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Johann L. Burckhardt - NATIONAL GEOGRAPHIC
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20111022114424/http://www.nationalgeographic.de:80/entdecker/johann-l-burckhardt

Johann L. Burckhardt

Der Schweizer Johann L. Burckhardt verkleidet sich als „Scheich Ibrahim“. Er zitiert den Koran wie ein arabischer Gelehrter. Als erster Europäer sieht er die heiligen Stätten des Islams: Mekka und Medina. Doch schon mit knapp 33 ist sein Leben zu Ende.

Nur nichts überstürzen lautet seine Devise. Das Leben ist lang, gut Ding muss Weile haben. Wer Großes leisten will, braucht eine solide Vorbereitung. Johann Ludwig Burckhardt, Spross einer Schweizer Patrizierfamilie, hat schon als Kind durch seinen Hauslehrer eine ordentliche Bildung bekommen. Nun legt er sich, Schritt für Schritt, das Rüstzeug für eine Diplomatenkarriere zu. 1800 bis 1804 Studium in Leipzig und Göttingen, Jura und Statistik, alte und neue Sprachen. 1806 Umzug nach London, wo ausländische Akademiker zu dieser Zeit stets gute Aufstiegschancen in Regierungsdiensten haben.

Das Fernweh und die Neugier treiben Johann L. Burckhardt in die African Association, eine britische Organisation zur Erforschung des Schwarzen Kontinents. Diese ist auf der Suche nach guten Wissenschaftlern und hilft ihm, seine Kenntnisse noch zu erweitern. 1808 studiert Burckhardt in Cambridge Arabisch und Astronomie, Medizin und Mineralogie. Er wird all dies brauchen für eine kühne Mission, mit der Sir John Banks, der Gründer der African Association, ihn betrauen will: Burckhardt soll als erster Europäer die legendäre, für Christen verbotene Stadt Timbuktu am Niger betreten.

Ein gesunder Geist braucht einen gesunden Körper. Staunend verfolgen Burckhardts Komilitonen, wie der Schweizer sich für die große Reise abhärtet. Er läuft bei brütender Sommerhitze lange Strecken barfuß. Schläft nachts, nur in eine Decke gewickelt, auf dem nackten Boden. Und ernährt sich nur noch von Früchten, Gemüse und Wasser.

Die Reise beginnt 1809 mit einer sorgfältig ausgeklügelten Tarnung. Auf Malta verwandelt sich der Schweizer in einen indischen Kaufmann muslimischen Glaubens, der angeblich in London aufgewachsen ist und daher nur gebrochen Arabisch spricht. Ibrahim ibn Abdallah ist sein neuer Name. So begibt Burckhardt sich erst einmal für zwei Jahre nach Aleppo, um seine Sprachkenntnisse zu vertiefen. „Scheich Ibrahim“ lernt, seine Rolle perfekt zu spielen. Als Reisegefährten von ihm ein paar Worte Hindustani hören wollen, plappert er ihnen etwas in astreinem Schweizerdeutsch vor – sie finden es eine barbarische Sprache. Und als einer durch Zupfen die Echtheit seines Barts testen will, schlägt Burckhardt geistesgegenwärtig zu – kein echter Orientale lässt sich eine solche Beleidigung bieten.

Der junge Forscher wächst so gut in seine Rolle hinein, dass er immer weniger schauspielern muss. Seine Sympathie für den Islam wächst in dem Maße, wie er in die Schriften dieser Religion eindringt. Johann L. Burckhardt lernt die orientalischen Gebote von Treue, Ehre und Gastfreundschaft kennen. Er liefert ein linguistisches Meisterstück ab, indem er „Robinson Crusoe“ ins Arabische übersetzt. Er besucht den Oberemir der Drusen und liefert die ersten genauen Informationen über diese Volksgruppe, die sich in wichtigen Punkten von der Hauptströmung des Islams abgesetzt hat. Dann macht Burckhardt sich zum ersten Mal auf in die Wüste. Mit Beduinen zieht er durch die Sandmeere bis zum Euphrat und fertigt heimlich die erste ethnographische Studie über dieses Nomadenvolk an. Es ist wie eine Generalprobe für das ganz große Stück.

Im Juni 1812 bricht Burckhardt nach Kairo auf. Er zieht durch die Gebiete am Jordan, entdeckt fast nebenbei die in Felsen gehauene, antike Ruinenstadt Petra. Als er im September in der ägyptischen Hauptstadt ankommt, erfährt er, dass die nächste Karawane nach Westafrika wahrscheinlich erst im Juni des folgenden Jahres abgehe. Kein Problem für Burckhardt, alles braucht seine Zeit.

Johann L. Burckhardt macht einen Abstecher nach Nubien, das bis dahin kein europäischer Forscher bereist hat. Mit nur einem Führer und einem Esel zieht er den Nil hinauf. Auch hier macht er eine Zufallsentdeckung, die Tempel von Abu Simbel. Als er nach Kairo zurückkehrt, sieht es so aus, als sei die Abreise seiner Karawane auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Burckhardt bleibt nichts anderes übrig, als sich erst einmal anderen Zielen zuzuwenden.

Vom afrikanischen Hafen Sawakin aus segelt er im Juli 1814 über das Rote Meer nach Dschidda. Eine Krankheit, vermutlich Malaria, hält ihn dort länger als geplant fest. Burckhardt nutzt die Zeit, um 100 Seiten über den Handel und die Zölle sowie die Tabaksorten auf dem Markt zu Papier zu bringen. In Taif macht „Scheich Ibrahim“ die Bekanntschaft mit Mehmed Ali, dem osmanischen Statthalter in Kairo, der hier gerade einen Feldzug gegen die militante Religionsbewegung der Wahhabiten vorbereitet.

Ali merkt zwar schnell, dass er einen Europäer vor sich hat – allerdings einen, der Koran und Scharia besser zitieren und auslegen kann als viele arabische Gelehrte. Ali ist auch beeindruckt davon, dass „Scheich Ibrahim“ inzwischen sogar zum Islam konvertiert ist und eine Pilgerreise nach Mekka unternehmen will. Für Burckhardt ist der Nachweis dieser hadsch wie ein Visum zum Eintritt in eine Welt, die einem Ungläubigen ansonsten verschlossen bleibt. „Scheich Ibrahim“ bekommt zwar Empfehlungsschreiben, die ihm die Türen öffnen. Allerdings wird Ali den Verdacht nie ganz los, dass dieser ungewöhnliche Reisende vielleicht doch ein Spion ist. Daher sorgt er dafür, dass der Schweizer sich nicht nur der Gastfreundschaft, sondern auch einer guten Bewachung erfreut.

So gelangt Burckhardt als erster Europäer zu den heiligen Stätten des Islams. Als das Heer der Pilger in Mekka im November 1814 eintrifft, fragt er sie nach ihren Reiserouten aus und schreibt alles auf. Dann mischt er sich verkleidet unter die hadschi – ein Wagnis, das mit dem Tod enden kann – und nimmt an allen vorgeschriebenen Ritualen teil. Bei der fast drei Stunden langen Predigt am Berg Arafat «sah man den Kadi beständig seine Augen mit einem Tuche wischen; denn das Gesetz verpflichtet den chatib oder Prediger, von Gefühl und Zerknirschung bewegt zu sein, und setzt hinzu, dass Tränen in seinem Gesichte ein Zeichen seien, dass der Allmächtige ihn erleuchte und bereit sei, seine Gebete zu erhören». Einige Pilger «schrien laut und weinten, schlugen an ihre Brust und bekannten sich selbst als große Sünder vor dem Herrn», während Einheimische und türkische Soldaten zur selben Zeit «schwatzten und scherzten» und gestikulierten, «als wenn sie die Zeremonie lächerlich machen wollten».

Im Schein nächtlichen Kerzenlichts notiert Johann L. Burckhardt auf seinem Zimmer unbemerkt alles, was er tagsüber in der Stadt sieht: die schönen und die schmutzigen Wohnviertel, die Kaffeeläden, die Briefpost, die auf Eseln transportiert wird, und die «öffentlichen Weibspersonen », die den hadschi aus anderen als religiösen Gründen folgen. «Nichts ist schwieriger», schreibt Burckhardt, «als die Bevölkerung der orientalischen Städte genau anzugeben, wo niemals Register gehalten werden und wo kaum die Anzahl der Häuser genau bekannt ist.» Dennoch sind seine Aufzeichnungen, zusammen mit denen des deutschen Forschers Carsten Niebuhr , für lange Zeit die genauesten Informationen, die Europa über diesen Teil der Welt erhält. Allein die Beschreibung Mekkas nimmt 350 Seiten ein.

Mit dem Kamel reitet Burckhardt in 14 Tagen nach Medina. Dort wirft ein Fieber ihn wieder aufs Krankenlager, so dass er seine Arbeit nicht so gründlich wie sonst verrichten kann. Im April 1815 reist er in nächtlichen Etappen nach Janbo. Dort ist die Pest ausgebrochen. Die verzweifelten Menschen führen ein Kamel mit Zierdecken durch die Straßen, damit das Tier alle Keime aufsammle. Dann wird es geschlachtet und sein Fleisch den Hunden und Geiern überlassen. Burckhardt besteigt ein Schiff nach Kap Muhammad, dann zieht er zu Lande nach Kairo.

Eine letzte Reise führt Johann L. Burckhardt 1816 auf die Halbinsel Sinai. Wegen der ständigen Gefahr, von Beduinen überfallen zu werden, schafft er es aber nicht, bis zum Golf von Akaba vorzudringen. So kehrt er wieder nach Kairo zurück. Noch immer hat er die Hoffnung, eine Karawane nach Timbuktu zu finden. Schließlich ist er erst Anfang 30, ein Forscher im besten Alter.

Doch die Krankheiten lassen von ihm nicht mehr ab. Im Oktober 1817 erleidet Burckhardt eine Fischvergiftung, die so schwer ist, dass er daran stirbt. Das Leben war doch viel kürzer, als der Schweizer einmal glaubte. Sein Leichnam wird auf einem muslimischen Friedhof nahe dem alten Sandttor Bab el Nasr begraben. Die Karawane nach Timbuktu, die erste seit vier Jahren, geht zwei Monate später ab.

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