugepflastert werden“, sagt Hauptgeschäftsführer Nils Busch-Petersen. Er warnt jedoch davor, nur auf Flächengrößen zu achten. „Damit würde man das Gegenteil erreichen.“ Ein kleiner Discounter könne nämlich durchaus mit 700 Quadratmetern auskommen. Bei klassischen Supermärkten seien die Ansprüche der Kunden an Frische und Vielfalt höher: Mit Bedientheken und breitem Sortiment benötige ein solches Lebensmittelgeschäft 1100 bis 1200 Quadratmeter Fläche. „Und das sind oft Familienbetriebe.“ Es müsse im Einzelfall entschieden werden, ob ein Markt wirtschaftlich und städtebaulich in einen Kiez passe.

Das Gewerberecht biete keine Möglichkeit, unerwünschte Großbetriebe fernzuhalten, sagt der Leiter der Wirtschaftsförderung Charlottenburg-Wilmersdorf, Klaus Albat. Steuerungsmöglichkeiten gebe es allein über das Bauplanungsrecht. In diesem Zusammenhang seien die Einzelhandelskonzepte zu sehen, die den Ämtern eine genauere Argumentation ermöglichten – notfalls vor Gericht.

Mancherorts in Berlin haben Bürgerinitiativen große neue Supermärkte verhindert. So wehrten sich Anwohner in Nikolassee gegen einen Discounter gegenüber dem Waldfriedhof an der Potsdamer Chaussee. Sie befürchteten mehr Lärm und Verkehr und argumentierten, es gebe bereits genügend Supermärkte in der Nähe. Die BVV Steglitz-Zehlendorf revidierte daraufhin im vorigen Jahr ihre Zustimmung. In Lichtenberg gründete sich dagegen erstmals eine Bürgerinitiative für einen geplanten SB-Markt, während das Bezirksamt den Standort in der Allee der Kosmonauten mit Rücksicht auf kleinere Geschäfte ablehnte. Wie berichtet, kam es im März zu einem Bürgerentscheid. Die Wahlbeteiligung war dann allerdings so gering, dass es beim Veto des Bezirks blieb.

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34 Kommentare

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    • von cybertanne
    • Wed May 26 12:17:25 CEST 2010
      • Schlecht: 5
      • Gut: 3
    • (8 Stimmen)

    Unterbeschäftigte

    und profilierungssüchtige Politiker denken sich neue Bürokratie aus. Toll. Wollten wir nicht Bürokratie abbauen? Aber die Berliner Verwaltung muss ja beschäftigt werden. Ich erinnere mich noch an das Drama um IKEA in Lichtenberg: Egal, ob die Arbeitsplätze schaffen, die Fassade gefällt uns nicht...
      • von mr.l
      • Wed May 26 13:31:06 CEST 2010
        • Schlecht: 2
        • Gut: 5
      • (7 Stimmen)
      Antwort auf cybertanne vom Wed May 26 12:17:25 CEST 2010

      Arbeitsplätze...

      ...sind wichtig, keine Frage. Aber sollte man, wie in der Vergangenheit oft genug geschehen, mit diesem Agument alles rechtfertigen? Ich denke nicht.
    • Antwort auf cybertanne vom Wed May 26 12:17:25 CEST 2010

      Arbeitsplätze?

      Warum sollte da ein Saldo an Arbeitsplätzen entstehen? Sollte ich mehr essen, weil ein neuer Supermarkt an der Ecke ist? Da insgesamt nicht mehr konsumiert wird, entstehen nur kurzfristig neue Arbeitsplätze, andere fallen dann weg.
      • von cybertanne
      • Wed May 26 16:42:41 CEST 2010
        • Schlecht: 4
        • Gut: 3
      • (7 Stimmen)
      Antwort auf bettel_von_stabburg vom Wed May 26 15:30:47 CEST 2010

      Dann

      sollten Sie neue Saturn- und Mediamärkte unterbinden. Die enstehen auch auf Kosten des Einzelhandels. Verbieten Sie ATU und stop&go, denn die vernichten alteingesessene Autowerkstätten. Verbieten Sie IKEA..... letztendlich kostet fast jede Neueröffnung an anderer Stelle Arbeitsplätze. Das ist kein ausschließliches Argument gegen Aldi & Co.
    • Antwort auf cybertanne vom Wed May 26 16:42:41 CEST 2010

      Ursache Auto

      Ich will gar nichts verbieten. Ich möchte, daß die Politik Anreize setzt, daß der kleinere Einzelhandel eine Chance hat. Falls es einer noch nicht mitbekommen hat, bin ich ein Gegner des Autos in der Stadt! Wäre nicht alles aufs Auto zugeschnitten, würde unser Discountproblem erst gar nicht so entstehen. Ohne Auto würden die Menschen würden wieder ihre Beine (die zwei Teile unten am Körper) zur Fortbewegung nutzen und daran interessiert sein, die Geschäfte in der Nähe zu haben. Und sie hätten obendrein mehr Geld für Konsum, fallen doch die durchschnittlich 400 Euro monatliche Kosten fürs Auto weg.
      • von sar
      • Thu May 27 15:57:21 CEST 2010
        • Schlecht: 0
        • Gut: 2
      • (2 Stimmen)
      Antwort auf bettel_von_stabburg vom Wed May 26 21:15:02 CEST 2010

      Auto und Verantwortung der Politik

      bislang und im weiteren Verlauf der klügste und pragmatischste Beitrag. Es wird zwar nicht so einfach wie Sie denken, denn auch Fußgänger und Radfahrer rennen zu Aldi & Co., mit der Menge des Eingekauften aber sinkt die Bereitschaft auf die große Schlange und - ja - mit dem eingesparten Autogeld bleibt mehr zum Ausgeben.

      Der Vormarsch der Discounter ist aber auch eine ökonomische Abstimmung der Kunden. Der Staat ist nicht dazu da, die Struktur der Wirtschaft vorzuschreiben; er (die gewählten Vertreter) darf lediglich per Planung korrigieren, wenn bei einer Ausprägung nicht hinnehmbare Nachteile auftreten: Unterversorgung der Bevölkerung, unzumutbare Verkehrs- oder Lärmprobleme, städtebauliche bzw. architektonisch gravierende Missstände. Was das im Einzelfall bedeutet, muss ausgehandelt werden. Ohne Discounter zu präferieren: einen einfachen Stopp der Discounter wird es nicht geben, denn sie sind de facto von den Kunden erwünscht und effizient.
    • von schoedl
    • Wed May 26 13:32:22 CEST 2010
      • Schlecht: 6
      • Gut: 4
    • (10 Stimmen)

    Mehr Buerokratie

    Gibt es eigentlich irgendwas, wo sich Politiker nicht einmischen?
    • von hollebolle
    • Wed May 26 14:03:27 CEST 2010
      • Schlecht: 3
      • Gut: 8
    • (11 Stimmen)

    Gute Initiative

    Ich denke auch man sollte gegen den Wildwuchs dieser Billigst-Flachbauten vorgehen. Nichts gegen Aldi und Co, aber eine Lagerhalle mit Parkplatz und Abstandsgrün gehört allenfalls an den Stadtrand aber nicht in die Innenstadt. Man darf ein Mindestmaß an Ästhetik erwarten. Ich frage mich sowieso wie solche Dinger in Mitte genehmigt werden konnten. Über ein Stopp wäre ich dankbar.
    • von harunalraschid
    • Wed May 26 14:13:48 CEST 2010
      • Schlecht: 2
      • Gut: 5
    • (7 Stimmen)

    Supermärkte sind nützlich, Einzelhändler ebenso.

    Wir haben hier in Norderstedt ein kleines Einkaufszentrum, mit einem vernünftigen Branchenmix. Seit ein paar Monaten hat ALDI Zeitungen und Zeitschriften im Regal. Bekanntlich kosten die überall das Gleiche. Aber niemand denkt drüber nach! Der Mensch ist von Haus aus einfach nur bequem. Seitdem kann hat der kleine Zeitungsladen einen erheblichen Umsatzeinbruch. Ein gutes Beispiel, wie man kleine Läden kaputt macht. Da frage ich mich dann: Muss das sein?
    • von emporda
    • Wed May 26 14:25:03 CEST 2010
      • Schlecht: 5
      • Gut: 4
    • (9 Stimmen)

    Wieso Discounter

    Im Gegensatz zu vielen Einzelhändlern beschäftigen Supermärkte viele Mitarbeiter, auch wenn die Bilanz der eingesetzten Stunden je Umsatzeinheit deutlich günstiger ausfällt. Ich habe im Berufsleben an die 51 Supermärkte als Bauprojekte abgewickelt und bin privat gerne deren Kunde.

    Wir kaufen fast nur bei Discountern ein, denn dort finden wir jederzeit einen freien Parkplatz und können den Einkauf bequem ins Auoto laden. Als Behinderte ist das extrem wichtig, niemand von uns kann x Einkaufstüten zu irgend einem entfernten Parkplatz schleppen und sich dann mit einer Parkkralle auseinander setzen plus 30 - 90 € für falsches parken. Die Behindertenplätze werden fast nur von normalen Autofahrern blockiert, so schnell kann der Abschleppwagen gar nicht sein.

    Unser lokaler Edeka-Laden (Valvi) wird allenfalls 1 Mal im Jahr z.B. für ein paar Tomaten aufgesucht, auch weil dort parken ein Lotteriespiel ist. Die Tomaten kommen auch aus Holland, sind weder frischer noch im Geschmack besser, aber dafür fast doppelt so teuer.

    Natürlich sehen die Städte grauenhaft aus, wenn auf den Hauptstraßen von 10 Ladenlokalen 8 leer sind oder zum Verkauf angeboten werden (Nordheim, Höxter, Uslar usw.). Nur ist diese Entwicklung nicht mit einem Verbot des Discounters auf der grünen Wiese aufzuhalten. Der baut dann im nächsten oder übernächsten Ort, irgend ein Bürgermeister kommt ohne dessen Gewerbesteuer nicht mehr klar. Dem zukünftigen Kunden sind einige Kilometer mehr oder weniger egal - Hauptsache er kann bequem, umsonst und sicher parken.

    Es ergibt sich die trauripe Konsequenz, einige farblose Hinterbänkler im Parlameent halten ihre Handlung für gute Wahlwerbung.

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