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Lieferkettenschutz: Die teuren Versicherungen gegen Engpässe: Finanzen - impulse
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24.02.2012

Lieferkettenschutz: Die teuren Versicherungen gegen Engpässe

Von: Uwe Schmidt-Kasparek
Ein Satellitenfoto zeigt die rötliche Aschewolke des isländischen Vulkans Grimsvötn am 25.05.2010
Zoom Ein Satellitenfoto zeigt die rötliche Aschewolke des isländischen Vulkans Grimsvötn am 25.05.2010
© dpa
Kommt die Sendung eines Zulieferers nicht an, kann das die ganze Produktion lahmlegen. Unternehmen können sich dagegen absichern. Doch die Policen sind extrem teuer.

Als am 11. März 2011 im Osten Japans die Erde bebte, gewaltig, mit ungeheurer Vernichtungskraft, hatte beim Autozulieferer Grammer im oberpfälzischen Amberg gerade die Frühschicht begonnen. Alltag. Japan ist weit weg. Und doch ganz nah. Denn Grammer verarbeitet Teile japanischer Firmen. Es drohten Lieferengpässe. Die Geschäftsführung bereitete vorsorglich die Einführung von Kurzarbeit vor.

So weit kam es letztlich nicht. Aber der Fall zeigt, wie verwundbar deutsche Unternehmen sind, seit immer globaler produziert, immer mehr outgesourct und aus Kostengründen immer weniger Lagerung betrieben wird. "Fällt die Zulieferung von besonders wichtigen Teilen aus, können Produktionsabläufe ins Stocken geraten", warnt Andreas Rees, Volkswirt bei Unicredit. Die Gefahr droht dem weltweiten, extrem vernetzten Lieferverkehr durch Naturkatastrophen, wie dem Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull, der im April 2010 mit seiner Aschewolke den europäischen Flugverkehr tagelang lahmlegte, oder kürzlich die verheerende Überschwemmung in Thailand. Doch auch Streiks, Insolvenzen oder Unfälle können Transporte mit dringend benötigter Fracht stoppen. So geriet im März 2009 der britische Getränkehändler Oddbins in eine Krise, weil das Frachtunternehmen Anglo & Overseas insolvent wurde und der Zoll einen Monat lang sämtliche für Oddbins gelagerten Weine beschlagnahmte.

Die Assekuranz reagiert

Auf die Angst der Unternehmen vor solchen Schäden reagiert die Versicherungswirtschaft nun. Zwar konnten Schäden, etwa durch einen Vulkanausbruch, bisher schon versichert werden. Aber nur dann, wenn etwa das Flugzeug mit der Lieferung abstürzt, weil es in die Aschewolke geflogen ist. Eine Unterbrechung der Lieferkette aber, die nicht direkt, sondern nur mittelbar verursacht wurde, ist von der klassischen indirekten Betriebsunterbrechungspolice nicht gedeckt. Alles, was auf dem Weg vom Lieferanten zum Produzenten dazu führt, dass einfach Stillstand herrscht, war bisher unversicherbar.

Das soll sich jetzt ändern. "Wir schützen, mit wenigen Ausschlüssen, die Folgen jeder Unterbrechung der Lieferkette", sagt Christoph Willi, Vorstand des Zurich-Konzerns und dort für Industrieunternehmen zuständig. Mit der Supply-Chain-Versicherung ist die Zurich seit 2009 auf dem britischen Markt aktiv. Nun gibt es das Produkt auch in Deutschland, andere Anbieter planen, mit ähnlichen Angeboten nachzuziehen.

Für viele international aufgestellte Mittelständler scheint diese neue Möglichkeit attraktiv. "Sie müssen ihre Bilanz anders absichern als DAX-Unternehmen, die sich einen hohen Schaden leisten können", sagt die Geschäftsführerin des hauseigenen Versicherungsdiensts eines mittelständischen Autozulieferers, der nicht genannt werden will. Ein zusätzlicher Schutz sei daher eine Überlegung wert.

Bei der Supply-Chain-Versicherung der Zurich sind Vorsatz, Minderqualität, Produktrückruf, Betrug, Krieg, Terrorismus, nukleare Bedrohung und Pandemien ausgeschlossen. Alle anderen Gefahren seien versichert und müssten in der Police nicht ausdrücklich benannt werden, sagt Zurich-Vorstand Willi. Die maximale Deckung beträgt 100 Mio. Dollar.

Wo der Haken liegt

Doch es gibt, wie so oft, einen Haken. So versichern die Schweizer nur den Ausfall von genau benannten Lieferanten. Außerdem muss die Entschädigungsleistung für jedes dieser Risiken im Voraus festgelegt werden. Vor allem aber sind die Policen enorm teuer. "Wer etwa 20 Mio. Euro Schutz einkauft, muss mit einer Prämie von drei bis vier Prozent, also 600.000 bis 800.000 Euro, rechnen", so Willi.

Problematisch sind auch die hohen Transparenzanforderungen. Wer sich bei der Zurich versichern möchte, muss seine gesamten Lieferketten offenlegen und von der Versicherung genau durchforsten lassen.

Das dürfte nicht jedem Unternehmen gefallen, zumal dafür auch Kosten anfallen: "Diesen hohen Aufwand muss der Kunde natürlich bezahlen", sagt Willi. Allerdings könnten derartige Transparenzanforderungen schon bald auch bei der klassischen Betriebsunterbrechungsversicherung zum Standard werden. Der Grund: Die Assekuranzen selbst stehen unter Druck, ihr Risiko, Schäden begleichen zu müssen, besser einzuschätzen.

Genauer Blick auf die Lieferkette

Der genaue Blick auf die Lieferkette hat für die versicherten Unternehmen aber auch sein Gutes. Sie erfahren, was es kosten würde, fielen bestimmte Lieferanten für längere Zeit aus. Berücksichtigt werden bei der Analyse auch Imageverlust und Konkurrenzsituation. "Wer nicht mehr produzieren kann, verliert unter Umständen schnell Marktanteile an Mitbewerber", warnt Willi.

Auch wenn die hohen Kosten abschrecken: Unternehmen sollten sich mit dem Thema Lieferkettenschutz beschäftigen. "Die Geschäftsführung muss angesichts der neuen Möglichkeiten eine Entscheidung fällen - und diese vor allem dokumentieren", sagt Peter Bütikofer, Managing Director bei der Swiss Re aus Zürich. Auch wenn er sich gegen eine Versicherung entscheide, könne der Verantwortliche später bei Schadensfällen so nachweisen, dass er das Risiko der Lieferkette geprüft habe. Für den Experten sind Angebote, die Risiken wie etwa einen Streik nicht genau benennen und beschreiben, wenig attraktiv. Bütikofer: "Die Produkte sind viel zu teuer."

Auch Stefan Mußmann, beim internationalen Versicherungsmakler Aon Experte für Sach- und Betriebsunterbrechungsschutz, analysiert genau, für welchen seiner Kunden das neue Angebot interessant sein könnte: "Am Ende unserer Prüfung kann durchaus die Empfehlung stehen, sich nicht zu versichern."

Aus dem Magazin

 

Dieser Beitrag stammt aus der impulse-Ausgabe 01/2012.

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