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Henri Mouhot - NATIONAL GEOGRAPHIC
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20111102010515/http://www.nationalgeographic.de:80/entdecker/henri-mouhot

Henri Mouhot

Im Boot, zu Fuß und auf Elefanten quält sich ein französischer Naturforscher durch die Dschungelwälder Südostasiens. Henri Mouhot berichtet als Erster über die Ruinen von Angkor. Schon mit 35 Jahren stirbt er in Laos an einem Fieber.

Vor dem Tor stehen ein Dutzend Kanonen, in deren Mündungen Spatzen ihre Nester gebaut haben. Hinter dem Tor macht sich eine Schar von Geiern über die Essensreste des Königs und seiner Entourage her. Staunend schreitet Henri Mouhot an diesem Tag des Jahres 1859 in der Residenzstadt Udong (Odongk) zu seiner Audienz. Der König von Kambodscha ist über den Franzosen nicht weniger erstaunt. Mouhot kommandiert keine Truppen, hat keine politische Mission – er will nur Vögel, Käfer und Schmetterlinge sammeln und alles aufschreiben, was er sieht.

Norodom I., der vor kurzem den Thron bestiegen hat, findet Gefallen an dem seltsamen Besucher. Er speist mit Henri Mouhot in seinen Privatgemächern, zeigt ihm seine Mahagonimöbel und Keramikvasen. «Sie sind der erste Ausländer, dem das erlaubt worden ist», sagt der Herrscher. Und gibt ihm Geleitschreiben für die weitere Reise mit.

Ein paar Wochen später steht Mouhot fassungslos vor dem Zeugnis einer Epoche, in der dieses Land eine kulturelle Blüte erlebt haben muss. Aus dem Dschungel ragen die Ruinen von Angkor, der größten Tempelstadt der Welt, die in Europa noch so gut wie unbekannt ist. «Ein Werk von Giganten!», schreibt er in sein Tagebuch. «Größer als irgendetwas, was Griechen und Römer uns hinterlassen haben.»

Drei Wochen lang sitzt Henri Mouhot vor diesen Monumenten, die größtenteils von Urwald überwuchert sind. Zeichnet und zeichnet, was sein Auge erblickt. Und grübelt darüber nach, wie eine so große Zivilisation so tief in ein Elend herabsinken kann, wie er es tagtäglich sieht. Er stellt fest, dass sich die Gesichter der Lebenden denen auf den Skulpturen fast aufs Auge gleichen, ja sogar die Waffen und Musikinstrumente. Aber die Kambodschaner, die er über die Ruinen ausfragt, können ihm kaum etwas über deren Erbauer erzählen. «Sie scheinen», notiert Mouhot, «fast alle ihre Traditionen verloren zu haben.»

Die Skizzen, die Henri Mouhot nach Europa schickt, sind eine Sensation. Nie hätte man dort geglaubt, dass sich in den Urwäldern Südostasiens solche Monumente verbergen. Vor allem in seinem eigenen Land stachelt der Käfer- und Schmetterlingssammler auf diese Weise nicht nur die Neugier, sondern auch die Gier an – ungewollt, aber unvermeidlich.

Letztlich ist es wohl eine Frau gewesen, die ihn hierher getrieben hat. Nach Studienaufenthalten in Russland und Polen heiratete Henri Mouhot eine Verwandte des schottischen Afrikaforschers Mungo Park und ließ sich mit ihr 1856 auf der Kanalinsel Jersey nieder. So muss er sich mit der Sucht angesteckt haben, lange Leidenswege auf sich zu nehmen, um dem Dschungel Geheimnisse zu entlocken. Denn schon 1858 ist er, mit finanzieller Unterstützung der Royal Geographical Society und Royal Zoological Society, nach Südostasien aufgebrochen.

Ein Vertrag zwischen Frankreich und Siam, dem späteren Thailand, hilft Henri Mouhot bei seinen Vorbereitungen. Die Abmachung verpflichtet den siamesischen König, allen Franzosen, vor allem Missionaren und Forschern, für deren Reisen in seinem Einflussbereich Schutz und Hilfe zu gewähren. Der König in Bangkok ist von all den schwachen Monarchen, die Mitte des 19. Jahrhunderts in dieser Region residieren, noch der mächtigste.

Der Alltag sieht freilich so aus, dass die schönen Geleitbriefe und Empfehlungsschreiben meist doch nicht reichen. Die lokalen Beamten und Häuptlinge fordern zusätzlich Gewehre, Säbel und Schießpulver, Blei- und Farbstifte und sogar das kostbare Papier, auf das Mouhot seine Skizzen macht. Am schlimmsten geht er mit den Zöllnern ins Gericht: «Bitte ein bisschen Salzfisch, ein bisschen Arrak, ein bisschen Betelnuss», so äfft er in seinen Aufzeichnungen die «lizensierten Bettler» nach. «Dieses Theater und diese Nachstellungen», schreibt Henri Mouhot, «würde ich meinem schlimmsten Feind nicht wünschen, sofern ich einen hätte.»

Mouhot reist von Bangkok aus durch Siam, Kambodscha und Laos. Sein größter Feind ist die Hitze. Schon morgens um zehn ist der Boden so heiß, dass seine barfüßigen Diener verzweifelt nach Grasflecken suchen und seine Ochsen die Gepäckkarren nicht mehr ziehen wollen. «Die ganze Atmosphäre», notiert Mouhot, scheine «in Flammen zu stehen». Sein zweitgrößter Feind ist der Monsunregen, der das Land monatelang überschwemmt, die Wege zu matschigen Furchen macht und die Kleider nicht mehr trocknen lässt. Selbst die Schneestürme in Russland, schreibt er, seien dagegen «eine Kleinigkeit» gewesen. Zu den schlimmsten Feinden zählen auch Mücken, Blutegel und Flöhe, deren Bisse sehr schmerzhaft sind und Hautblasen verursachen. Ohne Elefanten als Reit- und Lasttiere käme Mouhot in vielen Gegenden überhaupt nicht voran. Sie aber marschieren unbeirrt durch Bambusdickicht und über umgestürzte Baumriesen, trampeln Zweige und Gestrüpp flach zu einem Pfad.

Henri Mouhot nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er die Charaktereigenschaften der Menschen beschreibt, deren Dörfer und Städte er durchstreift. Bei den Kambodschanern findet er «Stolz, Frechheit, Betrug, Feigheit, Unterwürfigkeit, exzessive Faulheit». Die Laoten seien «so abergläubisch wie die Kambodschaner», die Siamesen zwar «liberal und gastfreundlich», aber auch «verweichlicht und träge», die Annamiten (Vietnamesen) zwar «lebendig, gewandt, intelligent und mutig», aber auch «starrsinnig und rachsüchtig, Heuchler, Lügner und Diebe». Letztere seien auch, zitiert Henri Mouhot zustimmend einen Missionar, bar jeder Sensibilität. «Es gibt so wenig Zuwendung unter ihnen, dass sogar Menschen mit engsten Beziehungen zueinander sich nie umarmen; selbst ein Kind, das nach zehn Jahren Abwesenheit seine Eltern wieder sieht, käme nicht auf so eine Idee. Zwischen Brüdern und Schwestern käme es fast einem Skandal gleich.»

Mouhot ist sich nicht sicher, wie er die Invasion der Europäer, die zu seiner Zeit beginnt, beurteilen soll. «Wird sie etwas Gutes für diese Länder bringen, dadurch dass wir die Segnungen unserer Zivilisation einführen? Oder werden wir, als blinde Werkzeuge grenzenlosen Ehrgeizes, zu einer Geißel, die das derzeitige Elend nur noch vergrößert?»

Seine erste Expedition hat Henri Mouhot durch Siam geführt, seine zweite durch Kambodscha. Bei der dritten dringt er 1861, mit Booten, zu Fuß und auf Elefanten, tief nach Laos ein. Die meisten Gebiete, die er durchstreift, hat vor ihm noch nie ein Europäer gesehen. Henri Mouhot zeichnet Bilder und Karten in Hülle und Fülle und notiert penibel alle Strecken: «Von Korat Richtung Ostnordost: Poukiéau, nördlich Chaiyapum; Pouvienne, zehn Grad östlich von Chaiyapum; Dongkaie, nordöstlich bis östlich von Chaiyapum; M. Luang Prabang, nördlich von Chaiyapum.» Und er notiert die Reisedauer: «Mit Elefant von Korat nach Pimai zwei Tage, von Korat nach Thaison zwei, nach Sisapoune zwei, nach Josoutone zwei, nach Ubon vier, nach Bassac vier Tage.»

Ende Juli 1861 erreicht Mouhot die alte Königsstadt Luang Prabang, die an den Ufern des Mekong liegt. Er will auch hier die Wälder erforschen und dann stromabwärts nach Kambodscha weiterreisen. Doch nun fordert das Klima seinen Tribut. Seine Gesundheit verschlechtert sich immer mehr. Die Eintragungen in seinem Tagebuch werden immer seltener und immer kürzer, manchmal bleibt die angefangene Datumszeile völlig leer. Die letzten Einträge stammen vom Oktober 1861. «16. ..., 17. ..., 18. Stopp bei H..., 19. Fieberanfall, 29. Habt Mitleid mit mir, o mein Gott...» Die letzten beiden Einträge sind offensichtlich mit unsicherer, zittriger Hand geschrieben. Mouhot klagt, so berichten später seine Begleiter, über rasende Kopfschmerzen. Er glaubt trotzdem, dass er sich von dem Fieber erholen wird. Schließlich ist er erst 35 Jahre alt. Dann aber fällt er ins Delirium. Seine letzten Worte spricht er auf Englisch, seine zwei Diener am Krankenlager können sie nicht verstehen. Nach drei Tagen Todeskampf stirbt Henri Mouhot am 10. November in einem Dorf bei Luang Prabang.

Die Diener sorgen dafür, dass seine Bilder, Notizen und Sammlungen nach Bangkok gebracht werden. Von dort gelangen sie nach Europa zu seiner Witwe. Nach altem Brauch werden in Laos die Toten an Bäumen aufgehängt. Mouhot aber wird von seinen Dienern nach europäischer Sitte beerdigt. Die Teilnehmer der Expedition unter Doudart de Lagrée und Francis Garnier werden sechs Jahre später an seinem Grab stehen. Mouhot hat sich diesen Teil der Welt mit Papier und Bleistift erobert. Sein Land aber hat beschlossen, dies nun mit Waffen zu tun.

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