Copygate-Affäre: Bayreuther Professor bezichtigt Guttenberg des Betrugs
Der in Bayreuth lehrende Staatsrechtler Oliver Lepsius hält Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) für einen Betrüger. "Wir fühlen uns getäuscht", zitierte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" den Wissenschaftler mit einer Aussage über Guttenbergs Doktorarbeit voller Zitate, die nicht als solche ausgewiesen sind. "Wir sind einem Betrüger aufgesessen."
Die Hochschule hatte Guttenbergs Doktortitel am Mittwoch wegen gravierender handwerklicher Mängel aberkannt, jedoch noch kein Urteil zu den Plagiatsvorwürfen gefällt. Die Prüfung der Anschuldigungen hält nach Angaben der Uni an. Die Bildungseinrichtung lebt seit Jahrzehnten von ihrem bislang tadellosen Ruf und fürchtet nun einen Image-Schaden als Folge des Fall Guttenbergs. Sie nahm am Donnerstag ein Bild des Ministers von ihrer Webseite und kündigte an, ein Werbevideo mit dem Adligen zu überarbeiten. Guttenberg räumt gravierende Fehler in seiner Dissertation ein, erklärt aber, nicht bewusst oder absichtlich abgeschrieben zu haben.
Lepsius, seit 2002 Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Allgemeine und Vergleichende Staatslehre, sagte mit Blick auf den Ruf der Fakultät hinzu: "Wir gehören zu den zehn besten rechtswissenschaftlichen Fakultäten in Deutschland."
Für die Uni ist der Fall nicht abgeschlossen. Es werde geprüft, ob der CSU-Politiker die Promotionskommission mit seiner Doktorarbeit getäuscht habe, sagte Präsident Rüdiger Bormann. "Einen Täuschungsvorsatz nachzuweisen, ist sehr komplex und langwierig, zumal zu Guttenberg diesen Vorwurf bestreitet." Gegen den Minister liegen Strafanzeigen vor.
Die Universität wies Berichte zurück, wonach Guttenberg während seiner Promotion als Sponsor für die Hochschule aufgetreten sei. Ein Kooperationsvertrag aus dieser Zeit, durch den der Universität Geld für einen neuen Lehrstuhl zugeflossen sei, habe nichts mit Sponsoring zu tun, erklärte Bormann. Zwischen 1999 und 2006 seien für einen neuen Lehrstuhl an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät knapp 750.000 Euro überwiesen worden, berichtete der "Tagesspiegel" unter Berufung auf den Klinikbetreiber Rhön Klinikum. Guttenberg saß von 1996 bis 2002 im Aufsichtsrat des Unternehmens, seine Familie hielt dort ein Aktienpaket.
Schäuble streckt Sparvorgaben
Guttenberg bemühte sich um eine Rückkehr zur Normalität. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) half ihm dabei. Der Kassenwart lockerte überraschend das Spardiktat für seinen Kabinettskollegen und gewährte ihm eine zeitliche Streckung seiner Sparvorgaben. Guttenberg bekommt bis Ende 2015 - ein Jahr mehr als bislang eingeplant - Zeit, gut 8,3 Mrd. Euro in seinem Budget zu kürzen.
Die Opposition übt weiter Druck aus. Guttenberg hatte im Bundestag eingeräumt, in seiner Dissertation auf vier Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments zurückgegriffen zu haben. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sprach laut Teilnehmern in einer Sitzung des Ältestenrates von sechs Gutachten, für die keine Genehmigung der Bundestagsverwaltung zur Veröffentlichung vorliege.
Guttenberg hat seine Doktorarbeit von einem der CSU nahestehenden Zweitgutachter bewerten lassen. Wie ein Sprecher der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung der FTD bestätigte, ist Guttenbergs Zweitgutachter Rudolf Streinz Vertrauensdozent der Stiftung an der Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU).
Streinz lehrt seit 2003 Öffentliches Recht und Europarecht an der LMU. Zuvor hatte er den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an der Universität Bayreuth inne. Nach Angaben im Lebenslauf auf der Internetseite seines Lehrstuhls war Streinz zwischen 1978 und 1990 zudem Mitglied des Landshuter Stadtrats. Vertrauensdozent der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) ist Streinz nach Angaben des Sprechers seit 2005. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Guttenberg hatte seine mit der Bestnote bewertete Doktorarbeit im Jahr 2006 eingereicht.
Streinz’ Funktion als Vertrauensdozent der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) ist für die politische Debatte nicht unerheblich. Unionspolitiker hatten die Plagiatsvorwürfe gegen Guttenberg in der vergangenen Woche als Kampagne von links zurückgewiesen. Zur Begründung hatten sie darauf verwiesen, dass der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano, der die Affäre ins Rollen gebracht hatte, als Vertrauensdozent der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung dient.
Vertrauensdozenten der HSS fungieren als Bindeglied zwischen der HSS-Stipendiatengruppe an den Hochschulen und der Stiftung. Als Vertreter in einer drei Mitglieder zählenden Kommission entscheiden sie auch mit über die Auswahl von Stipendiaten.
Teil 2: Trittin kritisiert Guttenbergs Nähe zu "Bild"
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FTD.de, 24.02.2011
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