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"Menschen bei Maischberger", ARD: Sozialstaat unter Druck | TV-Kritik - Frankfurter Rundschau
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18. Februar 2016

"Menschen bei Maischberger", ARD: Sozialstaat unter Druck

 Von Andreas Ilsmann
Sandra Maischberger.  Foto: imago/Sven Simon

Sandra Maischberger versuchte mit ihren Gästen über die ökonomischen Aspekte der Flüchtlingsfrage zu diskutieren. Heraus kamen viele Zahlen, wenig Klarheit und ein schwäbischer Unternehmer mit scheinbar einfachen Lösungen für schwierige Probleme.

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"Sozialstaat unter Druck: Kosten uns die Flüchtlinge zu viel?" war das Thema der aktuellen Ausgabe von "Maischberger". Über wirtschaftliche Kosten und Nutzen der Flüchtlinge für Deutschland diskutierten diese Gäste:

-Wolfgang Grupp - Textilunternehmer aus Burladingen, würde gern Flüchtlinge einstellen, hat aber Probleme mit der Bürokratie.

-Wirtschaftsjournalist Roland Tichy, glaubt, dass sich Deutschland mit den Flüchtlingen viel Armut ins Land geholt hat.

-Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen (skeptisch) und Marcel Fratzscher (optimistisch).

-Verdi-Gewerkschafterin und SPD-Politikerin Leni Breymaier, sieht Flüchtlingsbetreuung als Job-Motor.

-"Tafel"-Leiterin Edeltraud Sack aus Gifhorn, hat täglich mit Flüchtlingen zu tun und erlebt Konflikte bei der Lebensmittel-Ausgabe.

-"Vorzeige-Flüchtling" Alireza Faghihzadeh aus dem Iran, hat schnell Deutsch gelernt, absolviert eine Ausbildung bei Siemens und könnte trotzdem jederzeit abgeschoben werden.

Roland Tichy überzeugte mit seiner ruhigen und sachlichen Argumentation und stieg mit einer wichtigen Feststellung in die Diskussion ein. Für die Flüchtlinge sei das Sozialstaatsprinzip in Deutschland umgekehrt worden: Viele von ihnen bekämen erst jahrelang Unterstützung, um später eventuell als Arbeitnehmer in die Sozialkassen einzuzahlen. Die beiden Wirtschaftsprofessoren Fratzscher und Raffelhüschen legten sich im Laufe der Sendung auf eine Quote von 50 bis 66 Prozent der Flüchtlinge fest, die es innerhalb der nächsten sechs bis sieben Jahre in Arbeit schaffen könnten und so von Sozialhilfeempfängern zu Steuer- und Beitragszahlern werden würden. Es folgten noch viele weitere Zahlen von den beiden Experten, die aber dem Zuschauer nur wenig Klarheit brachten.

Die Gewerkschafterin und SPD-Funktionärin Leni Breymaier fiel immer wieder dadurch auf, dass sie statt konkret über die wirtschaftlichen Aspekte der Flüchtlingsfrage zu sprechen, lieber allgemeinpolitisch diskutieren und Probleme relativieren wollte. Einen Mangel an günstigen Wohnungen und wenig Jobs für gering Qualifizierte habe es auch ohne Flüchtlinge schon gegeben. Dass sich diese Schwierigkeiten mit einer Millionen Flüchtlingen pro Jahr verschärfen werden, darauf wollte sie nicht eingehen.

Von solchen Schwierigkeiten konnte die Leiterin der Gifhorner Tafel Edeltraud Sack berichten. Viele Flüchtlinge kämen mit einer recht hohen Anspruchshaltung zu den ehrenamtlichen Helfern. Es sei außerdem zu Konflikten mit den angestammten Kunden der Tafel gekommen, die teilweise Angst hatten oder sich zurückgesetzt fühlten. Deshalb werden Flüchtlinge in Gifhorn jetzt nur mittwochs versorgt, um solchen Konflikten vorzubeugen.

Nach einer guten halben Stunde stieg dann Trigema-Chef Wolfgang Grupp, bekannt aus seiner Fernsehwerbung mit dem Schimpansen, in die Debatte ein. Er argumentierte wie immer bei seinen TV-Auftritten mit der schlichten Logik dessen, dem der Laden gehört, für seine wirtschaftliche Nische : Als einziger Unternehmer produziert er noch Textilien in Deutschland. Dafür brauche er nicht hochqualifizierte sondern willige Arbeitskräfte. Die funktionieren und brav ihre Akkordarbeit erledigen, wollte man da als Zuschauer ergänzen. Einen Pakistani und mehrere Syrer hat Herr Grupp inzwischen eingestellt.

Beeindruckend schilderte Alireza Faghihzadeh, der aus dem Iran nach Deutschland gekommen ist, seinen Alltag in der Bundesrepublik. Er hat ohne staatliche Hilfe in kurzer Zeit Deutsch gelernt, ein Praktikum absolviert und lernt jetzt bei Siemens den Beruf des Elektronikers. Sein Status ist auch nach mehreren Jahren immer noch ungeklärt. Er kann jederzeit abgeschoben werden. Was für ein Irrsinn!

Roland Tichy betonte anschließend, dass für Menschen wie Alireza Faghihzadeh Deutschland endlich ein Einwanderungsgesetz brauche. Eine Differenzierung zwischen politischen Flüchtlingen und Einwanderern aus wirtschaftlichen Gründen sei dringend nötig. Dafür bekam er Zustimmung von den anderen Talkgästen und hoffentlich bald entsprechende Entscheidungen im Bundestag und in der Bundesregierung.

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