Antideutsch
Innerhalb des linksextremistischen Spektrums hat sich mit den "Antideutschen" eine Strömung etabliert, die mit den traditionellen linken Grundüberzeugungen bricht. Ausgangspunkt der antideutschen Ideologie ist die uneingeschränkte Solidarität mit dem jüdischen Volk und dem israelischen Staat. Ihre Vertreter werfen der "deutschen Volksgemeinschaft" und der übrigen Linken vor, offen oder latent antiamerikanisch und vor allem antisemitisch zu sein. Da von den Antideutschen "der Kampf Israels in der Tradition des Aufstands im Warschauer Ghetto" und der jüdische Staat als Bollwerk gegen den "Islamfaschismus" gesehen wird, befürworten sie alle Maßnahmen bis hin zum Krieg, die den Bestand des jüdischen Staates und den Schutz seiner jüdischen Bewohner sichern sollen.
Das Erstarken der antideutschen Bewegung, zu der sich auch in Nordrhein-Westfalen zahlreiche Antifagruppen mit teilweise noch jugendlichem Mitgliederbestand bekennen, lässt sich in zeitlicher Hinsicht auf den Beginn der palästinensischen Al-Aksa-Intifada im Jahr 2000 zurückführen, bei der dazu übergegangen wurde, Selbstmordattentate im israelischen Kernland als operative Terrormittel einzusetzen. Die Antideutschen stehen in der ideologischen und teilweise personellen Kontinuität der antinationalen Linken, die in der deutschen Wiedervereinigung den Auftakt für eine neue Ära der imperialistischen und nationalistischen Machtpolitik gesehen und in Teilen bereits als Minderheit innerhalb der Linken den Golfkrieg II von 1991 begrüßt hatten. Beim Irakkrieg 2003 erkannten die Antideutschen in den US-Streitkräften und ihren Verbündeten die Anti-Hitler-Koalition des 2. Weltkrieges wieder und feierten den positiven Ausgang des Krieges als "ersten antifaschistischen Waffengang im neuen Jahrhundert". Der gegen den Krieg demonstrierenden Friedensbewegung ("Friedensmob") wurden dagegen antiamerikanische und antisemitische Ressentiments unterstellt. In ähnlicher Weise wird auch der globalisierungskritischen Bewegung und namentlich dem Netzwerk ATTAC vorgeworfen, antiamerikanische Verschwörungstheorien zu transportieren und die imperialistischen Absichten des deutschen und europäischen Kapitalismus zu übersehen.
Die Position der Antideutschen führt zwangsläufig zu Konflikten mit der Mehrheit der orthodox-kommunistischen und autonomen Linken. Deren antiimperialistische Grundeinstellung zielt in erster Linie auf die Kritik an der angeblich angestrebten amerikanischen Hegemonie ab und ist traditionell propalästinensisch ausgerichtet. Die Befürwortung eines Nationalstaates Israel sowie die Rechtfertigung von Kriegen und militärischen Interventionen laufen an sich linken Überzeugungen zuwider. Der stets kompromisslos vertretene Standpunkt und das provokante Auftreten antideutscher Aktivisten zum Beispiel mit den Nationalflaggen Israels und der USA auf linken Demonstrationen, führte bereits wiederholt dazu, dass sich linke Gruppen spalteten oder die Antideutschen aus Szenetreffpunkten ausgeschlossen wurden. Eine Reihe von überregionalen Publikationen wie 'Konkret', 'Bahamas', 'Jungle World' oder 'Phase2' transportieren die antideutsche Ideologie im linken Spektrum. Aus Nordrhein-Westfalen kommt die in Köln herausgegebene und hauptsächlich im Internet publizierte 'prodomo - zeitschrift in eigener sache'.