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Gerhard Rohlfs - NATIONAL GEOGRAPHIC
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Gerhard Rohlfs

Verkleidet als muslimischer Arzt zieht Gerhard Rohlfs durch die Sahara. Er schließt sich Handelskarawanen an, wird von Beduinen überfallen, erreicht geheimnisvolle Oasen. Er ist der Erste, der Westafrika von Norden nach Süden durchquert.

Den Hang zum Abenteuer hat Gerhard Rohlfs im Blut. Schon als 15-Jähriger reißt er von der Schule aus und schafft es bis nach Rotterdam, wo er sich als Schiffsjunge anheuern lässt. Mutter und Schwester reisen ihm nach und überzeugen ihn in letzter Minute, wieder mit nach Hause zu kommen. Aber auch diesmal hält er es nicht lange in der Schule aus. Mit knapp 18 geht Gerhard Rohlfs zur Armee, ein Jahr später kämpft er in Schleswig-Holstein gegen die Dänen. 1852 beginnt er ein Medizinstudium – nach drei Semestern hat er genug vom akademischen Leben. Er wird in Österreich Soldat, aber auch nur für kurze Zeit. Dann desertiert er.

Im Jahr 1856 tritt Gerhard Rohlfs in die französische Fremdenlegion ein. So gelangt er nach Nordafrika, wo er – vermutlich als Feldapotheker – an den Kämpfen gegen die Kabylen teilnimmt. Die Franzosen sind seit 1830 in Algier und versuchen seither, die stolzen Wüstenvölker zu unterwerfen. Vier Jahre lang dient Rohlfs in der Fremdenlegion, später wird er wenig über diese Zeit berichten. Aber er gewöhnt sich an die Hitze, das gleißende Licht, den Staub und den Durst im Norden Afrikas. 1860 verlässt er die Legion.

Der Abenteurer hat von den Reformplänen des Sultans von Marokko gehört. Er möchte ihm seine Dienste anbieten. Der Herrscher will sein Heer und die Verwaltung modernisieren, um das Land besser gegen die Europäer verteidigen zu können. Seit Jahren versuchen Spanien und Frankreich, dort Fuß zu fassen. Marokko, seit dem 17. Jahrhundert von der Alawiden-Dynastie beherrscht, hat sich schon immer gegen alle europäischen Einflüsse abgeschottet. Doch nun schlägt Fremden mehr denn je der erbitterte Hass der muslimischen Bevölkerung entgegen. Außerhalb von Tanger ist man sich als Europäer seines Lebens nicht mehr sicher.

Rohlfs aber schreckt das nicht ab. Im Gegenteil, es macht ihn neugierig. Zu wenig weiß man über das geheimnisvolle Land. Warum sollte es ihm nicht gelingen, den Schleier ein wenig zu lüften?
Der Deutsche lässt sich den Kopf rasieren, zieht die djellaba – eine Art langes Hemd – und gelbe Lederpantoffeln an. Gerhard Rohlfs nennt sich von nun an „Mustafa“, tritt – zumindest äußerlich – zum Islam über und lässt sich die wichtigsten Glaubenssätze beibringen. In kritischen Situationen wird er sie künftig herunterbeten.

Sein Bündel Habseligkeiten hängt Rohlfs an einem Stock über die Schulter. So marschiert er von Tanger nach Fes, in die Hauptstadt. Immer wieder umringen ihn aufgebrachte Menschenmengen, die glauben, er sei ein französischer Spion. Immer wieder muss er betonen, dass er den einzigen wahren Glauben angenommen hat, dass Allah der einzige Gott ist und Mohammed sein Prophet. Oft kommt er nur durch Glück mit dem Leben davon.

In Ouezzane lernt Gerhard Rohlfs den Großscherifen Abdes Ssalam kennen, der schon einmal in Frankreich gewesen ist. Ihm macht es Spaß, sich mit dem jungen Deutschen zu unterhalten. Er stellt Rohlfs ein Empfehlungsschreiben aus und schenkt ihm ein Maultier, mit dem er weiter nach Fes reisen kann. Dort wird der ehemalige Medizinstudent zum obersten Militärarzt ernannt. Rohlfs eröffnet eine Praxis, an der Tür steht „Mustafa der Deutsche, Arzt und Wundarzt“. Sein Ruhm wächst schnell. Er wird zum Leibarzt des Harems ernannt, darf die Frauen des Sultans sogar unverschleiert sehen.

Doch Rohlfs ist ein rastloser Geist. Er will mehr von dem Land kennen lernen und weiß, dass er sich gründlich darauf vorbereiten muss. Er kehrt nach Ouezzane zurück, lernt dort ein Jahr lang Arabisch, vertieft seine Kenntnisse über den Islam.

Im Juli 1862 bricht Gerhard Rohlfs von Tanger auf. Er reist im Aufzug eines muslimischen Arztes – zunächst nach Casablanca, dann nach Marrakesch. Von hier aus zieht er auf einem Esel weiter. Seine Habe verstaut er in zwei Seitenkörben. Ein zum Islam übergetretener Spanier begleitet ihn als Führer und Dolmetscher, beraubt ihn aber seines Geldes und flieht mit dem Esel.

Völlig mittellos schließt Rohlfs sich in Agadir einer Karawane an, um einen Ausläufer des Hohen Atlas zu überqueren. Es wird eine lebensgefährliche Reise. Die Stämme von Sous befehden sich untereinander. Die Berber leben davon, Karawanen zu überfallen und auszurauben. In diesem Teil der Welt zählt das Recht des Stärkeren. Rohlfs erkrankt schwer an Fieber, ist zu schwach, um seine Reise fortzusetzen.
Nach seiner Genesung in Taroudannt schließt er sich einer anderen Karawane an. Da er immer noch kein Geld hat, verpflichtet er sich als Treiber. Er muss zu Fuß gehen, die störrischen Tiere – Esel und Kamele – mit der Peitsche vorantreiben. Sie verlassen das fruchtbare Land, ziehen durch kahle Berge. Auf den Gipfeln liegt schon Schnee. Sie kämpfen sich durch steinige Schluchten. Rohlfs’ Schuhe gehen kaputt, seine Füße sind aufgerissen, er bekommt wieder Fieber. Mit letzter Kraft schleppt er sich weiter. Die Karawane erreicht die Oasen von Draa. Hier leben die Araber und Berber vom Dattelanbau, hier wartet Linderung.

Gerhard Rohlfs zieht weiter zur Oase Tafilalt. René Caillié hat sie als einziger Europäer vor ihm gesehen. Auf der Weiterreise wird Rohlfs von Beduinen überfallen. Schwer verwundet überlebt er, Araber pflegen ihn monatelang gesund. Im Jahr 1863 kommt er wieder an die Küste. In Algier besucht ihn sein Bruder. Er nimmt Rohlfs’ Tagebücher mit nach Deutschland, wo sie in „Dr. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes geographischer Anstalt“ veröffentlicht werden. Seine wissenschaftlichen Methoden – zum Beispiel bei den Höhenmessungen – sind zwar noch nicht ausgereift, die Aufzeichnungen stoßen dennoch auf reges Interesse. Gustav Rohlfs gilt nun als der beste Kenner Marokkos.

Später im Jahr bricht Gerhard Rohlfs zu seiner zweiten Expedition auf. Er möchte die Sahara durchqueren, das legendäre Timbuktu erreichen. Am 20. Mai 1864 steht Rohlfs auf dem höchsten Berg des Mittleren Atlas. Auf der anderen Seite des Gebirges durchzieht er sonnenverbrannte Steppen. Heiße Windstöße und Sandstaub sind Vorboten der Sahara. Ende Mai kommen sie in der Oasengruppe von Tafilalt an.

Das nächste Ziel ist Touat – 500 Kilometer entfernt. Kamele schleppen die Vorräte und Wasserschläuche. Rohlfs und sein Diener gehen zu Fuß. Sie ziehen im Hochsommer durch Dünen und Geröllfelder, die wüste Unendlichkeit. Die Temperaturen erreichen 40 Grad im Schatten – in der Sonne sind es 65 Grad. Immer haben die Reisenden Durst. Ihr Führer findet, sie verbrauchen zu viel Wasser. Mitte September erreicht Rohlfs als erster Europäer die Oase von Touat. Hier schließt er sich einer Handelskarawane nach In-Salah an, dem Hauptort der Oasengruppe von Tidikelt. «Wir wollen keine Christen in In-Salah», lässt der Emir Rohlfs bei der Ankunft wissen. Der Deutsche bleibt trotzdem, studiert die Sitten der Tuareg, deren Männer blaue Schleier tragen. Als er erfährt, dass in den nächsten fünf Monaten von hier keine Karawane nach Timbuktu aufbrechen würde, kehrt er nach Tripolis zurück. Von dort reist er nach Deutschland – das erste Mal seit zehn Jahren.

Gerhard Rohlfs ist nun kein bloßer Abenteurer mehr, sondern wird als Saharaforscher ernst genommen. Für seine nächste Expedition erhält er finanzielle Unterstützung von mehreren geographischen Vereinigungen. Immer noch träumt er von Timbuktu. Am 20. Mai 1865 bricht Rohlfs von Tripolis auf. Er reist durch die Sahara nach Ghadames, dann nach Mursuk, ein Zentrum des Sklavenhandels. In beiden Orten findet er keine Führer, die ihn nach Timbuktu bringen wollen. Zu gefährlich, finden alle.

Rohlfs bleibt fünf Monate lang in Mursuk. Er übersetzt eine handgeschriebene Geschichte des Fessan – so heißt das Land im Südwesten Libyens. Auf das Angebot des Sultans, seine 15-jährige Tochter zu heiraten, geht er nicht ein. Ende März 1866 bricht Rohlfs nach Süden auf. Den Plan, Timbuktu zu erreichen, hat er inzwischen aufgegeben. Sklavenkarawanen kommen ihm entgegen. Menschen, die zu geschwächt sind, um weiterzulaufen, fallen in den Sand und sterben.

Am 23. Juli 1866 erreicht Rohlfs Kukawa, die Hauptstadt des Königreichs Bornu. Sultan Omar hat vor 15 Jahren Heinrich Barth freundlich aufgenommen. Nun empfängt er auch Rohlfs mit offenen Armen. Der Sultan erhebt in seinem Reich keine Steuern. Dafür verkauft er Sklaven – auch aus dem eigenen Land. Rohlfs bleibt fünf Monate in Bornu und erforscht den Tschadsee. Dann fährt er den Benue bis zum Niger hinunter. An der Flusskreuzung haben Engländer die Faktorei Lokoja errichtet. Hier wird Elfenbein gegen Schnaps und Waffen getauscht. Rohlfs erkennt als einer der Ersten die fatalen Folgen, die dieser Handel für die afrikanischen Völker haben wird.

Der Deutsche fährt den Niger bis Rabba hinauf. Marschiert die restlichen 500 Kilometer bis zur Küste durch endlose Sumpfgebiete und Urwälder. Als erster Europäer hat Rohlfs Westafrika durchquert – vom Atlantik bis zum Golf von Guinea. Auf einem Postdampfer fährt er zurück nach Deutschland. Im Gepäck ein silbernes Pferdegeschirr von Sultan Omar für Wilhelm I. In seiner Heimat ist Rohlfs nun ein berühmter Mann. Er wird von Fürst Otto von Bismarck und dem König von Preußen empfangen.

Im Jahr 1867 nimmt Gerhard Rohlfs als offizieller preußischer Beobachter am englischen Feldzug unter General Napier in Äthiopien teil. Danach durchquert er das dortige Hochland. 1874 startet er weitere Expeditionen in die Libysche Wüste, einige davon mit Georg Schweinfurth . Vier Jahre später erkundet er die Oase Kufra, den letzten weißen Fleck in der riesigen Wüste. 1885 wird er kurzzeitig deutscher Generalkonsul in Sansibar.

Rohlfs brach ohne Ziel nach Afrika auf. Er suchte nur Abenteuer und Ruhm. Beides hat er bekommen.

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