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30.11.2012

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Inland
Armut in Deutschland
Regierung entschärft Armutsbericht
Aussagen über Lohnentwicklung geändert

Regierung entschärft Armutsbericht

Die Bundesregierung hat ihren Armuts- und Reichtumsbericht in einigen Passagen entschärft. Die überarbeitete Fassung vom 21. November, die auch tagesschau.de vorliegt, unterscheidet sich deutlich von einem Entwurf von Mitte September.

Die Aussage "Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt" ist in dem jüngsten Dokument nicht mehr enthalten. Auch Aussagen zur Lohnentwicklung fehlen. In der ersten Variante hatte noch gestanden, dass "die Lohnentwicklung im oberen Bereich positiv steigend war", die unteren Löhne in den vergangenen zehn Jahren aber "preisbereinigt gesunken" seien.

"Verschärfte Armutsrisiken" sind nur noch "kritisch zu sehen"

Die Einkommensspreizung habe demnach zugenommen, verletze somit "das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung" und könne "den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden". In der neuen Variante heißt es stattdessen, sinkende Reallöhne seien "Ausdruck struktureller Verbesserungen" am Arbeitsmarkt, da zwischen 2007 und 2011 im unteren Lohnbereich viele neue Vollzeitjobs entstanden seien, durch die Erwerbslose eine Arbeit bekommen hätten.

In der ersten Fassung hatte noch gestanden, dass manchen Alleinstehenden mit Vollzeitjob der Stundenlohn nicht für die Sicherung des Lebensunterhalts reiche. Jetzt heißt es nur noch, dass dies die Armutsrisiken verschärfe, sozialen Zusammenhalt schwäche und diese Entwicklung "kritisch zu sehen" sei.

Rösler: Entwurf entsprach nicht der Meinung der Regierung

Auch bestimmte Fakten tauchen in dem Bericht nicht mehr auf. Der Satz "Allerdings arbeiteten im Jahr 2010 in Deutschland knapp über vier Millionen Menschen für einen Bruttostundenlohn von unter sieben Euro." wurde gestrichen.

Der Bericht, den das Bundesarbeitsministerium alle vier Jahre erstellt, war Mitte September an die anderen Ressorts gegangen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler hatte nach Bekanntwerden der ersten Fassung gesagt, diese entspreche nicht "der Meinung der Bundesregierung".

"Verwässert, verschleiert und beschönigt"

Die Korrekturen des Arbeitsministeriums sorgten bei Opposition und Sozialverbänden für einen Sturm der Entrüstung. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte, die Bundesregierung "vertuscht und sagt den Menschen nicht, was ist. Doch wer die Realität ausblendet und ignoriert, kann keine gerechte Politik machen."

Grünen-Chef Cem Özdemir erklärte, wenn die Regierung zu solch drastischen Maßnahmen greife, zeige dies, "wie groß das Problem der sozialen Spaltung ist". Wer dermaßen willkürlich mit der sozialen Realität umgehe, müsse sich nicht wundern, dass jüngere Menschen aus ärmeren Verhältnissen "nicht an den sozialen Aufstieg durch eigene Leistung" glaubten, sagte Özdemir.

Es sei "nicht das erste Mal, dass die Regierung ihre Berichtspflicht missbraucht", kritisierte Linken-Chefin Katja Kipping im "Tagesspiegel". Dort werde oft genug "verfälscht und schön gerechnet".

Annelie Buntenbach vom Deutschen Gewerkschaftsbund kritisierte laut "Süddeutscher Zeitung", die Bundesregierung wolle "entscheidende Aussagen des Berichts verwässern, verschleiern und beschönigen".

Vorlagen verändern - ein ganz normaler Vorgang

Geldscheine mit einer Lohntüte (Foto: picture-alliance/ dpa) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Wie steht es um die Lohnentwicklung in Deutschland? Aussagen darüber fehlen in dem Bericht. ]

Die Bundesregierung wies die Vorwürfe zurück. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, der Bericht sei noch nicht fertig. In der Abstimmung zwischen mehreren Arbeitsebenen, Gutachtern und den Ressorts veränderten sich die Texte, dies sei "ein sehr normaler Vorgang". Sobald der fertige Bericht vorliege, werde erkennbar sein, dass er "ein realistisches, problembewusstes Bild über Armut und Reichtum in Deutschland zeichnet".

Es habe zwischen 2007 und 2011 zudem "einige sehr positive Entwicklungen" gegeben, etwa beim Abbau der Arbeitslosigkeit, sagte Seibert. Auch die Spreizung der Einkommen habe sich "nicht verstärkt", sagte Seibert. Der Bericht liegt zurzeit den Verbänden vor. Das Kabinett soll ihn möglichst noch in diesem Jahr billigen.

Stand: 28.11.2012 15:28 Uhr
 

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