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Regelfähigkeit von Kraftwerken - Energy20.net
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Strom bei Bedarf: Konventionelle Kraftwerke müssen immer mehr Aufgaben zur Netzstabilisierung übernehmen.
Erschienen in: Energy 2.0 Oktober 2010, S. 33
Netz  |  

Regelfähigkeit von Kraftwerken

Wechselnde Netzlasten erfordern Flexibilität

Im Energiemix der Zukunft kommt es auf Flexibilität an. Wechselnde Netzlasten erfordern dann schnelle Reaktionen. Große Leistungsdynamik, ein „gutmütiges“ Teillastverhalten sowie die Fähigkeit zu schnellen Warm- und Kaltstarts werden unverzichtbare Eigenschaften für künftige Kraftwerke sein. *  Text: Lothar Balling, Erich Schmid, Dr. Ulrich Tomschi, Siemens Fotos: Siemens

Die Erzeugungslandschaft in Deutschland umfasst konventionelle Kraftwerke (Kernenergie, Kohle und Gas) und Kraftwerke mit erneuerbaren Energien (Wasser, Wind- und Solar). Unsere Energieversorgung gewinnt nur dann an Versorgungssicherheit, Kosteneffizienz und Umweltfreundlichkeit, wenn jeder Erzeuger optimiert nach seinen Fähigkeiten eingesetzt wird. Dies bedeutet aber auch, dass ein Energiekonzept sich nach den technischen Fakten und nicht nach einem gerade aktuellen politischen Kalkül zu richten hat. Wegen der Veränderung der Stromerzeugungsstruktur, beispielsweise durch den Ausbau und den gesetzlichen Vorrang für erneuerbare Energien, werden konventionelle Kraftwerke auch durch das Fehlen großer Speichersysteme mehr und mehr zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen [1]. So standen in den letzten zehn Jahren die Umstellung von Grundlast auf Mittellast und damit schnelle Lastrampen, die Absenkung von Schwachlast und Anfahrzeiten sowie der Betrieb zur Netzstabilisierung im Vordergrund. Zusätzlich wurden neue Produkte und Dienstleistungen vom Markt deutlich stärker gefordert und auch bewertet wie Bereitstellung von Regelreserven und Frequenzstützung, aber auch tertiäre Regelreserven und Lastfolgebetrieb. Aus den genannten Bedingungen haben sich deshalb neue Anforderungen wie „Zweischichtbetrieb“, Inselbetrieb, Schwarzstartfähigkeit, Frequenzstützung und sehr geringe Anfahrzeiten mit hoher Anfahr- und Betriebszuverlässigkeit ergeben, um die Dynamik im Netz zu stabilisieren und damit die Stromerzeugung sicher und gleichzeitig wirtschaftlich zu gestalten. Dass sich die Anforderungen an Lastwechseln in den nächsten Jahren, beispielsweise in Deutschland, weiter erhöhen werden, zeigt eine aktuelle Fraunhofer-Studie [2], in der dargestellt wird, dass an vielen Tagen im Jahr alleine durch nicht zuverlässige erneuerbare Energien mehr Leistung zur Verfügung steht als gebraucht wird.

Vice President GT Power Plant Solutions Europe, Africa, Asia, Australia Siemens AG, Energy Sector in Erlangen

Schnelle Leistungsänderungen

Je nach Netz und Land werden unterschiedliche dynamische Eigenschaften gefragt sein. Ein Vergleich der wesentlichen fossilen- und nuklearen Stromerzeuger in Bezug auf typische Gradienten ergibt folgenden Sachverhalt [4]:

  • • Alle konventionelle Kraftwerkstypen – auch Kernkraftwerke – eignen sich gleichermaßen für den Lastfolgebetrieb und werden auch heute bereits dafür eingesetzt. Gas-und-Dampf-Anlagen (GuD) erlauben etwas höhere Laständerungsgeschwindigkeiten (je nach Hersteller und Konfiguration) in einem weiteren Leistungsbereich. • Alle Kraftwerkstypen eignen sich für die Netzstabilisierung – GuD-Anlagen jedoch durch innovative und spezifisch entwickelte Systeme [3] mit deutlich höherer Laständerungsgeschwindigkeit. • Die Minimallast liegt bei allen Kraftwerkstypen zwischen 15 und 30 Prozent, Nuklear eher bei 50Prozent. • Lastabwurf auf Eigenbedarf oder Inselbetrieb ist erforderlich, wenn die Netze aufgrund von Störungen partiell oder komplett abgeschaltet werden. Moderne GuD-Anlagen beherrschen diesen Fall typischerweise durch Weiterbetrieb der Gasturbine bei Eigenbedarfsleistung ohne Betrieb der Dampfturbine. Dadurch können auch die Hilfsanlagen im Betrieb gehalten werden und stehen für den Netzaufbau sofort wieder zur Verfügung. Auch Kernkraftwerke, speziell DKW-Anlagen (Druckwasserreaktoren) können die Eigenbedarfsleistung über den DT-Generator (Dampfturbine) nach Lastabwurf sicherstellen, brauchen dann aber wieder deutlich länger zum Hochfahren. • Beim Anlagenwirkungsgrad haben GuD-Anlagen wesentliche Vorteile gegenüber DKW-Anlagen. • CCS-Anlagen (Carbon Dioxide Capture and Storage) könnten CO
  • 2
  • -Emissionen auch bei Kohlekraftwerken und GuD-Anlagen auf weniger als 100g/kWh reduzieren, wobei allerdings ein wesentlicher Vorteil – ihre Flexibilität – verlorenginge. Voraussetzung ist aber die Serienreife solcher Anlagen sowie eine Lösung des CO
  • 2
  • -Lagerproblems. Eine solche Lösung steht jedoch derzeit nicht großtechnisch zur Verfügung.

Kernkraftwerke und kohlebefeuerte Kraftwerke sind also heute prinzipiell auch für Lastfolgebetrieb und Frequenzstützung gut geeignet. GuD-Anlagen haben allerdings mit Blick auf Laständerungsgeschwindigkeiten und Emissionen nochmals deutliche Vorteile, speziell gegenüber kohlebefeuerten Anlagen.

Von null auf hundert in 30 Minuten

Wenn in den Netzen künftig den „Erneuerbaren“ Priorität eingeräumt wird, dann müssen in wind- und sonnenstarken Zeiten die bisherigen Grundlastkraftwerke nicht nur auf Teillast gefahren, sondern häufig auch komplett abgeschaltet werden, um nicht wesentliche Überkapazitäten und damit Netzinstabilitäten zu erzeugen. Fallen dann Wind und Sonne wieder kurzfristig aus, müssen diese Anlagen aus dem Stillstand sehr schnell angefahren werden. Ohne ausreichende Speichersysteme bedeutet dies die erweiterte Nutzung konventioneller Anlagen in einem sogenannten Zweischichtbetrieb, also das (teilweise mehrfache) tägliche An- und Abfahren. Auch hier sind die konventionellen Kraftwerke sehr differenziert zu bewerten:

  • • Heißstarts: Unter Netzbedingungen wie für 2020 prognostiziert müssen konventionelle Kraftwerke wöchentlich oder sogar täglich mehrfach an- und abgefahren werden um die Lastschwankungen auszugleichen. Heißstarts müssen also sehr schnell ablaufen können. GuD-Anlagen erreichen heute bereits Anfahrzeiten von 30 Minuten. • Warmstarts sind meist dann erforderlich, wenn eine solche Anlage in der Größenordnung von weniger als zwei Tagen stehen muss und dann bei kurzfristigem Ausfall von Wind- oder Solar-Energie und zugleich hohem Strom-Bedarf wieder schnell die Leistungslücke schließen muss. • Kaltstarts sind erforderlich, wenn die Warmhaltung unwirtschaftlich wäre. Nach einem solchen Stillstand können die Anfahrzeiten bei Nuklearanlagen durch die erforderlichen Reaktorschutzfahrten mehrere Tage betragen. GuD-Anlagen können innerhalb von wenigen Stunden wieder mit voller Leistung am Netz sein. • Bei der Startzuverlässigkeit zeigen GuD-Anlagen aufgrund der geringsten Komplexität gegenüber anderen konventionellen Energieerzeugern deutliche Vorteile.

Fazit

Kernkraftwerke und Kohlekraftwerke haben sowohl im kalten als auch im warmen und heißen Zustand deutlich höhere Anfahrzeiten als moderne GuD-Anlagen, die sich darüber hinaus durch sehr zuverlässige Anfahrvorgänge und damit eine sichere Bereitstellung ausreichender Kapazität auszeichnen. GuD-Anlagen weisen für An- und Abfahrvorgänge die geringsten Kosten (Brennstoffverbrauch) aller Kraftwerkstypen auf und die geringsten CO 2 -Emissionen während des Anfahrprozesses und beim Volllastbetrieb aller fossilen Stromerzeuger.☐

Weitere Informationen

  • [1] Charlotte Loreck: Atomausstieg und Versorgungssicherheit, UBA, März 2008, S.4 [2] DUH: Hintergrund zur Pressekonferenz vom 05. August 2010, S.7 u 10 [3] Lothar Balling et al.: Fast Cycling and Grid Support Capability of Combined Cycle. Power Plants to optimize the Integration of Renewable Generation into the European Grid: Live examples from projects in NL, F, UK, D, Power-Gen Europe, Amsterdam. Juni 2010 [4] Lothar Balling, Erich Schmid, Ulrich Tomschi: Flexiblen Kraftwerken gehört die Zukunft, Energy 2.0 Kompendium 2011 (in Druck)

• more@click-Code: E21010652

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