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Merken   Drucken   17.10.2010, 08:00 Schriftgröße: AAA

Food-Hotel Neuwied: Schlafen im Prinzenrollen-Zimmer

In Neuwied hat sich die Lebensmittelbranche ein Denkmal gesetzt: mit einem Hotel, das aussieht wie ein Supermarkt. Mit Zimmern, in denen Kekstische stehen, und einer Rezeption mit Warenband. Ein Ortsbesuch.
von Philipp Elsbrock, Neuwied
Salamipralinen mit Käseüberzug überm Bett: Prokurist Fritz ...   Salamipralinen mit Käseüberzug überm Bett: Prokurist Fritz Jambor im Zimmer der Firma Bedford Fleischwaren

Die Hölle für Vegetarier befindet sich in Zimmer 332. Rohwurst, Brühwurst, Kochwurst, Pasteten, Schweinekopf und Röllchen in Aspik - was immer seinen Weg auch in Metzgereiauslagen finden mag, die liebevoll bebilderte Wurstwaren-Enzyklopädie auf dem Schreibtisch hat ihm einen eigenen Eintrag gewidmet.

Gute-Nacht-Lektüre, schwer wie deutsche Hausmannskost. "Ist doch herrlich, oder?", fragt Fritz Jambor. Der 61-Jährige sitzt auf dem Doppelbett, über dem ein großes Fotoposter hängt: kugelrunde Salamipralinen mit leichtem Käseüberzug, verführerisch in einer Schale drapiert.

"Das ist unser neuestes Produkt", sagt Jambor, der als Prokurist beim Fleischproduzenten Bedford arbeitet. "Saltufo. Salami mit Sommertrüffeln und Parmesan." Das also muss Helge Schneider gemeint haben, als er von einem "Bonbon aus Wurst" sang.

Jambor hat Feierabend, gerade ist eine Tagung des Bundesverbands für Lebensmittelhandel zu Ende gegangen. Stattgefunden hat sie im Food-Hotel in Neuwied. Das Hotel ist seit September offen, und mit ihm hat sich die deutsche Lebensmittelbranche ein Denkmal gesetzt.

Gepolsterte Einkaufswagen in der Lobby

Ein Denkmal, das außerhalb ihrer Kreise wohl nur wenige verstehen: ein Hotel, das aussieht wie ein Supermarkt und 46 Themenzimmer besitzt wie das mit den Wurstpralinen. "Ganz normal ist langweilig", sagt Peter Grünhäuser, Direktor des Hauses, das von zwei Handelsverbänden getragen wird.

Von außen fällt zwar nur der orange Schriftzug des grauen Gebäudes ins Auge, aber bereits hinter den Schiebetüren beginnt eine leicht grotesk anmutende Welt. Die Rezeption erinnert an eine Kasse mit einem angedeuteten Warenband, zum Warten setzt man sich in umgebaute Einkaufswagen, ausgepolstert mit weißem Leder. Ein Charme wie in den Gängen der Metro.

Die Zimmer sind jeweils von einem Großen der Branche gesponsert und einer ihrer Marken gewidmet. Veltins ist dabei und Apollinaris, Ferrero und Prinzenrolle.

Im Prinzenzimmer haben die Nackenkissen die Form einer Keksrolle.   Im Prinzenzimmer haben die Nackenkissen die Form einer Keksrolle.

Die meisten der Zimmer unterscheiden sich nur durch die Poster an den Wänden und die Sitzgarnitur. Man könnte auch sagen: In jedem Raum wartet andere Werbung auf den Gast.

Ein Tisch in Keksform etwa steht im Prinzenrollen-Raum, im Raffaello-Zimmer lächelt die hübsche Blondine aus dem Fernsehspot von Strandfotos. Über dem Bett wölbt sich ein weißer Baldachin, Bücher über die Karibik liegen aus, am Fußende wächst neben zwei Korbhockern eine Gummipalme aus dem Topf. Nur die CD mit dem Meeresrauschen fehlt.

Pizza aufbacken an der Theke

Wem das zu ruhig ist, der bucht am besten das Chio-Chips-Zimmer. Sieht eigentlich ganz normal aus, aber ein Schlag auf den großen roten Knopf an der Wand, und die After-Work-Party kann losgehen: Aus unsichtbaren Boxen dröhnen Bässe, über dem Bett dreht sich die Discokugel, das Licht wird farbig, und im Badezimmer flackert ein Stroboskop. "Alles schalldicht", verspricht Grünhäuser.

Und was darf in einem Supermarkthotel nicht fehlen? Genau, ein Supermarkt. Im Keller stehen Regale mit Getränken, Schokolade und Chips; wer möchte, kann auch zu einer Tiefkühlpizza greifen - der Aufbackofen steht auf der Theke.

Die Pizza kostet 3,50 Euro, fast so günstig wie im echten Geschäft. "Das gehört zum Konzept", sagt Grünhäuser. "Wir können nicht auf Supermarkt machen und dann Mondpreise verlangen." Ein Glas Sekt ist an der Bar für 1,99 Euro zu haben, ebenso das Pils. Die Nacht im Themenzimmer kostet 89,99 Euro.

Bis ins Detail haben die Planer ihr Konzept verfolgt: Wenn sich mal ein Gast über ein wackelndes Bett beschwert - kein Problem.

Dann könnte Grünhäuser einfach zum nächsten Supermarkt fahren, den Schraubenzieher mitnehmen und das passende Ersatzteil an irgendeinem Regal abmontieren: Schränke, Doppelbetten, Tische - fast alle Elemente aus den Zimmern stammen original aus dem Supermarktbau; genau genommen sind es die gleichen Teile, die auch für die langen Warenregale benutzt werden.

Und damit hört es nicht auf: Der Fußboden besteht aus schwarzem PVC, die Decke schmückt keine edle Holzvertäfelung, sondern sie setzt sich zusammen aus viereckigen Faserplatten. "Die sogenannte Odenwald-Decke", sagt Grünhäuser, jedem Marktplaner bekannt.

Ein Pizzaofen als Sauna

Wer's etwas lauter mag: Das Chio-Chips-Zimmer in Neuwied   Wer's etwas lauter mag: Das Chio-Chips-Zimmer in Neuwied

Die sind zusammen mit anderen Branchenkennern häufig in der benachbarten Fachschule für Lebensmittelhandel zu Besuch. Dorthin kommen Auszubildende für ein Kassentraining, und Studenten büffeln für den Handelsbetriebswirt. Aber auch Marktleiter und andere Führungskräfte informieren sich dort über exotisches Obst oder Wege in die Selbstständigkeit.

Und für die brauchte es nach Ansicht der Hotelbetreiber eben eine angemessene Unterkunft in Neuwied. Es gibt einen Bedarf an Übernachtungen für Führungskräfte", sagt Geschäftsführer Thorsten Fuchs, der auch die Fachschule leitet.

Allein auf die Lebensmittelbranche will man jedoch nicht setzen. "Wir verstehen uns als Tagungshotel", sagt Grünhäuser, offen für jeden Wirtschaftszweig. Sechs Konferenzräume können die Kunden dafür wählen, mit eigenem Themenschwerpunkt und so kreativen Namen wie "Teespeicher" oder "Dosenküche". Dort steht der Redner dann auch schon mal an einer überdimensionierten Konserve.

Bei all der Arbeit soll die Entspannung nicht zu kurz kommen, für die Zukunft schwebt den Hotelplanern daher ein Wellnessbereich vor. Die Sauna soll dann als Pizzaofen gestaltet sein und das Tauchbecken als Tiefkühltruhe. Fehlt eigentlich nur noch eine Knetmaschine.

  • FTD.de, 17.10.2010
    © 2010 Financial Times Deutschland
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