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Merken   Drucken   21.02.2012, 14:49 Schriftgröße: AAA

Recht + Steuern: Einmal Kaugummi und Anwalt bitte

In Großbritannien dürfen sich Supermarktketten und Versicherungen seit Anfang des Jahres in Kanzleien einkaufen. Die Advokaten erhoffen sich davon neue Wachstumschancen. von Nicola de Paoli, Edinburgh
Diese Revolution hat viele Schauplätze, und einer davon liegt in Wickham, Südengland. Dort befindet sich die Firmenzentrale von Quindell, einem Anbieter von IT-Lösungen und Outsourcing. Gerade erst hat das Management 20 Mio. Pfund lockergemacht. Aber nicht etwa, um dieses Geld in neue Softwareprogramme zu investieren, sondern um damit eine komplette Anwaltskanzlei zu kaufen, samt Büros, Mandaten und natürlich Anwälten. Wenn alles glatt läuft, soll der Deal bis Ende des Jahres über die Bühne gehen.
In England dürfen Supermärkte jetzt Rechtsberatung in ihr Angebot ...   In England dürfen Supermärkte jetzt Rechtsberatung in ihr Angebot aufnehmen
Quindell ist einer der ersten privaten Investoren überhaupt, die ihr Geld in englische Anwaltsbüros anlegen. Möglich wird das durch ein neues Gesetz, den Legal Services Act, der eine gewaltige Liberalisierung des englischen Anwaltsmarktes bringt. Es ist die größte Berufsrechtsreform seit Jahrzehnten, die auch auf dem Kontinent gespannt verfolgt wird.
Die Engländer wollen die Rechtsberatung verbraucherorientierter gestalten und außerdem mehr Wettbewerb zulassen. Kernstück der Reform ist das Ende des Fremdbesitzverbots. Das bedeutet, dass sich künftig Versicherungen, Wagniskapitalgeber und Supermarktketten in eine Kanzlei einkaufen und Rechtsrat anbieten können. Bislang durfte nur Anwälten eine Sozietät gehören, in Deutschland ist das nach wie vor so. In England können seit Anfang des Jahres branchenfremde Investoren entsprechende Anträge bei der Regulierungsbehörde, der SRA (Solicitors Regulation Authority), stellen. Die ersten Bescheide könnten bereits im Februar erteilt werden, spekulieren britische Medien. Grundsätzlich wird die Prüfung aber ein halbes Jahr dauern.
Der börsennotierte IT-Berater Quindell beispielsweise zahlt 19,3 Mio. Pfund für die Übernahme von Silverbeck Rymer, einer auf Schadensersatz und Schmerzensgeld spezialisierten Kanzlei in Liverpool. Quindell lässt sich die Übernahme 10,25 Mio. Pfund kosten und legt für den Rest der Kaufsumme eigene Aktien obendrauf. Mit der Übernahme soll das Angebot für Kunden aus der Versicherungsbranche verbessert werden. "Wir geben Silverbeck eine gute Wachstumschance durch unsere Kontakte in die Industrie und unsere IT-Expertise", sagt Quindell-Chef Rob Terry.
Quindell ist zwar einer der ersten Investoren, die sich auf den englischen Anwaltsmarkt wagen, aber beileibe nicht der einzige. Die Regulierungsbehörde SRA verzeichnete in den ersten Tagen einen Andrang, der über den Erwartungen lag. Verschiedene Beteiligungsmodelle sind nach der neuen Rechtslage möglich: Eine Kanzlei kann künftig von einem Nichtanwalt als Manager geleitet werden, ohne dass sich etwas an den bestehenden Eigentumsverhältnissen ändert. Ein Investor kann sich auch in eine Kanzlei einkaufen oder sie ganz übernehmen. Auch ein Börsengang ist denkbar. Eine weitere Option besteht darin, dass sich Anwälte und Angehörige anderer Berufsgruppen wie Ärzte oder Architekten in einer Sozietät zusammenschließen.
Zu den Interessenten zählen die Rechtsschutzversicherung DAS, die Supermarktkette Co-operative und das Private-Equity-Unternehmen Palamon Capital Partners. Palamon kündigte bereits im Oktober an, die Mehrheit am Kanzleinetzwerk Quality Solicitors zu übernehmen. Unter dieser Dachmarke stecken Mitgliedskanzleien, die in erster Linie zivilrechtlich beraten. Palamon soll für den Mehrheitsanteil rund 10 Mio. Pfund bezahlt haben. "Wir haben den englischen Rechtsberatungsmarkt vorausschauend bereits seit einigen Jahren beobachtet", sagt Palamon-Partner Jonathan Heathcote.
Die Unternehmen erwarten, dass ihr eingeführter und bewährter Markenname genug Zugkraft entwickelt, um künftig nicht nur Supermarkt- oder Versicherungskunden anzulocken, sondern auch Mandanten. "Unsere Marke, gepaart mit unserem Angebot wird unseren Kunden den Zugang zur Rechtsberatung erleichtern", sagt Co-operative-Manager Eddie Ryan.
Die Kanzleien wiederum versprechen sich von dem Einstieg der Investoren frisches Geld, mit dem sie Kollegen von anderen Kanzleien abwerben, neue Standorte eröffnen oder eine moderne IT-Ausstattung kaufen können. "Der Legal Services Act bietet sehr spannende Wachstumschancen", sagt John Pickering, Managing Partner bei Irwin Mitchell, einer Kanzlei mit rund 2100 Mitarbeitern.
Natürlich gibt es auch Kritik an der Reform. So wird bemängelt, dass die Kanzleien nicht mehr unabhängig beraten könnten, wenn sie einen Geldgeber haben, der eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt. Kleinere Kanzleien könnten der Marktmacht der Konzerne nichts entgegenhalten. Die Liberalisierung könne dubiose Geschäftemacher anziehen, lautet eine weitere Sorge.
Auch wegen dieser Bedenken stößt eine Berufsrechtsreform wie in Großbritannien in Deutschland bislang auf wenig Interesse. Studien hätten gezeigt, dass die überwiegende Mehrheit der hiesigen Anwälte gegen den Fremdbesitz ihrer Kanzleien sei, sagt Markus Hartung, Vorsitzender des Berufsrechtsausschusses beim Deutschen Anwaltverein: "In Deutschland scheint es dafür keinen Bedarf zu geben." Dennoch ist er sicher, dass das Thema irgendwann den Europäischen Gerichtshof beschäftigen wird. "Irgendjemand wird klären lassen, ob der Fremdbesitz in Deutschland zu Recht verboten ist", sagt er. "Wir können uns dem Thema nicht durch Nichtstun und Wegsehen stellen."
  • FTD.de, 21.02.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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