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Pfälzerwald - NATIONAL GEOGRAPHIC
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Pfälzerwald

Autor: Andreas Weber  —  Bilder: Norbert Rosing

„Nadja“ lebt wild und gefährlich. Die Schönheit hat ihr Bett auf einer Waldlichtung im Pfälzerwald zwischen kratzigen Dornen aufgeschlagen. Am Abend, als der Herbstdunst in die Täler fällt, schüttelt sie den Tau von ihren weichen Fesseln. Sie schlüpft unter abgestorbenen Farnwedeln hindurch und setzt geschmeidig über umgestürzte Stämme. Dann schnellt sie über den Straßengraben hinweg, macht zwei, drei Sprünge auf dem glatten Asphalt – und erstarrt, als ihr Körper plötzlich in gleißendem Licht gefangen ist. Eine Druckwelle zaust ihren dichten Pelz, als ein Minivan an ihr vorbeirast, die schnurgerade Kreisstraße durch den Pfälzerwald hinab. Das war knapp.

Der Biologe Stefano Liccioli hat seinen alten Golf auf einem schlammigen Waldweg abgestellt und das Abblendlicht ausgeschaltet. Durch die Seitenfenster strömt Kühle und der Duft nach feuchtem Laub und Pilzen herein. Es ist still – bis auf das Knistern des Funkempfängers, mit dem der junge Italiener in den Pfälzerwald peilt. «Da ist sie», murmelt er. Ein leisen Pulsieren tönt aus dem Lautsprecher, ein schwaches, taktmäßiges blip, blip, blip, blip – wie der ferne Schlag eines kleinen Herzens.

Liccioli hat „Nadja“ geortet. Die Wildkatze ist auf Pirsch im Pfälzerwald, das verraten die an- und wieder abschwellenden Funksignale, die vom schwarzen Kunststoffband an ihrem Hals ausgehen. Der Biologe dreht die Dachantenne, um die Richtung der Impulse zu bestimmen. Dann startet er den Motor. Feuchte Stämme leuchten im Scheinwerferlicht, als der Italiener sein Auto wendet und in der Spur zurückkriecht.

Liccioli schlägt sich seine Nächte im Pfälzerwald für das Institut Öko-Log um die Ohren. Er erforscht die Gewohnheiten eines der seltensten Säugetiere Europas. Außer „Nadja“ wurden noch ein paar andere Kätzinnen und Kuder – das sind die Männchen – mit einem Funkcollier beringt. So will er den zumeist unsichtbaren Mäusefängern im Pfälzerwald auf der Spur bleiben.

Der Naturpark Pfälzerwald, die deutsche Partie eines die Grenze nach Frankreich überschreitenden Biosphärenreservats, umfasst den größten geschlossenen Baumbestand unseres Landes. An seinem Südhang, wo lichte Streuobstwiesen in die kühlen Hallen der Kiefern und Esskastanien münden, beginnt Europas wichtigstes Verbreitungsgebiet der Wildkatze. Ihre größte Population lebt in Deutschland, ihre genetisch reinsten Exemplare im Pfälzerwald, in einer Landschaft, die ein feingliedriges Mosaik bildet – aus dem Erbe einer jahrtausendealten Kultur, durchsetzt von Flecken und Inseln duftender, schweigender Wildnis.

Am Fuße der zur Rheinebene abfallenden Hügel locken adrette Fachwerkdörfer mit Weingütern und vielen Schnapsbrennereien zu spontanen Feierstunden. Aber nach Nordwesten hin, in die Berge hinein, wird das Licht kälter, werden Schlucht um Schlucht enger, der Wald unzugänglicher. Rostige Bahngleise folgen der Straße, still gewordene Städtchen harren zwischen Hügelrücken aus, die im Herbst die Farben der untergehenden Sonne aufsaugen. Die vielen Schuhfabriken, in denen einst die Menschen dieser abgelegenen Täler ihr Geld verdienten, sind längst geschlossen. Nur ihre leeren Hüllen säumen noch immer die Durchgangsstraßen im Pfälzerwald.

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