Der ständige Verweis darauf, dass die Inflationsrate der Verbraucherpreise unter Trichets Ägide im Durchschnitt 1,97 Prozentpunkte betrug und somit das Preisniveauziel der EZB von zwei Prozent erfülle, lenkt hier nur von diesem zentralen Problem für Draghi ab. Eine weitere Beobachtung ist, dass die EZB unter der Führung Trichets die marktorientierte Verzinsung von Staatsanleihen in der Euro-Zone als wichtigen Sanktionsmechanismus gegen übermäßige Verschuldung außer Kraft gesetzt hat.
Zudem bleibt eine zentrale ökonomische Erkenntnis unberücksichtigt, dass der Spielraum für die öffentliche Verschuldung für eine Volkswirtschaft deutlich geringer wird, sobald es einer Währungsunion beitritt. Denn es kann diese nicht mehr mit Seigniorage und der Inflationssteuer finanzieren. Die Kosten der Anleihekäufe sind vor diesem Hintergrund noch höher einzuschätzen. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Schuldenkrise mittelfristig durch höhere Inflation gelöst werden wird.
Draghi wird die Folgen der Vorgängerpolitik korrigieren müssen. Dazu zählt vor allem eine mögliche dramatische Verschlechterung der Euro-Schuldenkrise, da man sich bisher auf keine nachhaltige institutionelle Lösung einigen und das Schicksal der Banken nach wie vor nicht von jenem der nationalen Regierungen und deren Verschuldung entkoppeln konnte.
Hinzu kommt, dass Mario Draghi in einem noch größeren Umfang als sein Vorgänger mit den Herausforderungen in den Bereichen der Übertragungseffekte internationaler Liquidität und der Reform des internationalen Währungssystems konfrontiert werden dürfte. Gleichzeitig wird sich die Skepsis gegenüber dem neuen Leitbild der EZB, der engen Symbiose mit den nationalen Regierungen, verstärken - ohnehin war das Vertrauen in die EZB im Gefolge der Finanzkrise beispiellos gesunken.