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Guttenberg spricht von Krieg in Afghanistan | Inland | Reuters
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Guttenberg spricht von Krieg in Afghanistan

Dienstag, 3. November 2009, 17:42 Uhr
 

Berlin (Reuters) - Unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist das Wort Krieg im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz nicht länger ein Tabu.

"In Teilen Afghanistans gibt es fraglos kriegsähnliche Zustände", sagte Guttenberg der "Bild"-Zeitung vom Dienstag. Er verstehe jeden Soldaten, der am Hindukusch von Krieg spreche. Guttenbergs Vorgänger Franz Josef Jung hatte es dagegen zur Verärgerung der Soldaten strikt abgelehnt, das Wort zu verwenden. Über eine Aufstockung der deutschen Truppen am Hindukusch soll nach FDP-Angaben erst nach der Afghanistan-Konferenz Anfang 2010 entschieden werden.

Nach dem Völkerrecht könne ein Krieg nur zwischen Staaten stattfinden, räumte Guttenberg ein. "Aber glauben Sie, auch nur ein Soldat hat Verständnis für notwendige juristische , akademische oder semantische Feinsinnigkeiten?", fragte er. Manche herkömmliche Wortwahl passe schlicht nicht mehr auf die Bedrohung von heute. "Ich selbst verstehe jeden Soldaten, der sagt: 'In Afghanistan ist Krieg, egal, ob ich nun von ausländischen Streitkräften oder von Taliban-Terroristen angegriffen, verwundet oder getötet werde'".

Die Afghanen seien stolz und selbstbewusst und würden sich dem Terror nicht beugen, sagte der neue Minister. Sie müssten in die Lage versetzt werden, ihre Sicherheit selbst zu garantieren. "Dann ist unsere militärische Aufgabe dort beendet". Dieses Ziel müsse erreicht, aber noch klarer formuliert werden.

Der Bundeswehrverband lobte die offenen Worte Guttenbergs. "Ich habe den Eindruck, dass der Minister zu Guttenberg führen will", sagte Verbandschef Ulrich Kirsch der "Leipziger Volkszeitung" (Mittwochausgabe). Guttenberg zeige, dass er den Puls der Truppe fühle. Dazu gehöre die Erkenntnis, dass die deutschen Soldaten, die "in Kundus jeden Tag im Kampf stehen, dabei Tod und Verwundung erleben und selbst töten müssen, diese Situation als Krieg empfinden". Aus dieser Diagnose müsse der Minister allerdings auch Konsequenzen ziehen und in Afghanistan für mehr gepanzerte Fahrzeuge und Hubschrauber sorgen, forderte Kirsch in der "Mitteldeutschen Zeitung". Der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe sprach im "Hamburger Abendblatt" von einem richtigen Signal an die Truppe.

MANDATSVERLÄNGERUNG OHNE HÖHERE OBERGRENZE

Über eine Aufstockung des deutschen Kontingents am Hindukusch will die Bundesregierung erst nach der Afghanistan-Konferenz Anfang 2010 entscheiden. Die Koalition wolle das im Dezember auslaufende Mandat, unter dem bis zu 4500 deutsche Soldaten entsandt werden können, zunächst unverändert verlängern, sagte der FDP-Verteidigungsexperte Rainer Stinner der "Mitteldeutschen Zeitung". Nach der Konferenz werde die Lage neu beurteilt. Eine Aufstockung sei denkbar, jedoch nur dann, wenn das neue Konzept überzeugend sei.

Nahe Kundus gerieten erneut deutsche und belgische Soldaten unter Beschuss. Aufständische hätten am Montag etwa 15 Kilometer vom Feldlager Kundus entfernt mit Sturmgewehren und Panzerfäusten auf die Nato-Truppen geschossen, die das Feuer erwiderten, erklärte die Bundeswehr. Deutsche oder Belgier seien nicht verwundet worden. Kundus ist der gefährlichste Einsatzort der Bundeswehr im Norden Afghanistans.

Derzeit sind rund 4000 Bundeswehr-Soldaten am Hindukusch im Einsatz. Vor allem die USA drängen die europäischen Nato-Verbündeten zu einer Aufstockung der Einsatzkräfte. Nach Einschätzung des obersten Kommandeurs der US- und Nato-Truppen in Afghanistan sind bis zu 40.000 weitere Soldaten nötig, um eine Niederlage gegen die radikal-islamischen Taliban zu verhindern.