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Stephen H. Long - NATIONAL GEOGRAPHIC
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Stephen H. Long

Stephen H. Long scheitert bei der Suche nach Flussquellen an den Rocky Mountains. Mit erschöpften Wissenschaftlern zieht er durch unerforschte Prärien. Die öden Weiten hält er für lebensfeindliche Wüsten – und warnt vor Besiedelung.

Wie ein Ungeheuer sieht die „Western Engineer“ aus. Ihr Bug ist ein mächtiger Schlangenkopf mit heraushängender Zunge. Rauch- und Dampfwolken quellen drohend aus dem grellroten Schlund. Die Schaufelräder am Heck schlagen das Wasser zu Schaum. 22 Salutschüsse sind beim Stapellauf am 3. Mai 1819 in Pittsburgh erklungen. Nun stehen die Menschen in Scharen an den Ufern des Ohio und jubeln dem Raddampfer zu. Wieder ein Sieg der Technik, glauben sie, wieder ein großer Sprung nach Westen.

Stephen Harriman Long, ein erfahrener Vermessungsingenieur im Dienst der amerikanischen Armee, sieht von Bord aus die Begeisterung mit bangem Herzen. Vielleicht ahnt er schon die Riesenkluft, die sich auftun wird zwischen den Erwartungen der Öffentlichkeit und den Problemen, mit denen er und seine Leute sich herumschlagen müssen. Die winkenden Menschen, die da feierlich Spalier stehen, sehen zum Beispiel nicht, dass wegen des zu großen Tiefgangs aufgewirbelter Sand und Schlamm in die Dampfkessel gelangen. Das drückt die Motorleistung erheblich. Alle paar Tage müssen daher die Kessel ausgekühlt und vom Matsch gereinigt werden.

Long ist eines von 13 Kindern einer Familie, die an der Ostküste lebt. In jungen Jahren ist er Lehrer gewesen. 1814 ging er zur Armee, lehrte zwei Jahre Mathematik an der Militärakademie West Point, kam dann zu den Vermesssungsingenieuren. 1817 ging Stephen H. Long auf seine erste Tour in den Westen, erkundete den oberen Mississippi. Diese neue Expedition ist um etliche Nummern größer.

Die Flagge, die am Bug weht, zeigt einen Weißen und einen Indianer, die sich die Hände schütteln; im Hintergrund erscheinen ein Schwert und eine Friedenspfeife. Deutlicher kann die Botschaft, die von der „Western Engineer“ ausgeht, nicht sein: Ihr könnt Frieden haben, wenn ihr euch nicht quer legt. Aber wir sind die Stärkeren, wenn ihr Krieg führen wollt. Das Schiff hat auch eine Kanone, vier Haubitzen und eine schusssichere Kabine für die Steuerleute.

Die „Western Engineer“ soll allerdings nicht nur Indianer einschüchtern. Kriegsminister John C. Calhoun will in der Region am Oberlauf des Missouri eine Kette von Militärposten errichten, um dem unkontrollierten Treiben britischer und kanadischer Pelzhändler ein Ende zu bereiten und die mit ihnen verbündeten Ureinwohner zu befrieden. Dazu müssen aber erst einmal Fachleute die Gegend erforschen. Denn diese „Nordwestfront“, wie die Amerikaner sie gern nennen, ist bislang auf Karten so wenig erfasst wie die anderen schier endlos weiten Gebiete, die sich westlich des Mississippi zu den Rocky Mountains hin erstrecken.

Die „Western Engineer“ schippert träge den Ohio hinunter, den Mississippi hinauf bis St. Louis, dann in den Missouri hinein, auf dem bis dahin erst ein einziges Mal ein Dampfer gefahren ist. Die Verschlammung des Dampfkessels wird immer schlimmer, die Gegenströmung immer stärker. Im September 1819, bei Fort Lisa, ist die Flussreise zu Ende. Falsch geplant, falsch gebaut – die „Western Engineer“ ist ihrem Einsatz nicht gewachsen.

Nun will der Kriegsminister, wenn schon nicht das Schiff, so wenigstens die Expedition retten. Sein neuer Auftrag lautet, den Platte River flussaufwärts zu erkunden, dann die Quellen des Red River und des Arkansas River zu finden. Es sind riesige, unerforschte Prärien, die da vor Longs Truppe liegen. Ist es neuer Siedlungsraum? Die Indianer bei Fort Lisa lachen, als die Weißen ihnen von dem Plan erzählen. Kaum Gras, kaum Wasser und das in der heißesten Zeit des Jahres – weder die Menschen noch die Pferde würden diesen Marsch überleben.

Zum letzten Mal wird Salut gefeuert. Anfang Juni 1820 bricht die Truppe ins Ungewisse auf. Außer Long sind fünf Forscher und ein Chronist, sieben Soldaten als Eskorte und sieben Zivilisten als Dolmetscher, Führer und Jäger dabei. Die Regierung, die Öffentlichkeit, die Philosophische Vereinigung von Philadelphia als führende Wissenschaftsorganisation – sie alle setzen ihre Hoffnungen auf diese Expedition. Doch der Marsch ist eine Tortur. Millionen von Stechmücken und Sandflöhen attackieren Long und seine Leute. Bald sind ihre Hände geschwollen. Die Sonne sticht, die Köpfe schmerzen, und einige sagen, in ihren Gesichtern hätten sie das Gefühl, jeden Moment werde «das Blut durch die Haut brechen». Auf dem Wasser des Platte River, das sie zum Trinken nehmen müssen, schwimmt wegen Überschwemmungen meist eine dichte Schicht Büffelkot; auch nach dem Abkochen behält es seinen üblen Gestank.

Die Forscher in Longs Team sammeln so viele Tier- und Pflanzenspezies, wie es geht. Die Kollektion von Thomas Say wächst auf Tausende Insekten an. Titian Peale fertigt 124 Skizzen von Pflanzen, Samuel Seymour 150 Bilder von Landschaftstypen an. John Bell führt das Tagebuch, die botanischen und geologischen Aufzeichnungen von Edwin James werden drei dicke Bände füllen. Doch Mitte Juli, als sie die Rocky Mountains erreichen, kommt für Stephen H. Long die zweite Niederlage. Er gibt es auf, die Quellen des Arkansas River zu suchen. Zwar ist die genaue kartographische Erfassung dieses Flusses von größter Wichtigkeit, weil er über weite Strecken die Grenze zum spanischen Territorium bildet, die im Adam-Onis-Vertrag von 1819 festgelegt worden ist. Doch die Männer sind zu Tode erschöpft. Long kehrt – Washington ist weit – den Rocky Mountains den Rücken.

Die Gegend, durch die sie nun ziehen, ist eine «staubige Sand- und Kiesebene, so öde wie die Wüste von Arabien», wie Bell notiert. Long teilt seine Truppe, um zwei getrennte Routen zu marschieren. Bell zieht mit elf Mann am Arkansas River hinunter, er selber will mit den anderen die Quelle des Red River suchen. Von der Hitze geraten sie in heftigen Regen und Hagel. Der Wind ist so stark, dass die Pferde sich weigern weiterzulaufen. Um sich in den kühlen Nächten wenigstens halbwegs gegen die Unbilden der Natur zu schützen, legen die Männer sich in dem offenen Zelt, das sie haben, kreisförmig mit den Köpfen nach innen – so sind nachts nur die Beine schutzlos dem Tau und dem Regen ausgeliefert.

Ende Juli stoßen sie auf ein ausgetrocknetes Flussbett. Sie glauben, einen Quellfluss des Red River gefunden zu haben. Eine Gruppe von Kommantschen, der sie begegnen, bestätigt ihre Annahme. In Wirklichkeit ist es der Canadian River. Sie quälen sich über Felsbarrieren, die ihnen den Weg versperren, steigen mal hoch zur Ebene, dann wieder hinunter zum Fluss. Der Hunger zehrt an ihnen, es gibt wenig Wild, auch der Durst wird immer stärker. Als sie Mitte September die Einmündung in den Arkansas River erreichen, erkennen sie, dass sie auch in Sachen Red River den Auftrag nicht erfüllt haben. Für Long ist es die dritte Niederlage. Von Bells Gruppe, die sie bald darauf treffen, sind drei Soldaten desertiert. Seltsamerweise haben sie nicht nur Pferde, sondern auch viele Aufzeichnungen mitgenommen.

Longs Trupp ist monatelang durch die Prärie gezogen. Er nennt sie die „Große Amerikanische Wüste“. Sie sei «fast völlig ungeeignet für Ackerbau und natürlich völlig unbewohnbar für Menschen, die von Ackerbau leben“, schreibt er zu seinen Karten, die er nach der Reise erstellt. Sein Report bremst für Jahrzehnte den Siedlerstrom in diesen Teil des mittleren Westens. Moderne Dünge- und Bewässerungsmethoden sind noch unbekannt.

Die meisten Entdecker kommen als Helden nach Hause. Stephen H. Long gehört zu einer Minderheit. Er schwärmt auch nicht von den erforschten Ländern. Er hat dort zu viele Niederlagen erlitten.

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