(Translated by https://www.hiragana.jp/)
Chefökonom
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20111203175242/http://www.ftd.de:80/wirtschaftswunder/index.php?op=ViewArticle&articleId=2833&blogId=10

This page looks plain and unstyled because you're using a non-standard compliant browser. To see it in its best form, please upgrade to a browser that supports web standards. It's free and painless.

FINANCIAL TIMES DEUTSCHLANDFINANCIAL TIMES DEUTSCHLANDAlles über Konjunktur und Economics
03.12.2011 17:23
       Wirtschaftswunder    FTD.de  

Chefökonom

 
Thomas Frickes Tagebuch aus der Welt der Wirtschaftswunder - über wunderbare Wachstumstrends, wundersame ökonomische Klischees und wundervolle wie verwunderliche Theorien

»

Die Kolumne - Merkel stalkt Europa ins Desaster

02. Dezember 2011 11:27 Uhr
Thomas Fricke
Die Kanzlerin versucht seit zwei Jahren, die Märkte mit immer neuen Pakten und herrischen Spardiktaten (für andere) zu besänftigen. Jetzt droht der Kollaps. Eine deutsche Tragödie.

*

Zwei Jahre haben die Deutschen jede griechische Steuererklärung verfolgt. Jetzt spricht viel dafür, dass aus der Krise ein Kollaps zu werden droht. Und im Land macht sich Krisenmüdigkeit breit, will’s keiner mehr wissen, hört man trotzige Gelassenheit.


Dabei gäbe es für die Deutschen Anlass aufzuschreien. Was gerade krachend zu scheitern droht, ist der Kurs von Kanzlerin und Bundesbank, die Finanzmärkte durch immer neue Stabilitätspakte, Regeln und Spardiktate (für andere) zu besänftigen – ohne dass dies den Hauch eines Erfolgs hatte. Im Gegenteil. Es bleiben womöglich nur Tage, um die Kanzlerin wachzurütteln. Sonst droht es eine deutsche Tragödie zu werden: das Abgleiten sehenden Auges in eine richtige Jahrhundertkrise.


Rabiate Sparpakete

Um die Märkte zu beruhigen, mussten Griechen, Iren, Portugiesen und Spanier unbestritten rabiate Sparpakete durchziehen (siehe Grafik). Die Italiener haben seit Juli drei nachgelegt. Die Franzosen machten präventiv zwei. In der Zeit verschärfte die Kanzlerin den Stabilitätspakt, diktierte einen Plus-Pakt und lässt alle Staatshaushalte jetzt in Brüssel prüfen, bevor sie in die nationalen Parlamente gehen. Auf jedem Gipfel eine neue Idee. Ach ja: Schuldenbremsen! Was die Ersten artig umsetzen.


Zur Marktbesänftigung wurde Italiens Ministerpräsident wegbewegt – und vom „deutschesten Italiener“ Mario Monti ersetzt. Weg musste der Grieche, der so frech war, sein Volk fragen zu wollen. Alles, wie Frau Merkel es wollte. Und wegen der Märkte.


Ergebnis: Seit Montis Antritt ist Italiens Risikoprämie keinen Deut gefallen. Heute sind mehr Länder vom Krisensog erfasst als vor Merkels gut gemeintem Brimborium; jetzt ist mehr von Pleite die Rede als davor. Und das Ende vom Euro gilt als möglich. Herzlichen Glückwunsch.


Nun kann man sagen: war halt immer noch nicht genug. Na ja. Wie würden Sie reagieren, wenn Sie einer/einem Angebeteten zu gefallen versuchen, sich schick machen, Treueverträge entwerfen, Nulldiät machen – und die/der zeigt sich nach zwei Jahren noch komplett unbeeindruckt. Da würden Sie irgendwann sagen, dass es vielleicht auch nichts bringt, sich jetzt noch, sagen wir, liften zu lassen.


Bei Frau Merkel ist das (im übertragenen Sinn) anders: Die will uns jetzt via EU-Vertragsänderung liften, damit die Märkte doch noch in Liebe dahinschmelzen. Was allmählich stabilitätspolitischem Stalking nahekommt. Wahrscheinlich kommt als Nächstes, dass alle Euro-Christen die deutsche Stabilitätskultur als elftes Gebot aufnehmen oder die Bibel stabilitätspolitisch ergänzen müssen.


Vielleicht geht all das aber auch am Problem vorbei. De facto hat die Euro-Zone ja nicht mehr, sondern weniger Schulden als Amerika oder Japan. Und de facto hatten die meisten Euro-Krisenländer anfangs auch keine so hohen oder steigenden Staatsschulden. Spanier und Iren galten sogar als Paradeländer, die ihre Schulden abgebaut hatten. Da wäre jede Schuldenbremse nutzlos.


Gut möglich, dass die Märkte auch deshalb so lieblos reagieren. Womöglich haben Merkel und Bundesbankchef Jens Weidmann die Krise sogar verschlimmert. Weil die Erfahrung eher lehrt, dass es wirtschaftlich teuer und finanzpolitisch kontraproduktiv ist, beim Schuldenabbau mit dem Kopf durch die Wand zu wollen: weil rabiate Kürzungen und Steuern Rezessionen verschärfen. Das lässt sich auch nicht per Diktat verhindern. Da zählen nur Weit- und Vorsicht.


Investoren wie Sparer interessiert, ob sie ihr Geld wiederkriegen; und Spekulanten, ob es lohnt, auf Pleiten zu wetten. Da kann es beeindruckend wirken, wenn Länder harte Sparprogramme machen oder einen Stabi-Pakt XXL. Da zählt aber mindestens ebenso die Frage, ob weitere Länder einen Schuldenschnitt kriegen, andere austreten könnten oder der Euro ganz platzt. Und da reiche dann die mehr oder weniger rationale Erwartung solcher Ereignisse, um die Herde in Panik zu versetzen, sagt Peter Bofinger vom Sachverständigenrat – was sich dann schnell selbst erfüllt: Wenn alle ihre Staatsanleihen aus Panik abstoßen, ist das Land pleite – egal wie es vorher dastand.


Hier beginnt die deutsche Tragödie. So betrachtet hat die Kanzlerin zur Krise beigetragen, indem sie im Oktober 2010 befand, dass Privatgläubiger, also oben genannte Sparer, Investoren und Spekulanten, bei Pleiten haften. Was gut gemeint, in latenter Paniklage aber fatal ist. Damals begann mit diesem Tag die Panik um Irland, das kurz darauf unter den Rettungsschirm musste.


So betrachtet hat die Kanzlerin erneut zum Desaster beigetragen, als sie im Juli das Tabu brach und gegen alle Warnungen einen Schuldenschnitt zuließ. „Damit gab sie das fatale Signal, dass eben doch kein Staat in der Euro-Zone sicher ist“, sagt Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank. „Das hat die Märkte zu Recht nervös gemacht“, so Bofinger. In den Tagen darauf sprang der Panikvirus auf Italien und Spanien über.


Ebenso fatal war dann, vor ein paar Wochen auszurufen, dass Griechenland im Zweifel halt aus der Euro-Zone raus müsse. Noch ein Tabu gebrochen. Noch eine neue Dimension der Panik und Spekulation.


Wohlstand aufs Spiel gesetzt

Es hilft im Moment wenig, darüber zu klagen, dass Finanzmärkte so sind. Wer seine Rente in Euro-Staatsanleihen investiert hat, ist nervös – und kriegt Panik, wenn es heißt, dass womöglich die Hälfte seines Geldes weg ist. Den interessiert im Zweifel die Bohne, ob Frau Merkel für künftig noch was in irgendeinen Vertrag schreibt. Der will wissen, ob die Panik morgen das nächste Land erfasst.


Möglich ist, dass die Panik stoppt – und dass auch Merkels Placebos irgendwie dazu beitragen. Darauf zu setzen wäre nach zwei verheerenden Jahren nur grob fahrlässig. Die bittere Erfahrung mit Finanzkrisen zeigt: Am Ende reicht ein kleiner Auslöser zum Kollaps. Wenn Italien panikbedingt am Markt kein Geld mehr kriegt, droht die unkontrollierte Insolvenz eines der größten Industrieländer.


Für solche Momente gibt es Notenbanken, die geschaffen wurden, das System vor Panikspiralen in letzter Instanz zu stützen. Merkel und Weidmann sollten aufhören, den Deutschen Angst zu machen, dass die Europäische Zentralbank diesen Job erledigt, indem sie zur Beruhigung ankündigt, notfalls mächtig Staatsanleihen zu kaufen. Wir sollten Angst haben, dass sie es nicht tut. Es gibt nicht umsonst weltweit kaum noch Ökonomen und Politiker, die nicht erschrocken staunen, wie zwei Deutsche den Wohlstand so vieler Länder so blind aufs Spiel setzen.

Email: fricke.thomas@guj.de

Kommentare

  am deutschen Wesen ... [antworten]

Es ist schon erstaunlich, dass Deutschland sich wieder als Großmacht fühlt und nur die eigene Weltsicht gelten lässt. Endllich mal wieder Ordnung schaffen in diesem europäischen Sauladen! Welch ein schönes Gefühl ganz und gar im Recht zu sein. In Europa spricht man wieder Deutsch. Ein toller Erfolg und ganz im Einklang mit dem gesunden deutschen Volksempfinden. Für Schuldenkrisen braucht es immer zwei Seiten. Die eine Seite, die die Schulden aufnimmt und die andere Seite, die das Geld gibt. Offensichtlich haben beide Seite geschlafen. Aber Frau Merkel und die Deutschen lieben es nur die erste Seite zu betrachten. Von uns ach so aufgeklärten und vernünftigen Deutschen würde ich erwarten, dass man die eigene Position relativieren kann. Man kann ja deutsche Interessen vertreten und dennoch konstruktiv an einer europäischen Lösung arbeiten. Einfach immer nur auf Stur schalten, schadet am Ende allen. Wir werden so ein's auf die Fr***e kriegen, dass es raucht. Die Welt wird das gut in Erinnerung behalten und mit dem Finger auf uns zeigen. Jedem, dass war er verdient. Mein einziger Trost ist, dass die FDP - die Institution des Opportunismus und der Oberflächlichkeit - das kommende Desaster wohl nicht überleben wird.

Kistof | 02/12/2011, 14:25


   [antworten]

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin! Der üppige Wohlstand aller Schichten des amerikanischen und englischen Volkes, die weltweit gerühmte Stabilitätskultur, vor allem der Banken, sowie die beispiellos starke industrielle Basis Angloamerikas zeigt doch jedem, der noch sehen kann, wie es gemacht werden muss: Schulden, Schulden und nochmals Schulden. Das müssten doch auch wir können! Zur Beruhigung der Märkte haben Sie auch die falsche Staatsangehörigkeit. Werden Sie Staatsangehöriger von „Gottes eignem Land“ den USA. Das, und nur das, kann jetzt noch die Märkte beruhigen. Die politischen und journalistischen Kräfte die Sie jetzt ständig kritisieren, meinen es doch nicht bös mit Ihnen. Ein paar Dinge genügen schon und Sie werden die veröffentlichte Meinung auf Ihrer Seite haben: Stimmen Sie zu das sich Deutschland von dem uns so schwer belastenden Teil unseres Geldes trennt. Stimmen Sie zu das die EZB endlich den Status einer Regionalen Unterorganisation der Federal Reserve (EuroFed) erhält. Europa sollte dann sein Gold in New York zur Verwaltung abliefert, schauen Sie, unser Gold hat die Fed ja doch schon. Bestimmte Zahlen die so ausschauen als seien wir auf einigen Gebieten die besten, (pfui Teufel) die müssen wir ignorien. Frau Bundeskanzlerin Sie sind in der Zone, der sogenannten Ehemaligen, groß geworden und haben die große Skepsis des deutschen Volkes, vor dem deutschen Volk, nicht mit der Muttermilch eingetrichtert bekommen. Die Märkte, das Ausland verlangen von uns 66 Jahre nach dem Krieg (auch für die nächsten 500 Jahre) absolute Bescheidenheit! Unser natürlicher Platz ist ganz hinten in der Schlange, so zwischen Griechenland und Portugal. Wenn Sie diese Ratschläge beherzigen sollten, wird die angloamerikanische Öffentlichkeit Ihnen zujubeln, sie bekommen sicher einen Blumenstrauß von der Financial Times, und von Herrn Fricke (persönlich) vielleicht ein Küsschen, wer weiß?

Dieter Skupin | 02/12/2011, 20:25


  Apokalypse [antworten]

FTD Journalisten im Panik-Mode. Ein paar Überschriften: "Merkel stalkt Europa ins Desaster". "Wenn die Euro-Zone auseinanderbricht". "So könnte der Euro kollabieren". "Euro-Zone blickt in den Abgrund". "Angst vor der Euro-Apokalypse". "Die ruinöse Kanzlerin" (Wolfgang Münchau). Manchmal frage ich mich, wie diese dramatische Rhetorik zur Krisenberuhigung bzw Krisenbewältigung beitragen soll. Wenn man unentwegt die Apokalypse mit einer theatralisch-dramatischen Rhetorik an die Wand malt, dann wird sie auch kommen. Ganz bestimmt.

R.B. | 02/12/2011, 23:56


  Unterschätzt die Kanzlerin nicht! [antworten]

Herr Fricke, ich hoffe, Frau Merkel sieht ihre vordringliche Aufgabe zur Zeit nicht darin, den Status Quo in Europa zu erhalten, sondern darin, die Krise zu nutzen, um im Interesse Deutschlands (siehe Amtseid) Veränderungen herbeizuführen. Schon am 18.05.11 schrieb ich Frau Kade: "...Sowohl Sie als auch das breite Publikum gehen davon aus, dass Kanzlerin Merkel keinen deutschen Paradigmenwechsel in der Europapolitik wagen wird. Wer Politik betreibt, macht aber immer Realpolitik... Betrachten wir doch mal ein mögliches Szenario. Die Kanzlerin könnte die aktuelle Lage - unter Ausblendung der sich an der "Dollarfront" anbahnenden Probleme - z.B. so sehen: Erstens: Es wird immer wahrscheinlicher, dass der Euro-Währungsverbund restrukturiert werden muss. Die internationalen Märkte (aber auch z.B. die chinesische Regierung) signalisieren täglich, wem sie die Führungsrolle in Europa zuschreiben: Deutschland. Ohne Deutschland geht in Europa zur Zeit wenig, gegen Deutschland nichts und eine offene Konfrontation mit Deutschland wäre für einige Länder (ökonomisch gesehen) reiner Selbstmord. Nach rationaler Analyse und aus wohlverstandenem Egoismus sollten unsere europäischen Nachbarn diesen Sachverhalt positiv bewerten und sich führen lassen. Und Deutschland muss führen wollen, denn sonst gefährdet es "als Riesenbaby ohne Willen" das gesamte europäische Haus. Also, nur Mut! Deutschland hat viele „Erfolgsrezepte“ vorzuweisen, einige davon sollte es in der EU, bzw. im Euro-Verbund, durchzusetzen versuchen. Zweitens: Die "Gesamtkonstruktion" der EU (nicht nur die bekannten Verträge von Maastricht und Lissabon, sondern auch die vielen "Nebenvereinbarungen") benachteiligen Deutschland, weil es weder proportional zu seiner Wirtschaftsleistung noch zu der seiner Einwohner stimmberechtigt ist. Am offensichtlichsten wird das in der "Nichthandhabung" der deutschen Sprache als "ofizielle" EU-Sprache (jeder 3. EU-Bürger spricht deutsch, jeder 5. Französisch und dennoch erhalten deutsche EU-Abgeordnete die Einladung zu einem Essen mit dem deutschen Bundespräsidenten in französischer Sprache...) Die Kanzlerin muss die Interessen der deutschen Bürger wahrnehmen und deren Benachteiligungen innerhalb der EU abstellen. Tut sie das nicht, bleiben Zweifel an der Führungsfähigkeit der Deutschen – sie blieben weiterhin „suspekt“. Also, Frau Kade, unterschätzen Sie Frau Merkel nicht! Wann, wenn nicht jetzt, sollte sie die Lage zu einer Neuordnung des europäischen Hauses und damit einer "Neubalancierung" des europäischen Machtgefüges nutzen? Adolf Hitler ist schon lange tot, die Deutschen werden immer weniger und unser Militär spielt mit verbundenen Augen im Sandkasten: Wovor sollte Europa Angst haben?

Hans Prömm | 03/12/2011, 00:56


  Die Schuldenmacher stalken Europa ins Desaster [antworten]

Auszug: "Und de facto hatten die meisten Euro-Krisenländer anfangs auch keine so hohen oder steigenden Staatsschulden. Spanier und Iren galten sogar als Paradeländer, die ihre Schulden abgebaut hatten." Richtig, vor dem Euro war alles in Ordnung. Und deshalb muss er wieder weg.

Thedodor | 03/12/2011, 11:32




Artikel kommentieren

Betreff

Text:

Ihr Name

E-Mail-Adresse (wird nicht veröffentlicht)

Bitte untenstehende Zahlenfolge eingeben:
authimage


.
 
© 1999-2008 Financial Times Deutschland | FTD-Blogs: Nutzungshinweise

Recherche · Zeitung · Abonnement · Meine FTD · Logout · Sitemap · Hilfe
Kontakt · Impressum · Jobs bei der FTD · Disclaimer · Media-Info
Mit ICRA gekennzeichnet



Weitere Online-Angebote der FT Group:
FT.com, Les Echos, Recoletos: Expansión


Powered by pLog