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Die Kolumne - Dem Krisenende nah – und doch so fern

28. Oktober 2011 11:19 Uhr
Thomas Fricke
Die Euro-Regierungen dringen zum Kern der Krise vor. Der Kollaps droht trotzdem noch – wenn Europas Zentralbank nicht zusagt, bei der nächsten Panik massiv zu intervenieren.

*

Das Muster scheint zur Euro-Finanzkrise zu gehören wie die herrlichen Sprüche über faule Griechen oder, ganz neu, unmögliche italienische Regierungschefs. Nach jedem Rettungsgipfel steigen erst Aktien- und Euro-Kurse. Dann hört man nichts. Und später kommt die nächste Panikrunde samt Notgipfel mit laufender Nummer XY. So war das nach dem Krisentreffen vom 21. Juli. So ist das im Grunde seit zwei Jahren.


Die Frage ist, ob das nach dem Gipfel von Mittwoch endlich anders ist. Gut möglich. So nah sind die Euro-Retter einem Krisenstopp bei einem EU-Treffen bisher nicht gekommen – weil es noch nie so sehr darum ging, jene Ansteckungsspirale zu stoppen, die das Gefährliche an Finanzkrisen ist; mehr als die Frage, wann Griechen oder Italiener in Rente gehen. Der Haken ist: Nahe dran ist im Zweifel auch daneben. Und das könnte angesichts der fortgeschrittenen Krise im Desaster enden. Da hilft im Zweifel nur die Notenbank als letzte Instanz.


Die Retter lernen dazu

Ein Grundproblem des alten Krisenmanagements lag in der Annahme, dass es um einzelne unsolide Länder gehe. Und dass die Krise zu lösen sei, wenn jene radikal sparen oder einen Schuldenschnitt erhalten. Sparen verschärfte in Griechenland nur die Rezession und brachte neue Defizite. Die erste Variante des Schuldenschnitts im Juli löste noch mehr Bankenzittern aus – weshalb ein neuer Gipfel nötig war. Und Rettungsschirme wurden zu widerwillig und knauserig freigegeben.


Jetzt scheint die Erkenntnis gereift, dass die Krise nur bedingt mit individuellen Fehlern erklärbar ist; dass sie so hartnäckig grassiert, weil die Banken seit dem Crash 2008 wanken, Banken- und Staatsschuldenkrise sich hochschaukeln; und dass es um eine typische Finanzpanik geht, in der die Angst sich selbst verstärkt und das System zu implodieren droht wie bei einem Bankrun.


Nur so lässt sich erklären, warum Zinsen für die einen absurd hochschießen, während sie für Deutschland sinken, bei höheren Schulden als Spanien; warum alles in die kleine Schweiz flieht, was den Franken gagaesk aufwerten ließ; und warum Italien bis Juli bei sämtlichen Analysten als sicher galt, weil es gar kein so großes Staatsdefizit und vor Zinsen sogar Überschüsse hat – und nun ohne wirklich plausiblen Grund Krisenland wurde. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Mix aus Panik und Spekulation auf Frankreich und Deutschland überspringt. Gründe finden wirre Analysten nachher immer.


All das scheint die Euro-Retter am Ende geprägt zu haben, mehr denn je: Bei diesem Gipfel ging es darum, Banken zu rekapitalisieren – um das systemische Ansteckungsrisiko zu verringern; und den Rettungsschirm so aufzublähen, dass nicht weitere Länder angesteckt werden. Wenn so ein Schutzwall funktioniert, ergibt auch ein Schuldenerlass für die Griechen endlich Sinn. Das hätte das Zeug zum Wunderpaket.


Die Frage ist, ob die jetzt beschlossenen Mittel reichen, um die Angst betroffener Anleger davor zu stoppen, dass sie in Kürze auch ihre italienischen, irischen und spanischen Anleihen abschreiben können. Hier liegt die eigentliche Schwäche: „Im Ernstfall dürfte es Investoren nicht beruhigen, wenn nach jetzigem Hebelmodell nur 20 bis 25 Prozent ihrer Anleihen versichert sind“, sagt Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank. Da bleibt noch ein Keim von Panik.


Altes Problem des Euro-Krisenmanagements: Das Aufstocken von Hilfspaketen ähnelte bislang stets dem Versuch, ein Schiffsleck zu flicken, indem man es erst mal mit Pflästerchen versucht, dann feststellt, dass der Riss wegen des Wasserdrucks zwischenzeitlich natürlich größer geworden ist – und das Loch dann immer möglichst knapp unter dem Nötigsten kittet, weil das ja sonst so viel kostet. Ergebnis: Irgendwann macht das Schiff blubb. Teuer. Die Lektion: Wäre der Riss gleich zu Beginn mit Sicherheitsmarge großflächig abgedeckt worden, wäre das Loch nicht so groß geworden.


Das Prinzip ist bei Finanzkrisen ähnlich. Wenn der Vertrauensriss einmal so groß ist und die Zweifel an allem und jedem zu grassieren beginnen, muss der Schutzschirm riesig werden – und jedes Knausern rächt sich. Was das Paradoxon erklärt, dass wir zwar schon viel Geld garantieren, es aber doch bisher nicht reichte.
Da solche Krisen nicht ganz neu sind, haben schlaue Leute vor langer Zeit mal Notenbanken erfunden. Deren ureigene Aufgabe sei, in solchen Paniksituationen als letzte Instanz da zu sein, erklärt Adalbert Winkler von der Frankfurt School of Finance – und Geld zu verleihen, wenn das keiner sonst mehr macht.


Hier könnte auch die Kernursache der Euro-Krise liegen – und der Schlüssel zum Glück. Wenn die Euro-Zone so unter Druck ist, obwohl die Schulden in den USA und Großbritannien höher sind, liegt das wahrscheinlich daran, dass die anderen eine nationale Notenbank haben, die als letzter Geldgeber (Lender of Last Resort) bereitsteht und dafür jederzeit Staatsanleihen kauft, während die Euro-Zone konstruktionsbedingt genau das nicht hat, im Gegenteil: Da treten (deutsche) Notenbanker zurück, weil sie nicht wollen, dass die Notenbank derart als letzte Instanz auftritt. Dann lieber kriseln, Germans.


Ob der jüngste Gipfel einmal als Erfolgsgipfel gelten wird, dürfte sich hieran entscheiden. Die Panik könnte bald vorüber sein, wenn der neue EZB-Chef Mario Draghi erklärt, die Notenbank stehe für den Notfall bereit, dass der gehebelte Rettungsschirm doch nicht reicht. So wie das immer funktioniert, wenn Notenbanken mit all ihrer Macht auftreten und selbst das Geld beschaffen können.
Dann gibt es weder Grund für Panik noch dazu, auf weitere Pleiten zu spekulieren. Dann ist Ruhe im Karton. Das hat selbst die Bundesbank in Währungskrisen wie 1992/93 praktiziert, als ebenfalls eine Finanzkrise auszuarten drohte und es galt, Panikattacken auf den Franc zu stoppen.


Es lässt sich darüber streiten, ob es toll ist, die Schlagkraft des Rettungsfonds über kreative Finanzpraktiken zu erhöhen. Wichtig ist das Signal, dass der Schutzschirm riesig ist. Bei abgesicherten Banken und Krisenländern kann auch ein Schuldenerlass für die Griechen funktionieren.


Fortgeschrittene Finanzkrisen lassen sich nicht mit Kompromisspolitik und dem Peinigen ihrer vermeintlichen Auslöser stoppen, nur ganz oder gar nicht. Wenn die EZB jetzt helfe, liege die Chance auf ein Ende der Krise bei deutlich über 50 Prozent, sagt Berenberg-Ökonom Schmieding – sonst deutlich darunter. Top oder Flop. Klappt es, war das der vorerst letzte Panikgipfel. Dann kann die EZB sich wieder aus der Notfallaktion herausziehen. Schön wär’s.
Just do it, Mister Draghi.

Email: fricke.thomas@guj.de

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