Grundsätzliches
Über die Frei-religiöse
Gemeinde Offenbach
von Pfr. i. R. Helmut Manteuffel, redaktionell
und für das Internet bearbeitet von Pfr. Heinrich Keipp
Rationale religiöse Minderheit
mit demokratischem Engagement und toleranter
Geisteshaltung in Offenbach am Main
Die Frei-religiöse Gemeinde ist mit ihren rund 1600
eingeschriebenen Mitgliedern zur Zeit die größte religiöse Minderheitsgruppe
mit den Rechten einer Körperschaft in Offenbach.
Als liberale Religionsgemeinschaft umfasst sie ein
Spektrum von religiösen Humanisten über rationalistische Pantheisten
bis zu dogmenfreien Christen. Sie verzichtet auf die Erstellung allgemein
verbindlicher Lehrmeinungen, bindet die Mitglieder nicht an Heilige
Schriften, will nicht missionieren, will aber, dass die Mitglieder zu
einer eigenen tragfähigen, stets überprüften toleranten Glaubensposition
gelangen.
Die Frei-religiöse Gemeinde
Offenbach entstand als eine der ersten in Deutschland.
Ihr Gründungsdatum ist der 9. März 1845.
Die Gemeinde bildete sich in der
Mitte des 19. Jahrhunderts innerhalb des angesehenen
Bürgertums der Stadt Offenbach durch Einwohner, die im
Bereich von Bildung, Sozialbetreuung und Wirtschaftsleben
engagiert waren und sich durch ihr Interesse an
religiös-rationalistischer Reform und Engagement in
politisch-demokratischen Veränderungen auszeichneten.
Sie wollten sowohl Selbstbestimmung des Gläubigen in
Sachen der Religion als auch Selbstbestimmung des
Bürgers in Sachen der Politik; sie wollten Mitbestimmung
in den Entscheidungen der Kirche wie Mitbestimmung in der
Leitung des Staates.
Von besonderer Bedeutung waren die Offenbacher Geschäftsleute
Joseph Pirazzi und Martin Kappus (später zum Ehrenbürger der Stadt Offenbach
ernannt), der letzte ehrenamtliche Bürgermeister Johann Martin Hirschmann
und der Sprachforscher Dr. Lorenz Diefenbach. Letzterer, der der geistige
Kopf der sich bildenden Frei-religiösen Gemeinde war, wurde als Offenbacher
Ehrenbürger als einziger Vertreter der Stadt ins nationale Vorparlament
von 1848 gewählt.
Herkunft und Auftrag der
Freireligiösen
Organisatorisch entstanden die
meisten freireligiösen Gemeinden um 1845 aus denjenigen
Kreisen, die sich sowohl vom sakramentalen und
hierarchisch geprägten Katholizismus Roms als auch von
dem orthodoxen und staatsfrommen Protestantismus des 19.
Jahrhunderts loslösten. Sie erstrebten über enge
Konfessionsgrenzen hinweg eine Reform des urchristlichen
Glaubens, wurden aber bald aus den jeweiligen Kirchen
ausgestoßen.
Nach der Zerschlagung der
demokratischen, parlamentarischen Volksvertretung und der
sie fördernden freien Religionsgemeinden entfernten sich
diese recht schnell von den festgelegten Lehrinhalten des
traditionellen Christentums. 1859 schlossen sich in Gotha
"Deutsch-Katholiken" und "Freie
Protestanten" oder "Lichtfreunde" zum
"Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands"
zusammen.
Durch die Betonung der
Lebensprinzipien von Freiheit, Vernunft und Toleranz
bildeten die Freireligiösen eine traditionskritische
Anfrage an die bestehenden Kirchen.
Geistige Vorläufer der
freireligiösen Bewegung sind zu finden:
- im antiken und vorchristlichen
abendländischen Gedankengut
- in einigen Ketzerrichtungen des
Christentums
- in der deutschen Mystik und der
Religionsphilosophie des Ostens
- im linken Flügel der Reformation
- in den unitarischen und
universalistischen Weltbewegungen
- im Idealismus und in der
Aufklärungszeit
- in der Geistesbewegung zur
deutschen Revolution von 1848.
Von den Grundprinzipien der
Geistes-, Glaubens- und Gewissensfreiheit ausgehend, in
denen der Wert und die Würde des einzelnen Menschen
betont wird und aus denen sich gegenüber allen Lehren,
Ideologien und Überlieferungen eine kritische,
abwägende und vorsichtige Einstellung ergibt, haben sich
das Glaubensgut wie auch das Gemeindeleben weiter
entwickelt.
Wandel und Wesen freireligiösen
Wirkens
Das geistige, religiöse und kulturelle Leben genauso
wie die soziale, wirtschaftliche und politische Situation in Offenbach
sind heute völlig anders als zur Zeit der Gemeindegründung im 19. Jahrhundert.
Unsere Religionsgemeinde hat sich im Verlauf der Jahre so sehr gewandelt,
dass ein Kirchgänger der damaligen Zeit seine Gemeinde heute kaum wiedererkennen
und ein Gemeindemitglied der heutigen Generation sich wohl kaum in der
deutsch-katholischen Gemeinde von 1845 heimisch fühlen würde.
Die grundlegenden Glaubenshaltungen
einer dogmenfreien Religion sind jedoch geblieben, und
freireligiöse Zielsetzungen von damals haben heute noch
Gültigkeit:
- Religion ohne Hierarchie
- völlige Glaubens- und
Gewissensfreiheit
- Selbstbestimmung der Mitglieder
in allen religiösen Angelegenheiten
- Mitbestimmung in administrativen
wie kultischen Belangen der Gemeinde
- soziale Gerechtigkeit, gleiche
Rechte und Bildungsmöglichkeiten für alle Kreise der
Bevölkerung
- Respektierung der natürlichen
Quellen des Lebens
- Verbundenheit aller Menschen im
Geiste der Humanität.
Die immer komplexer werdende und
sich immer schneller wandelnde Welt hat aber sowohl die
Art der Aussage, die Arbeitsweisen, die
Organisationsbedingungen als auch die Formen des
Gemeindelebens sich ändern lassen.
Organisation und Leben der
Frei-religiösen Gemeinde zu Offenbach am Main
Die Frei-religiöse Gemeinde
Offenbach war eine der ersten, die sich in den alten
deutschen Fürstengrenzen bildete. Sie gehört heute zu
den größten noch existierenden in der Bundesrepublik
Deutschland. Sie ist Mitglied im "Bund
Freireligiöser Gemeinden Deutschlands" und über
diesen in der "Internationalen Humanistischen und
Ethischen Union" (International Humanist and Ethical
Union - IHEU), und im "Weltbund für religiöse
Freiheit" (International Association for Religious
Freedom - IARF).
Als Körperschaft des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.)
mit ihrem obersten Verfassungsorgan, der Gemeindeversammlung, hat sie
trotz ihrer vielfältigen regionalen, nationalen und internationalen
Bindungen ihre Selbstständigkeit bewahrt.
Ihr Betreuungsgebiet sind vor allem
Stadt- und Landkeis Offenbach, geht jedoch weit darüber
hinaus. Gemeindeveranstaltungen mit:
- Sonntagsfeiern, Vorträgen,
Diskussionen und Festen
- Gruppenaktivitäten der Jugend,
der Erwachsenenbildung und der Senioren
- Unterricht und Kulthandlungen wie
Taufe, Konfirmation, Trauung und Bestattung
- seelsorgerische Betreuung,
individuelle Beratung und soziale Fürsorge
- Herausgabe von
Veröffentlichungen und Öffentlichkeitsarbeit
All das entspricht im bescheidenen
Rahmen dem Angebot der christlichen Kirchen. Die
geistigen Inhalte unterscheiden sich jedoch vielfältig.
Obwohl die Gemeinde immer sehr wachsam sein muss,
dass sie als Minderheitsgruppe nicht ins Abseits gedrängt wird, kann
zumindest für den Bereich der Stadt Offenbach auf eine Situation des
Respektierens und gegenseitigen Informierens im religiösen und im gesellschaftlichen
Bereich verwiesen werden.
Das Gemeindezentrum liegt in der Stadtmitte und
umfasst in drei Gebäuden die Weihehalle, das Jugendheim und die Gemeindeverwaltung.
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