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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizu-treibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger übt auf der Gstraße in 00000 P die Tätigkeit der gewerblichen Zimmervermietung aus. Sperrgebiet in P ist ausweislich der Sperrgebietsverordnung die Gstraße 17 bis 46. In den 16 Häusern dort können Prostituierte eins von rund 230 Zimmern für ca. 90, bis 130, Euro pro Tag mieten. Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Vergnügungssteuer seitens der Beklagten für "das Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt in Beherbergungsbetrieben".
3Mit Ratsbeschluss der Vergnügungssteuersatzung vom 15. Dezember 2008 (Vergnügungssteuersatzung 2008) wurde die Besteuerung des Angebots sexueller Handlungen gegen Entgelt im Gebiet der Stadt P erstmalig vergnügungssteuerpflichtig. Die Vergnügungssteuersatzung 2008 wurde im Amtsblatt der Stadt P vom 19. Dezember 2008 veröffentlicht und trat am 1. Januar 2009 in Kraft.
4Die Vergnügungssteuersatzung 2008 enthält u. a. folgende Bestimmungen:
5"§ 1
6Steuergegenstand
7Der Besteuerung unterliegen die im Gebiet der Stadt P veranstalteten nachfolgenden Vergnügungen (Veranstaltungen)
8....................................
96. die gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen in Bars, Sauna-, FKK- und Swinger-Clubs sowie ähnlichen Einrichtungen;
107. das Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt außerhalb der in Nummer 6 genannten Einrichtungen, zum Beispiel in Beherbergungsbetrieben, Privatwohnungen, Wohnwagen und Kraftfahrzeugen mit Ausnahme von Straßenprostitution in Verrichtungsboxen.
11§ 3
12Steuerschuldner/in
13Absatz 1
14Steuerschuldner/in ist der/die Unternehmer/in der Veranstaltung (Veranstalter/in) ...........................
15Absatz 2
16Steuerschuldner/in ist auch derjenige/diejenige, der/die Räume oder Freiflächen für die Veranstaltung zur Verfügung stellt.
17§ 8
18Prostitution
19Bei Veranstaltungen nach § 1 Nr. 7 beträgt die Steuer unabhängig von der tatsächlichen zeitlichen Inanspruchnahme und der Anzahl der sexuellen Handlungen für jede/n Prostituierte/n 6,-- Euro pro Veranstaltungstag. Es werden für jeden Kalendermonat 25 Veranstaltungstage zu Grunde gelegt. Wird der Nachweis erbracht, dass weniger als 25 Veranstaltungstage im Kalendermonat stattgefunden haben, wird die Steuer entsprechend der Anzahl der nachgewiesenen Veranstaltungstage festgesetzt. Die Abrechnung der Veranstaltungstage sowie die Selbstberechnung der Steuer hat innerhalb von 14 Kalendertagen nach Ende des Veranstaltungsmonats auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck (Steueranmeldung) zu erfolgen."
20Mit Schreiben vom 22. Januar 2009 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, nach § 3 Abs. 2 der Vergnügungssteuersatzung 2008 sei auch derjenige Steuerschuldner, der Räume oder Freiflächen für die Veranstaltung zur Verfügung stelle. Abweichend von der grundsätzlichen Regelung, dass jede/r Prostituierte/r eine Steueranmeldung monatlich einreicht, werde dem Kläger als gewerblicher Zimmervermieter die Möglichkeit angeboten, für den Betrieb eine zusammengefasste Steueranmeldung je Kalendermonat einzureichen. Für diese Steueranmeldung sei es erforderlich, namentliche Aufzeichnungen der Mieter/innen zu führen. In der Folgezeit reichte der Kläger "zusammengefasste" Vergnügungssteueranmeldungen betreffend Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt in Beherbergungsbetrieben für die Monate Januar 2009 bis Juni 2009 ein. In den diesbezüglichen Vordrucken sind u. a. die Namen der einzelnen Prostituierten sowie die diesen zuzurechnenden Veranstaltungstage aufgeführt. Für Januar 2009 ergeben sich 533 Veranstaltungstage, für Februar 526, für März 560, für April 386, für Mai 403 und für Juni 2009 412 Veranstaltungstage.
21Durch Urteil vom 18. Juni 2009 – 14 A 1577/07 – entschied das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, dass die bisher in Nordrhein-Westfalen erhobene Vergnügungssteuer nicht zur Folge habe, dass die Besteuerungsfähigkeit des Aufwandes für jede denkbare menschliche Vergnügung im Lande eingeführt sei. Die Erhebung einer Vergnügungssteuer auf sexuelle Vergnügungen jeder Art in Bars, Bordellen, Swinger-Clubs oder ähnlichen Einrichtungen bedürfe der ministeriellen Genehmigung gemäß § 2 Abs. 2 KAG NRW.
22Mit Schreiben vom 1. Februar 2010 hob die Beklagte die von dem Kläger einreichten Vergnügungssteueranmeldungen/Vergnügungssteuerbescheide auf; die Aufhebung erfolgte auf Grund des Hinweises der Kammer auf eine widersprüchliche Fälligkeitsregelung in der Vergnügungssteuersatzung 2008 betreffend die Steueranmeldung gemäß § 8 dieser Vergnügungssteuersatzung.
23Das Innenministerium und das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen genehmigten mit zwei Schreiben vom 10. Mai 2010 die Satzung über die Erhebung von Vergnügungssteuer in der Stadt E vom 18. Mai 2010 (Vergnügungssteuersatzung E) sowie die Satzung der Stadt L über die Erhebung einer Steuer auf Vergnügungen sexueller Art vom 19. Mai 2010 (Vergnügungssteuersatzung L) und die rückwirkende Satzung der Stadt L über die Erhebung einer Steuer auf Vergnügungen sexueller Art vom 19. Mai 2010. Das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen richtete an die Beklagte das Schreiben vom 27. Mai 2010, wonach die Städte L und E die Satzungen in ihren Amtsblättern jeweils am 26. Mai 2010 entsprechend den Erfordernissen der Bekanntmachungsverordnung bekannt gemacht haben. Damit sei die Steuer in Nordrhein-Westfalen eingeführt. Die von der Beklagten vorgelegte Satzung bedürfe somit keiner Genehmigung des Innenministeriums und Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen gemäß § 2 Abs. 2 KAG NRW, soweit die in der Satzung vorgesehenen Steuergegenstände inhaltlich nicht über die Regelungen der genehmigten Satzungen der Städte L und E hinaus gingen. Es werde gebeten, dies in eigener Zuständigkeit zu prüfen und zu gewährleisten.
24In seiner Sitzung vom 12. Juli 2010 beschloss der Rat der Stadt P die Vergnügungssteuersatzung der Stadt P vom 12. Juli 2010. Die Bekanntmachungsanordnung des Oberbürgermeisters erfolgte ebenfalls mit Datum vom 12. Juli 2010. Die Vergnügungssteuersatzung der Stadt P vom 12. Juli 2010 (Vergnügungssteuersatzung) wurde im Amtsblatt für die Stadt P vom 2. August 2010 amtlich bekannt gemacht.
25Gemäß § 17 Vergnügungssteuersatzung tritt diese Satzung rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft. § 1 Nr. 6 und Nr. 7 (Steuergegenstand) ist wortgleich mit den entsprechenden Regelungen der Vergnügungssteuersatzung 2008. Den gleichen Wortlaut weist ebenfalls § 3 (Steuerschuldner/in) auf. § 8 (Prostitution) enthält in den Sätzen 1, 2 und 3 ebenfalls eine gleichlautende Regelung; § 8 Satz 4 lautet nunmehr abweichend wie folgt:
26"Die Abrechnung der Veranstaltungstage sowie die Selbstberechnung der Steuer hat vorbehaltlich § 11 Abs. 2 Satz 2 nach Ende des Veranstaltungsmonats bis zum 15. Kalendertag des Folgemonats auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck (Steueranmeldung) zu erfolgen."
27§ 11 (Festsetzung und Fälligkeit) Abs. 2 lautet wie folgt:
28"Die gemäß §§ 6 und 8 festzusetzende Vergnügungssteuer ist von dem/der Steuerschuldner/in selbst zu errechnen. Die unterschriebene Steuererklärung ist der Stadt P – Fachbereich Steuern – bis zum 15. Kalendertag des Folgemonats nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck einzureichen und die errechnete Steuer an die Stadtkasse zu entrichten. Für Besteuerungszeiträume, die vor dem 1. September 2010 endeten, sind bis spätestens 15. September 2010 Steueranmeldungen und/oder Berichtigungen bisheriger Steueranmeldungen einzureichen, die Steuer selbst zu errechnen und zu begleichen."
29Mit Schreiben vom 10. August 2010 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, nach Genehmigung durch das Innen- und das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen habe der Rat der Stadt P mit Satzung vom 12. Juli 2010 die Steuerpflicht für das Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt im Gebiet der Stadt P ab dem 1. Januar 2009 beschlossen. Nach § 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung sei auch derjenige Steuerschuldner, der Räume oder Freiflächen für die Veranstaltung zur Verfügung stelle. Abweichend von der grundsätzlichen Regelung, dass jede/r Prostituierte/r eine Steueranmeldung monatlich einreiche, bestehe als gewerblicher Zimmervermieter die Möglichkeit, für den Betrieb eine zusammengefasste Steueranmeldung je Kalendermonat einzureichen. Für Besteuerungszeiträume, die vor dem 1. September 2010 endeten, seien spätestens bis zum 15. September 2010 Steueranmeldungen einzureichen, die Steuer selbst zu errechnen und zu begleichen. Sollte bis zu dem genannten Termin keine gegenteilige Mitteilung eingehen, würden die bereits vorliegenden Steueranmeldungen für den Zeitraum Januar 2009 bis Juni 2009 übernommen. Der Kläger widersprach durch Schreiben vom 13. September 2009 der Übernahme der Steueranmeldungen für das Jahr 2009.
30Mit an die Prozessbevollmächtigten des Klägers adressiertem Vergnügungssteuerbescheid für die Monate Januar 2009 bis Juni 2009 vom 29. September 2010 führte die Beklagte aus:
31"Hiermit wird Ihr Mandant, Herr T gemäß §§ 1 Nr. 7, 8 der Vergnügungssteuersatzung der Stadt P in der zzt. gültigen Fassung für die in seinen Objekten Gstr. Nr. 17, Nr. 19 und Nr. 46 durchgeführten Veranstaltungen (Angebot sexueller Handlungen in Beherbergungsbetrieben) im Zeitraum Januar 2009 bis Juni 2009 zur Vergnügungssteuer in Höhe von 16.920,00 Euro ...................... neu veranlagt."
32Die Berechnung der Steuer erfolgt für den Zeitraum Januar 2009 bis Juni 2009 unter Zugrundelegung der von dem Kläger in den früheren Vergnügungssteueranmeldungen mitgeteilten Anzahl der Veranstaltungen. Ferner wird in dem Bescheid ausgeführt:
33"Die Besteuerungsgrundlagen wurden geschätzt, die Schätzung beruht auf Angaben des Klägers."
34Durch Vergnügungssteuerbescheid für die Monate Juli 2009 bis Dezember 2009 vom 29. September 2010 wurde der Kläger unter Verwendung gleicher Wortwahl zur Vergnügungssteuer in Höhe von 18.612,00 Euro veranlagt. Der Berechnung der Steuer wurde eine monatliche Anzahl der Veranstaltungen von 517 zu Grunde gelegt. Die Besteuerungsgrundlagen wurden geschätzt. Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen war ausweislich des Wortlauts des Vergnügungssteuerbescheids erforderlich, weil der Kläger trotz Aufforderung keine Steueranmeldungen eingereicht habe. Mit Vergnügungssteuerbescheid für die Monate Januar 2010 bis August 2010 vom 29. September 2010 wurde der Kläger zur Vergnügungssteuer in Höhe von 24.816,- Euro veranlagt. Wiederum erfolgte die Berechnung der Steuer mit 517 monatlichen Veranstaltungen; die Besteuerungsgrundlagen wurden geschätzt. Aus den Verwaltungsvorgängen der Beklagten ergibt sich, dass der Schätzung für die Monate Juli 2009 bis August 2010 der Durchschnittswert aus den Monaten Januar 2009 bis Juni 2009 zuzüglich eines 10%igen Sicherheitszuschlags zu Grunde gelegt wurde.
35Der Kläger hat am 18. Oktober 2010 Klage erhoben.
36Zur Begründung wird im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, die Vergnügungssteuersatzung der Stadt P sei nichtig. Die Satzung der Stadt P und die Satzungen der Städte L und E seien hinsichtlich des Steuergegenstandes nicht identisch, so dass die Satzung der Stadt P von der erteilten Genehmigung des Innenministeriums und Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen nicht gedeckt sei. Der Steuergegenstand werde konkretisiert durch die Definition des Steuerschuldners. Unternehmer der Veranstaltung sei nach der Satzung der Stadt L nicht der, der lediglich vermiete, sondern nur der, der als Mitunternehmer tätig werde, also zum Beispiel im Rahmen der Veranstaltung Speisen oder Getränke verkaufe oder an den Einnahmen oder dem Ertrag aus der Veranstaltung beteiligt sei. Diese Verknüpfung beinhalte die Satzung der Stadt P nicht. Durch die bloße Überlassung von Räumen entsprechend der Satzung der Stadt P werde keine rechtliche Beziehung zu den Steuertatbeständen der Satzung hergestellt. Seitens des Klägers liege eine reine Vermietung vor, ohne dass Speisen und Getränke abgegeben würden oder dass sonstwie, außer mit der erhobenen Miete, an der Vermarktung sexueller Handlungen partizipiert werde. Ferner leide die Satzung an einem strukturellen Erhebungsdefizit. Die steuerliche Erfassung von Prostituierten und die Ermittlung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte gestalte sich auf Grund der milieuspezifischen Besonderheiten sehr schwierig. Die steuerlichen Erklärungspflichten würden im Milieu häufig nicht beachtet. Kontrollmitteilungs- oder Auskunftsverfahren mit anderen Behörden bestünden in der Regel nicht. Die Prostituierten seien zudem sehr mobil und dadurch oft kaum greifbar. Dies gelte insbesondere für ausländische Prostituierte, die nach Razzien abgeschoben würden, wenn sie überhaupt namhaft gemacht werden könnten. Die Fluktuation erschwere die Durchsetzung von Steueransprüchen erheblich. Eine Besteuerung von Prostituierten finde nur in einer geringen Zahl von Fällen statt, Gleiches gelte dann für die heranzuziehenden Vermieter. Darüber hinaus seien die Bescheide mangels Bestimmtheit unwirksam, da nach Auffassung der Beklagten wohl die Prostituierten in Anspruch genommen werden sollten. Soweit auf die seinerzeit eingereichten Steueranmeldungen zurückgegriffen worden sei, könne diese Vorgehensweise wohl nicht beanstandet werden; die Schätzungen seien jedoch nicht nachvollziehbar, da die Bescheide keinerlei Begründung für die Schätzung enthielten. Die von der Stadt P erhobene Vergnügungssteuer sei weder von dem Kläger auf die Mieterinnen abwälzbar, noch bei Inanspruchnahme der Mieterinnen von diesen auf die Freier. In dem Milieu herrsche ein ruinöser Wettbewerb. Der Steuererhebungsmaßstab nach § 8 der Satzung in Höhe von 6,- Euro pro Prostituierter und Veranstaltungstag sei darüber hinaus eine Gleichbehandlung im Wesentlichen ungleicher Sachverhalte, weil es eine erhebliche Schwankungsbreite bei den einzelnen Damen gebe, was die Anzahl der Freier pro Tag anbelange. Diese Schwankungsbreite sei so gravierend, dass von dem für eine Vergnügungssteuer gebotenen hinreichenden Bezug zwischen Besteuerungsmaßstab und zu besteuerndem Vergnügungsaufwand keine Rede mehr sein könne. Schließlich sei die Stadt P von unzutreffenden Voraussetzungen und falschen finanziellen Auswirkungen der Vergnügungssteuer ausgegangen. Letztendlich verstoße die Rückwirkung gegen das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG.
37Der Kläger beantragt,
38die Vergnügungssteuerbescheide der Beklagten für die Monate Januar 2009 bis August 2010 aufzuheben.
39Die Beklagte beantragt,
40die Klage abzuweisen.
41Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei als Vermieter/Betreiber nach § 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung als Steuerpflichtiger heranzuziehen. Die Vergnügungssteuersatzung gehe inhaltlich nicht über den Anwendungsbereich der für die Städte E und L genehmigten Satzungen hinaus. Eine Besteuerung des Vermieters nach § 3 Abs. 2 als Steuerschuldner erfolge auch in P nur dann, wenn er über eine reine Vermietertätigkeit hinaus als Mitveranstalter anzusehen sei. Dies sei Gegenstand ständiger Rechtsprechung und bedürfe keiner ausdrücklichen Erwähnung im Rahmen der Satzung. Der Kläger erbringe zu der reinen Vermietungsleistung weitere organisatorische und sonstige Dienstleistungen, die mit der Ausübung der Tätigkeit seiner Mieterinnen verknüpft seien. Er erstelle die zur Ertrags- und Umsatzbesteuerung der Prostituierten erforderlichen Besteuerungsgrundlagen und entrichte die fällige Steuer nach dem Düsseldorfer Modell. Ein ausschließlicher Vermieter sei nicht an diesem Verfahren teilnahmeberechtigt und hätte auch nicht die Kenntnisse der für die Besteuerung relevanten Sachverhalte. Mit der Einrichtung der Häuser schaffe er außerdem das zur Ausübung der Prostitution notwendige Ambiente. So werde den Prostituierten beispielsweise die Möglichkeit geboten, in Koberfenstern um Kundschaft zu werben. Ein weiteres Indiz sei die Höhe der Miete, die mit 80,- Euro bis 120,- Euro je Tag Vergleichspreise nach dem Mietspiegel deutlich übersteige und weit über die für P bekannten Werte für Hotelzimmerpreise hinaus gehe. Mit der überhöhten Miete würde ein Teil der Prostituierteneinnahmen indirekt abgeschöpft. Ferner sei ein strukturelles Erhebungsdefizit nicht vorhanden. Die gewerblichen Zimmervermieter und die Prostituierten seien nach Gewerberecht verpflichtet, ihre Betriebe anzumelden. Der Fachbereich Steuern der Stadt P habe die Möglichkeit, sich über den Bestand sowie Zu- und Abgänge der Gewerbekartei, sortiert nach Branchen, zu informieren. Werbung an Fassaden der Gebäude, durch Zeitungsannoncen oder im Internet seien für die Eingriffsverwaltung ferner gute Ermittlungsansätze. Durch verschiedene Kontrollmechanismen wie Recherchen in Zeitungen und im Internet sowie den Außendienst bestünden gute Möglichkeiten, steuerrelevante Sachverhalte zu ermitteln. Hiervon werde auch Gebrauch gemacht.
42Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
43Entscheidungsgründe:
44Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
45Die angefochtenen Vergnügungssteuerbescheide der Beklagten für die Monate Januar 2009 bis Juni 2009, Juli 2009 bis Dezember 2009 und Januar 2010 bis August 2010 jeweils vom 29. September 2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
46Den angegriffenen Vergnügungssteuerbescheiden mangelt es zunächst, auch hinsichtlich des Inhaltsadressaten, nicht an der erforderlichen Bestimmtheit der Bescheide (§§ 12 Abs. 1 Nr. 3b KAG NRW, 119 Abs. 1 AO). Aus den an die Prozessbevollmächtigten des Klägers als Bekanntgabeadressaten gerichteten Vergnügungssteuerbescheiden folgt, dass der Kläger selbst als Steuerschuldner gemäß § 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung in Anspruch genommen werden sollte. Maßgeblich ist, wie der Empfänger nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Aus dem insoweit gleichlautenden Wortlaut der Vergnügungssteuerbescheide:
47"Hiermit wird Ihr Mandant ................... für die in seinen Objekten Gstr. Nr. 17, Nr. 19 und Nr. 46 durchgeführten Veranstaltungen (Angebot sexueller Handlungen in Beherbergungsbetrieben) .................. zur Vergnügungssteuer in Höhe von ................. neu veranlagt.",
48ergibt sich die persönliche Inanspruchnahme des Klägers. Dass der Kläger dies auch dementsprechend verstanden hat, ist dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 16. Dezember 2010 (vgl. Beiakte Heft 3, Seite 153) zu entnehmen, in welchem es u. a. heißt:
49"Aus dem Bescheid nehmen Sie also meinen Mandanten unmittelbar in Anspruch und keinesfalls die Prostituierten in analoger Anwendung der Regelung des Düsseldorfer Verfahrens."
50Die Vergnügungssteuerbescheide finden die Rechtsgrundlage in der Vergnügungssteuersatzung der Stadt P vom 12. Juli 2010, die rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist und mithin die Veranlagungszeiträume zeitlich erfasst. Diese Vergnügungssteuersatzung ist formell wirksam zustande gekommen und die entsprechenden Regelungen bilden – soweit entscheidungserheblich – materiell für die Heranziehung zu Vergnügungssteuer nach §§ 1 Nr. 7, 8 Vergnügungssteuersatzung eine wirksame Rechts-grundlage.
51Einer – weiteren – Genehmigung gemäß § 2 Abs. 2 KAG NRW bedurfte es nicht. Gemäß § 2 Abs. 2 KAG NRW bedarf eine Satzung, mit der eine im Land nicht erhobene Steuer erstmalig oder erneut eingeführt werden soll, zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des Innenministeriums und des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen. Das Oberverwal-tungsgericht Nordrhein-Westfalen hat durch Urteil vom 18. Juni 2009 – 14 A 1577/07 – entschieden, die Erhebung einer Vergnügungssteuer auf sexuelle Vergnügungen jeder Art in Bars, Bordellen, Swinger-Clubs oder ähnlichen Einrichtungen bedürfte der ministeriellen Genehmigung gemäß § 2 Abs. 2 KAG NRW. Mit den Schreiben vom 10. Mai 2010 haben das Innenministerium und das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen die Vergnügungssteuersatzung E sowie die Vergnügungssteuersatzungen L genehmigt. Damit gilt die Steuer in Nordrhein-Westfalen als eingeführt. Entsprechend dem an die Beklagte gerichteten Schreiben des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen vom 27. Mai 2010 bedarf die Vergnügungssteuersatzung der Stadt P keiner Genehmigung gemäß § 2 Abs. 2 KAG NRW, soweit die in der Satzung vorgesehenen Steuergegenstände inhaltlich nicht über die Regelungen der genehmigten Satzungen der Städte L und E hinausgehen. Diese einschränkende Voraussetzung ist zu bejahen.
52Die Vergnügungssteuersatzung E normiert in § 3 Abs. 1 Satz 3 den Steuerschuldner sinngemäß entsprechend § 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung P. Der betreffende Steuergegenstand der Vergnügungssteuersatzung E (§ 1a Nr. 3) betrifft den Betrieb von Bars, Bordellen, Swinger-Clubs oder sonstigen Einrichtungen, die der Prostitution dienen. Dem gegenüber wird der Kläger gemäß § 1 Nr. 7 Vergnügungssteuersatzung P in Anspruch genommen – "Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt in Beherbergungsbetrieben" –. Das Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt in Beherbergungsbetrieben lässt sich aber unter den Betrieb von sonstigen Einrichtungen, die der Prostitution dienen, im Sinne des Steuergegenstandes der Vergnügungssteuersatzung E fassen, so dass Übereinstimmung zwischen der Vergnügungssteuersatzung E und der Vergnügungssteuersatzung P hinsichtlich des Steuergegenstandes wie des Steuerschuldners besteht. Die ebenfalls genehmigte Vergnügungssteuersatzung L regelt in § 2 Nr. 4 den Steuergegenstand gleichlautend wie § 1 Nr. 7 Vergnügungssteuersatzung P. Der entsprechende Steuerschuldner wird in § 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung L dergestalt normiert, dass
53"als Unternehmer (Mitunternehmer) der Veranstaltung auch der Inhaber der Räume oder Grundstücke gilt, in oder auf denen die Veranstaltung stattfindet, wenn er im Rahmen der Veranstaltung Speisen oder Getränke verkauft oder an den Einnahmen oder dem Ertrag aus der Veranstaltung beteiligt ist."
54Diese einschränkende Voraussetzung fehlt der Bestimmung der Person des Steuerschuldners in § 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung P. Die Beklagte hat jedoch stets betont, dass die Einschränkung Gegenstand ständiger Rechtsprechung sei und keiner ausdrücklichen Erwähnung im Rahmen der Satzung bedürfe. Eine Besteuerung des Vermieters nach § 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung als Steuerschuldner erfolge auch in P nur dann, wenn er über eine reine Vermietertätigkeit hinaus als Mitveranstalter anzusehen sei. Bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung – zu den Einzelheiten weiter unten bei der Prüfung der Steuerschuldnerschaft des Klägers – enthält § 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung P eine der Vergnügungssteuersatzung L entsprechende Regelung, so dass insoweit Übereinstimmung hinsichtlich des Steuergegenstands und des Steuerschuldners gegeben ist. Die Vergnügungssteuersatzung P geht mithin inhaltlich nicht über die Regelungen der genehmigten Satzungen der Städte E und L hinaus, so dass es keiner Genehmigung des Innenministeriums und Finanzministeriums NordrheinWestfalen der Vergnügungssteuersatzung P bedarf.
55Hinsichtlich der Genehmigungspflicht für neue steuerliche Tatbestände hat darüber hinaus das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 2. August 2011 14 B 101/11 – grundlegend entschieden, dass für die Frage, ob eine Steuer in Nordrhein-Westfalen gemäß § 2 Abs. 2 KAG NRW neu oder wieder eingeführt werde und es deshalb der ministeriellen Genehmigung bedürfe oder ob es sich um eine bereits erhobene Steuer handele, entscheidend auf den Gegenstand der Besteuerung abzustellen sei. Danach könne von einer neuen Steuer nicht gesprochen werden, wenn lediglich ein bereits in einer anderen Gemeinde besteuerter Gegenstand neu umschrieben, erweitert oder modifiziert werde, selbst wenn sich dadurch der Kreis der Steuerpflichtigen erweitere oder die Abgabenlast/der Steuersatz erhöht werde. Selbst wenn mithin § 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung P ohne die einschränkende verfassungskonforme Auslegung gelesen würde, handelte es sich lediglich um eine Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen bezüglich des gleichlautend mit der Vergnügungssteuersatzung L geregelten Steuergegenstands. Ausweislich des oben genannten Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. August 2011 begründet die Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen keine Genehmigungspflicht nach § 2 Abs. 2 KAG NRW.
56Die Vergnügungssteuersatzung der Stadt P vom 12. Juli 2010 ist des Weiteren insoweit nicht zu beanstanden, als sie rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft tritt; die insoweit rückwirkende Veranlagung des Klägers ist aus Rechtsgründen Bedenken frei. Vor dem Rechtsstaatsprinzip bedarf es einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens nachträglich belastend ändert. Der Bürger wird in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht, wenn der Gesetzgeber an bereits abgeschlossene Tatbestände nachträglich ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte. Die Verlässlichkeit der Rechtsordnung ist eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde den Einzelnen in seiner Freiheit erheblich gefährden, wenn die öffentliche Gewalt an sein Verhalten oder an ihn betreffende Umstände im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen dürfte, als sie zum Zeitpunkt seines rechtserheblichen Verhaltens galten. Danach ist eine echte Rückwirkung als nachträglich ändernder Eingriff in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig, eine Einwirkung des Gesetzgebers auf bereits begründete, aber noch nicht abgewickelte Sachverhalte als unechte Rückwirkung hingegen grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig. Vertrauensschutz steht auch einer echten Rückwirkung von Gesetzen jedoch dann nicht entgegen, wenn ein solches Vertrauen sachlich nicht gerechtfertigt ist. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass bei einer Reihe von Fallgruppen schutzwürdiges Vertrauen nicht besteht. So ist das Vertrauen u.a. dann nicht schutzwürdig, wenn der Bürger nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen musste. Auch kann der Bürger sich nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Er kann wegen des auch von einer letztlich als ungültig anerkannten Norm regelmäßig ausgehenden Rechtsscheins ihrer Wirksamkeit und mit Rücksicht auf den in ihr zum Ausdruck gekommenen Rechtssetzungswillen des Normgebers nicht stets darauf vertrauen, von einer entsprechenden Regelung jeweils für den Zeitraum dieses Rechtsscheins verschont zu bleiben. Der Gesetzgeber kann daher eine nichtige Bestimmung rückwirkend durch eine rechtlich nicht zu beanstandende Norm ersetzen. Eine Heilung unwirksamer kommunaler Abgabesatzungen mit Wirkung für vergangene Zeiträume ohne Verletzung des rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutzes kann grundsätzlich dann erfolgen, wenn der mit Rückwirkung versehenen Neuregelung in der Vergangenheit gleichartige Regelungsversuche vorausgegangen sind. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, von einer solchen Abgabe verschont zu werden, kann dann nicht entstehen. Hat eine Gemeinde ihre Absicht, eine bestimmte Abgabe zu erheben, durch den förmlichen Erlass einer entsprechenden Satzung kundgetan, kann der Bürger, auch wenn er sie für rechtswidrig hält, dementsprechend bekämpft und möglicherweise in einigen Punkten erhebliche Mängel der Abgabesatzung aufzuzeigen vermag, je nach Art und Behebbarkeit dieser Mängel kein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründen, auf Dauer von dieser Abgabe verschont zu bleiben. Die eine ausnahmsweise zulässige Rückwirkung wesentlich tragenden Gründe besitzen auch bei der kommunalen Steuer ihre Berechtigung, weil und sofern der Bürger sich mit dem In-Kraft-Treten einer entsprechenden Steuersatzung auf eine Abgabe dieser Art und für diesen Steuertatbestand grundsätzlich einstellen muss, auch wenn es noch zu späteren Korrekturen der Satzung kommen mag,
57vgl. zum Vorstehenden grundlegend BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2384/08 .
58Der Vergnügungssteuersatzung der Stadt P vom 12. Juli 2010 war voraus gegangen die Vergnügungssteuersatzung der Stadt P vom 15. Dezember 2008, mit der die Besteuerung des Angebots sexueller Handlungen gegen Entgelt im Gebiet der Stadt P erstmalig ab 1. Januar 2009 Vergnügungssteuer pflichtig wurde. Die Steuerschuldner, die Räume für das Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt in Beherbergungsbetrieben zur Verfügung stellten, konnten mithin in dem hier maßgeblichen Zeitraum ab Januar 2009 kein schutzwürdiges Vertrauen dahin gehend entwickeln, sie würden ab diesem Zeitraum nicht mit einer Vergnügungssteuer belastet werden. Die Regelungen des Steuergegenstandes, des Steuerschuldners und des Steuermaßstabs sind in den Satzungen 2008 und 2010 identisch, so dass auch die Möglichkeit der Abwälzung der nach dem rückwirkenden Maßstab erhobenen Steuer durch die insoweit gleiche Höhe der Steuer sichergestellt ist. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen ist das Schlechterstellungsverbot bei einer rückwirkenden Heilung von Satzungsmängeln strikt zu beachten, weil eine höhere Steuer nicht auf den sich eigentlich Vergnügenden (hier den Kunden) abgewälzt werden kann. Bei der Vergnügungssteuer für das Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt in Beherbergungsbetrieben handelt es sich um eine Aufwandsteuer, die von demjenigen geschuldet wird, der Räume für das Angebot sexueller Handlungen in Beherbergungsbetrieben zur Verfügung stellt. Träger dieser Steuer ist aber der sich vergnügende Kunde. Derjenige, der die Räume zur Verfügung stellt, soll letztlich nicht mit der Steuer belastet werden, wobei nach der Rechtsprechung genügt, dass er die Steuer kalkulatorisch auf den Kunden abwälzen kann, wobei die Abwälzung der Steuer über zwei Stationen erfolgt, nämlich von dem Kläger an die Prostituierten und von diesen an den Kunden. Eine höhere Steuer kann aber nicht im Nachhinein in die Kalkulation eingestellt werden und damit auch nicht kalkulatorisch auf den eigentlichen Steuerträger übergewälzt werden. Dies würde bedeuten, dass eine nachträglich erhöhte Steuer von dem herangezogenen Steuerschuldner aus eigenen Mitteln zu entrichten ist,
59vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 2. September 2010 – 14 A 2850/09 –.
60Durch die Übernahme der insoweit maßgeblichen vorherigen Satzungsregelungen 2008 wird dem Schlechterstellungsverbot Rechnung getragen.
61Das Innenministerium und das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen haben gemäß § 2 Abs. 2 KAG NRW mit Schreiben vom 10. Mai 2010 die Rückwirkende Satzung der Stadt L über die Erhebung einer Steuer auf Vergnügungen sexueller Art vom 10. Mai 2010 genehmigt, die rückwirkend zum 7. Januar 2004 in Kraft getreten ist; die erteilte Genehmigung erfasst damit auch rückwirkende Veranlagungszeiträume. Entsprechend der Verlautbarung des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen bestehen, soweit die Kommunen die Steuer zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen zur Erforderlichkeit der Genehmigung bereits auf Grund entsprechender Satzungen erhoben haben, keine Bedenken, dass die Satzungen nunmehr neu rückwirkend zum ursprünglichen In-Kraft-Tretens-Zeitpunkt erlassen werden (vgl. Verlautbarung ZKF 2010 Nr. 7 VII).
62Der Rechtmäßigkeit der Rückwirkung steht schließlich nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Vergnügungssteuersatzung 2008 die Genehmigung durch das Innenministerium und das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen nicht vorlag und die Beklagte die Erteilung nicht beeinflussen konnte. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Steuerschuldners darauf, von einer solchen Abgabe verschont zu werden, konnte dennoch nicht entstehen. Zum Einen musste sich der Bürger mit dem In-Kraft-Treten der entsprechenden Steuersatzung 2008 auf eine Abgabe dieser Art und für diesen Steuertatbestand grundsätzlich einstellen, weil er nicht darauf vertrauen konnte, eine entsprechende Genehmigung werde nicht erteilt; zum Anderen hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bereits mit Beschluss vom 16. Juni 2005 – 14 B 143/05 – die Frage der Genehmigung aufgeworfen. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in diesem Beschluss ausgeführt, die Frage, ob die Vergnügungssteuersatzung der Genehmigung des Justizministeriums und des Finanzministeriums gemäß § 2 Abs. 2 KAG NRW bedürfe, sei nicht in diesem auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Verfahren, sondern im Hauptsacheverfahren zu klären. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Satzung nichtig sei, weil das Genehmigungserfordernis fehle, sei zu dieser Zeit allerdings nicht erkennbar. Damit konnte der Steuerschuldner nicht schutzwürdig darauf vertrauen, zur Vergnügungssteuer nicht veranlagt zu werden, weil es an einer Genehmigung fehle beziehungsweise diese von der Beklagten nicht zu beeinflussen sei.
63Die Regelungen der Vergnügungssteuersatzung der Stadt P vom 12. Juli 2010 bilden materiell für die Heranziehung des Klägers zur Vergnügungssteuer eine wirksame Rechtsgrundlage.
64Zunächst ist die Satzung nicht wegen Verstoßes gegen Art. 1 Abs. 1 GG nichtig, weil sie an entgeltliche sexuelle Vergnügungen anknüpft,
65vgl. so OVG NRW, Beschluss vom 16. Juni 2005 – 14 B 143/05 –.
66In der Rechtsprechung ist nämlich geklärt, dass Prostitution besteuerbar ist.
67Ebenfalls ist geklärt, dass die Erhebung der Vergnügungssteuer grundsätzlich mit Art. 105 Abs. 2a GG in Einklang steht,
68vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Juni 2005 – 14 B 143/05 .
69Gemäß Art. 105 Abs. 2a GG haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Diese Besteuerungskompetenz und Besteuerungsbefugnis hat der Landesgesetzgeber in NRW durch § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW auf die Gemeinden übertragen. Die Vergnügungssteuer ist eine typische örtliche Aufwandsteuer, welche die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des sich Vergnügenden besteuert und besteuern will. Die Vergnügungssteuer soll regelmäßig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erfassen, die sich in der Teilnahme an entgeltlichen Vergnügungsveranstaltungen äußert. Die Vergnügungssteuer beruht damit auf dem allgemeinen Gedanken, dass demjenigen, der sich ein Vergnügen leistet, auch eine zusätzliche Abgabe für die Allgemeinheit zugemutet werden kann. Gegenstand der Vergnügungssteuer können dementsprechend Vergnügungen jeglicher Art sein, die geeignet sind, das Bedürfnis nach Zerstreuung und Entspannung zu befriedigen. Der Heranziehung zugrunde gelegt wird als Steuergegenstand § 1 Nr. 7 Vergnügungssteuersatzung "das Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt in Beherbergungsbetrieben" – die von dieser Vorschrift erfassten sexuellen Handlungen können Gegenstand einer Aufwandsteuer in Form der Vergnügungssteuer sein.
70Rechtlich unbedenklich ist ferner, dass die Steuer nicht unmittelbar von dem sich Vergnügenden – dem Freier – erhoben wird, desgleichen nicht durch Veranlagung der Prostituierten, sondern dass als Steuerschuldner gemäß § 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung auch derjenige normiert wird, der Räume für die Veranstaltung zur Verfügung stellt; dies im Sinne der bereits besprochenen verfassungskonformen Auslegung. Herkömmlich gehört zur Vergnügungssteuer, dass sie nicht unmittelbar bei dem sich Vergnügenden, sondern zur Vereinfachung der Erhebung bei dem Veranstalter des Vergnügens erhoben wird. Die Erhebung der Steuer bei dem Veranstalter einer Vergnügung ist zulässig, soweit diese Steuer in der Regel auf den sich Vergnügenden abgewälzt werden kann; zu den die Vergnügungssteuer als Aufwandsteuer kennzeichnenden Merkmalen gehört insbesondere, dass sie auf den Benutzer der Veranstaltung abwälzbar sein muss. Die Abwälzbarkeit der Steuer erfolgt vorliegend über zwei Stationen, nämlich von dem Inhaber der Verfügungsgewalt über die Veranstaltungsräume auf die Prostituierten und von den Prostituierten auf die Kunden. Die kalkulatorische Abwälzbarkeit bedeutet nicht, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag – etwa wie einen durchlaufenden Posten – von der vom Steuergesetz der Idee nach als Steuerträger gemeinten Person auch ersetzt erhalten. Das Gesetz überlässt es dem Steuerschuldner, den Steuerbetrag in die Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens trotz der Steuer zu wahren,
71vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 2001 – 1 BvR 624/00 – zur Spielgerätesteuer.
72In seiner Entscheidung vom 20. April 2004 hat das Bundesverfassungsgericht 1 BvR 905/00 zur Strom- und Mineralölsteuer – ausgeführt, eine Steuer sei bereits dann auf Überwälzung auf den Verbraucher angelegt, wenn die kalkulatorische Überwälzung in dem Sinne möglich sei, dass der Steuerpflichtige den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen – Preiserhöhung, Umsatzsteigerung oder Senkung der sonstigen Kosten – ergreifen könne. Die rechtliche Gewähr, dass er den von ihm entrichteten Betrag immer von demjenigen erhalte, der nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen solle, müsse dem Steuerschuldner nicht geboten werden. Es reiche aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt sei, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelinge. Trotz des von dem Kläger geltend gemachten "ruinösen Wettbewerbs" ist nicht ersichtlich, dass dem Inhaber der Verfügungsgewalt über die Veranstaltungsräume keine Maßnahmen bleiben, um die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens aufrecht zu erhalten. Für eine kalkulatorische Überwälzung ist dabei nicht die absolute Höhe der Steuer ausschlaggebend, sondern die Möglichkeit, die Steuer in die Kosten einzubeziehen. Es handelt sich hierbei um einen wirtschaftlichen Vorgang, wobei das Gesetz es dem Steuerschuldner überlässt, die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch unter Berücksichtigung des Steuerbetrages zu wahren,
73vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. März 2007 – 14 A 608/05 .
74Das Erfordernis der Abwälzbarkeit folgt aus der Einstufung der Steuer als Aufwandsteuer (Art. 105 Abs. 2a GG), das Erdrosselungsverbot stellt eine berufsrechtliche Grundrechtsschranke dar (Art. 12 Abs. 1 GG). Beide Anforderungen decken sich in dem wirtschaftlichen Punkt, dass die Vergnügungssteuer einerseits für den Unternehmer eine bloße Kostenposition sein darf, die er letztlich auf den Kunden überwälzen können muss, wie sie andererseits Teil der sonstigen erforderlichen Kosten des Betriebs ist, die insgesamt im Regelfall durch das Entgelt der Kunden erwirtschaftet werden können müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner letztgenannten Entscheidung ausdrücklich betont, es sei insbesondere nicht erforderlich, dass die Verbrauchssteuerbelastung durch erhöhte Dienstleistungsentgelte weitergegeben werden könne. Den Unternehmern verbleibt die Möglichkeit, durch geeignete Maßnahmen auf eine Umsatzsteigerung hinzuwirken und die Selbstkosten auf das erforderliche Maß zu beschränken, um so die Steuer erwirtschaften zu können; dabei ist insbesondere maßgebend, dass die Höhe der Vergnügungssteuer (6,00 Euro pro Veranstaltungstag pro Prostituierte) nur einen Bruchteil der für die Nutzung der Zimmer erhobenen Miete bzw. der sonst für die Unterhaltung sowie zur Verfügungstellung der Häuser erforderlichen Kosten ausmacht. Fehlende Abwälzbarkeit wird lediglich pauschal behauptet, ohne eine mögliche Senkung der Kosten substantiiert zu verneinen.
75Der in der Vergnügungssteuersatzung vorgesehene Maßstab verstößt ebenfalls nicht gegen höherrangiges Recht. Gemäß § 8 Vergnügungssteuersatzung beträgt bei Veranstaltungen nach § 1 Nr. 7 die Steuer unabhängig von der tatsächlichen und zeitlichen Inanspruchnahme und der Anzahl der sexuellen Handlungen für jede/n Prostituierte/n 6,00 Euro pro Veranstaltungstag. Dieser Maßstab ist auch im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht zu beanstanden.
76Der Besteuerungsmaßstab weist eine hinreichende Wirklichkeitsnähe zum Vergnügungsaufwand auf. In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist der Satzungsgeber nicht gehalten, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Ihm steht vielmehr ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der erst dann überschritten wird, wenn ein einleuchtender Grund für eine Ungleichbehandlung fehlt und die Steuererhebung daher willkürlich wäre,
77vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 – 1 BvL 8/05 .
78Der verwendete Steuermaßstab muss in einem zumindest lockeren Bezug zu dem letztlich zu besteuernden Vergnügungsaufwand der Freier stehen. Die Gerichte haben nur die Einhaltung der obigen äußersten Grenzen nachzuprüfen, nicht aber, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. Wählt der Satzungsgeber statt des Wirklichkeitsmaßstabs einen anderen (Ersatz- oder Wahrscheinlichkeits-)Maßstab, so ist er auf einen solchen beschränkt, der einen bestimmten Vergnügungsaufwand wenigstens wahrscheinlich macht, weil ein anderer Maßstab dem Wesen der Vergnügungssteuer fremd, also nicht sachgerecht und deshalb mit dem Grundsatz der Belastungsgleichheit nicht zu vereinbaren wäre. Der Rechtfertigungsbedarf für die Wahl eines Ersatzmaßstabs wird dabei umso höher, je weiter sich der im Einzelfall gewählte Maßstab von dem eigentlichen Belastungsgrund entfernt,
79vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2011 – 2 S 196/10 .
80Unter Zugrundelegung dieser Anforderungen stellt sich der gewählte Steuermaßstab als rechtsfehlerfrei dar. Der Veranstaltungstag weist den erforderlichen lockeren Bezug auf, weil es wahrscheinlich ist, dass mit steigendem Vergnügungsaufwand der Besucher die Zahl der Veranstaltungstage wächst. Dieser verwendete Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist auch deshalb gerechtfertigt, weil wirklichkeitsnähere Maßstäbe für die Erhebung der Vergnügungssteuer entweder nicht handhabbar oder mit einem wesentlich höheren Kontrollaufwand verbunden wären. Die Erfassung des individuellen Aufwands des einzelnen Freiers ist in der Praxis bei realistischer Betrachtung kaum möglich,
81vgl. VG L, Urteil vom 11. Juli 2007 – 23 K 4180/04 .
82Dieser Steuersatz bedurfte keiner weiteren Ermittlungen seitens des Rates der Stadt P. Die Wirksamkeit der gemeindlichen Vergnügungssteuersatzung hängt mangels entsprechender gesetzlicher Anordnung weder von einer im Rahmen des Satzungserlasses vorgenommenen Zusammenstellung von Abwägungsmaterial noch von der Fehlerfreiheit des Abwägungsvorgangs ab, sondern von der Vereinbarkeit der Satzungsregelung im Ergebnis mit höherrangigem Recht,
83vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2010 – 14 A 597/09 .
84Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW sollen die Gemeinden Steuern nur erheben, soweit die Deckung der Aufgaben durch andere Einnahmen, insbesondere durch Gebühren und Beiträge, nicht in Betracht kommt. Ausdrücklich normiert § 3 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW, dass dies nicht für die Erhebung der Vergnügungssteuer – wie vorliegend – gilt.
85§ 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung bestimmt bei verfassungskonformer Auslegung zum einen rechtsfehlerfrei die Person des Steuerschuldners; zum anderen erfüllt der Kläger die hierfür erforderlichen Voraussetzungen.
86Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG NRW muss eine kommunale Steuersatzung u.a. den Kreis der Abgabeschuldner angeben. Die Festlegung, wer Steuerschuldner ist, muss auf diejenigen Betroffenen begrenzt bleiben, die in einer hinreichend deutlichen Beziehung zum Abgabentatbestand stehen. Willkürlich ist die Festsetzung der Schuldnereigenschaft dann nicht, wenn die als Schuldner bestimmte Person in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand steht oder der betroffene Schuldner einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des steuerbegründenden Tatbestandes leistet,
87vgl. VG L, Urteil vom 11. Juli 2007 – 23 K 274/05 .
88§ 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung ist danach bei verfassungskonformer Auslegung nur dann einschlägig, wenn derjenige, der die Räume für die Veranstaltung zur Verfügung stellt, in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand steht oder einen maßgeblichen Beitrag zur Verwirklichung des steuerbegründenden Tatbestandes leistet. Allein die Vermietung von Räumlichkeiten begründet danach die Eigenschaft als Steuerschuldner nicht,
89vgl. entsprechend VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2011 – 2 S 196/10 .
90Die Beklagte hat mehrfach auch im Verwaltungsverfahren schriftsätzlich betont, dass die entsprechende Auslegung von § 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung Gegenstand ständiger Rechtsprechung sei und deshalb keiner ausdrücklichen Erwähnung im Rahmen der Satzung bedürfe. Eine Besteuerung des Vermieters nach § 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung als Steuerschuldner erfolge auch in P nur dann, wenn dieser über eine reine Vermietertätigkeit hinaus als Mitveranstalter anzusehen sei.
91Bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung. Die Beklagte hat in dem Schriftsatz vom 20. Dezember 2010 sowie im Verwaltungsverfahren maßgeblich darauf abgestellt, der Kläger erbringe zu der reinen Vermietungsleistung weitere organisatorische und sonstige Dienstleistungen, die mit der Ausübung der Tätigkeit seiner Mieterinnen – der Prostituierten – verknüpft seien. Er erstelle die zur Ertrags- und Umsatzbesteuerung der Prostituierten erforderlichen Besteuerungsgrundlagen und entrichte die fällige Steuer nach dem Düsseldorfer Modell. Ein ausschließlicher Vermieter sei nicht an diesem Verfahren teilnahmeberechtigt und hätte auch nicht die Kenntnisse der für die Besteuerung relevanten Sachverhalte. Mit der Einrichtung der Häuser schaffe der Kläger außerdem das zur Ausübung der Prostitution notwendige Ambiente. So werde den Prostituierten beispielsweise die Möglichkeit geboten, in Koberfenstern um Kundschaft zu werben. Ein weiteres Indiz sei die Höhe der Miete, die mit 80,00 Euro bis 120,00 Euro je Tag Vergleichspreise nach dem Mietspiegel deutlich übersteige und auch weit über die für P bekannten Werte für Hotelzimmerpreise hinausgehe. Die vorgenannten Umstände hält die Kammer für geeignet und ausreichend, den Kläger als Steuerschuldner nach § 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung anzusehen. Die vorgenannten Umstände sind seitens des Klägers nicht substantiiert bestritten worden; aus dem Schriftsatz vom 20. Dezember 2010 wurde deutlich, dass die Beklagte diese Gegebenheiten als maßgeblich ansieht. Bis zur mündlichen Verhandlung mit Datum vom 10. Oktober 2011 bestand ausreichend Gelegenheit, hierzu konkret Stellung zu nehmen. Die Kammer hat keine Veranlassung, an den von der Beklagten mitgeteilten Gegebenheiten zu zweifeln. Sie werden dadurch bestätigt, dass die Klägerin des Parallelverfahrens 25 K 7114/10 durch Schriftsatz vom 16. November 2010 mitgeteilt hat, die Zimmer würden zu einem Preis von 90,00 Euro bis 130,00 Euro pro Tag vermietet. Dies ist ebenfalls einem in das Internet eingestellten Zeitungsartikel zu entnehmen. Damit stellt der Kläger nicht lediglich den Prostituierten die Räumlichkeiten, in denen diese ihre sexuellen Dienste anbieten, zur Verfügung, sondern die Tätigkeit des Klägers geht in dem oben beschriebenen Maße darüber hinaus. Die Höhe des von den Prostituierten für das Zimmer gezahlten Mietpreises macht deutlich, dass der Kläger aus der Leistung des Kunden mittelbar seine Vorteile zieht. Die Höhe dieser Miete geht weit über das hinaus, was bei einem normalen Mietverhältnis zu entrichten wäre; ausweislich der im Internet recherchierten Hotelpreise ist eine Übernachtung im Einzelzimmer mit Frühstück in der Regel ab ca. 50,00 Euro zu buchen. Entscheidend ist mithin, dass dem Kläger im Hinblick auf seine unternehmerische Tätigkeit mit der Miete für die Zimmer in den Beherbergungsbetrieben die entsprechenden Einnahmen zufließen.
92Eine mögliche Fehlerhaftigkeit der Vordrucke der Vergnügungssteueranmeldungen führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Heranziehung; maßgeblich sind insoweit allein die zugrunde zu legenden Vorschriften der Satzung.
93Schließlich ist ein strukturelles Vollzugsdefizit bei der Besteuerung sexueller Dienstleistungen von Prostituierten im Gebiet der Stadt P nicht zu bejahen. Durch die Rechtsprechung ist geklärt, dass der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG für das Steuerrecht verlangt, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Eine durch Vollzugsmängel hervorgerufene Belastungsungleichheit führt zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung, wenn sich eine Erhebungsregelung gegenüber einem Besteuerungstatbestand in der Weise strukturell gegenläufig auswirkt, dass der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden kann, und dieses Ergebnis dem Gesetzgeber zuzurechnen ist. Ein verfassungsrechtlich bedeutsames strukturelles Vollzugsdefizit ist jenseits eines solchen normativen Erhebungsdefizits nur denkbar, wenn die Besteuerung aus politischen Gründen nicht vollzogen wird oder in einer Anlaufphase erkennbare Umsetzungsprobleme nicht beseitigt werden,
94vgl. zum Vorstehenden BFH, Beschluss vom 16. Juni 2011 – XI B 120/10 .
95Ein in diesem Sinne strukturelles Vollzugsdefizit besteht nicht. Es mag zwar für die Bediensteten der Beklagten rein tatsächlich schwierig sein, Umsätze aus sexuellen Dienstleistungen zu besteuern und Kenntnis von steuerrelevanten Sachverhalten zu erlangen. Die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen führt jedoch nicht ohne Weiteres zur Gleichheitswidrigkeit. Die Beklagte hat hierzu durch Schriftsatz vom 20. Dezember 2010 ausgeführt, die Gewerblichen Zimmervermieter und Prostituierten seien nach Gewerberecht verpflichtet, ihre Betriebe anzumelden. Der Fachbereich Steuern der Stadt P habe mithin die Möglichkeit, sich über den Bestand sowie Zu- und Abgänge der Gewerbekartei, sortiert nach Branchen, zu informieren. Werbung an Fassaden der Gebäude, durch Zeitungsannoncen oder im Internet seien ferner Ermittlungsansätze. Darüber hinaus ermittle der Außendienst steuerrelevante Sachverhalte. In der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2011 haben die Vertreter der Beklagten ferner erklärt, schon vor Inkrafttreten der Vergnügungssteuersatzung sei wegen der Anzahl der Prostituierten mit der Kriminalpolizei Kontakt aufgenommen worden; die Beklagte habe von der Kriminalpolizei eine Liste von Wohnungsprostituierten erhalten. Diesen Hinweisen sei das Steueramt nachgegangen. Außendienstmitarbeiter besuchten Wohnungen in dem Bereich um die Gstraße herum, in welchen teilweise Wohnungsprostitution ausgeübt werde. Entsprechende Fälle, die sich bestätigten, würden veranlagt – dies seien geschätzt ca. 30 bis 40 Fälle. Anhaltspunkte dahingehend, dass diese Angaben unzutreffend sind, fehlen. Die Vertreter der Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2011 zum Ausdruck gebracht, falls sie davon Kenntnis erhielten, dass es die von dem Kläger genannte Anzahl von zusätzlichen Prostituierten gebe bzw. ihnen eine entsprechende Liste seitens der Kriminalpolizei vorgelegt würde, sie diesen Angaben mit dem Ziel der Besteuerung nachgehen würden. Es war demnach für die Kammer nicht erforderlich, der Beweisanregung mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2011 nachzugehen. Mithin ist nicht ersichtlich, dass das von dem Kläger gerügte Erhebungs- und Vollzugsdefizit im Gebiet der Stadt P besteht. Dass im Einzelfall bei einem Massenverfahren wie der Erhebung von Kommunalsteuern Vollzugsmängel auftreten können, ist derartigen Verfahren immanent, führt jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung im Einzelfall.
96Schließlich sind die den angefochtenen Vergnügungssteuerbescheiden vom 29. September 2010 zugrunde liegenden Schätzungen nicht zu beanstanden. Da der Kläger unter Geltung der Vergnügungssteuersatzung 2010 keine Vergnügungssteueranmeldungen abgegeben hat, war die Beklagte gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4b KAG NRW i.V.m. § 162 Abs. 1 Satz 1 AO berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Nach der genannten Bestimmung hat die Steuerbehörde die Berechnungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Schätzungsanlass kann nach § 12 Abs. 1 Nr. 4b KAG NRW i.V.m. § 162 Abs. 2 AO namentlich die Nichtabgabe einer Steuererklärung sein. Die Verpflichtung des Klägers zur Abgabe von Steuererklärungen für zurückliegende Zeiträume folgt aus § 11 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Vergnügungssteuersatzung sind für Besteuerungszeiträume, die vor dem 1.9.2010 endeten, bis spätestens 15.9.2010 Steueranmeldungen und/oder –berichtigungen bisheriger Steueranmeldungen einzureichen, die Steuer selbst zu errechnen und zu begleichen. Der Schätzungsbefugnis steht nicht § 8 Satz 2 Vergnügungssteuersatzung entgegen, wonach für jeden Kalendermonat 25 Veranstaltungstage zugrunde gelegt werden. Diese Satzungsbestimmung greift erkennbar ein, wenn ein Veranstalter diese Möglichkeit wählt, um die einzelne Anzahl der Veranstaltungstage pro Prostituierte nicht im Einzelnen auflisten zu müssen; darüber hinaus würde eine dementsprechende Berechnung zu einer höheren Veranlagung des Klägers führen. Der Kläger ist durch Anschreiben der Beklagten vom 10. August 2010 in ausreichender Weise gehört worden; darüber hinaus ist eine Heilung gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO zu bejahen.
97Dem Vergnügungssteuerbescheid für die Monate Januar 2009 bis Juni 2009 sind die von dem Kläger unter Geltung der Vergnügungssteuersatzung 2008 eingereichten Vergnügungssteueranmeldungen zugrunde gelegt worden; dass diese Vorgehensweise nicht zu beanstanden ist, räumt der Kläger ein. Bezüglich der Vergnügungssteuerbescheide für die Monate Juli 2009 bis August 2010 ergeben sich keine Bedenken gegen die geschätzte Anzahl der Veranstaltungen von 517. Aus den Verwaltungsvorgängen der Beklagten ist zu entnehmen, dass der Schätzung der Durchschnittswert aus den Monaten Januar bis Juni 2009 zuzüglich eines 10 prozentigen Sicherheitszuschlags zugrunde gelegt worden ist. Dies lässt sich darüber hinaus durch kurze sachbezogene Rechenvorgänge den Bescheiden entnehmen. Damit bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die von der Beklagten angenommene Wertangabe überhöht oder realitätsfremd ist. Die Anzahl der Veranstaltungen laut eingereichter Vergnügungssteueranmeldungen für die Monate Januar 2009 bis Juni 2009 ist auch nicht rückläufig, sondern steigt von Januar 2009 bis März 2009 sowie von April 2009 bis Juni 2009 jeweils an. Im Hinblick auf die unterlassene Abgabe einer Steuererklärung genügte, dass die Beklagte in den Schätzungsbescheiden die geschätzte Werteangabe angegeben hat,
98vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. April 2011 – 14 A 1632/09 ; BFH, Urteil vom 11. Februar 1999 V R 40/98 .
99Die Klage war demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
100Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.