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Max Beckmann in Berlin: Er wäre gerne ein Berliner gewesen | Kunst - Frankfurter Rundschau
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Kunst

21. November 2015

Max Beckmann in Berlin: Er wäre gerne ein Berliner gewesen

 Von 
Doppelbildnis Max Beckmann und Minna Beckmann-Tube, 1909.  Foto: Stiftung Moritzburg – Kunstmuseum / VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Eine eindrucksvolle Ausstellung im Landesmuseum Berlinische Galerie beschäftigt sich mit Max Beckmanns unglückseliger Beziehung zur Hauptstadt.

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Zweimal hat der geniale Max Beckmann es voller Hoffnung und Illusionen versucht mit dem magnetischen Berlin, seiner „Stadt der Moderne“. Hier fand er, was er gesucht hatte, „etwas Rauschendes Üppiges wie Seide, die man auseinanderblättert und wildes grausames prachtvolles Leben ... .“ Das war ganz am Anfang und noch einmal fast am Ende seiner ehrgeizig geplanten Karriere, bevor er, der „Entartete“ und Verfemte, aus dem nationalsozialistischen Deutschland floh, erst nach Amsterdam, später nach New York, Stadt seines frühen Todes.

Aber zweimal hat das Berlin von damals Beckmanns tiefenanalytische Leidenschaft für die pulsierende, konfliktreiche Metropole und seine künstlerische Größe nicht erkannt.

Der junge Leipziger, der in Weimar studiert hatte, kam 1904 nach Berlin, mietete Ateliers erst in Schöneberg, dann in Hermsdorf. Er fand hier zu seinem außergewöhnlich figurenstarken, tiefschichtigen, fast sakralen Stil, der andere, verborgene Welten durchscheinen lässt. Und er hatte das Ziel, von Berlin aus auch die Kunstzentren Paris und New York zu gewinnen. Im Nu geriet er ins Spannungsfeld der Berliner Secessionen, mischte kräftig mit und gewann mit seinem zunächst noch vom Impressionismus und Symbolismus beeinflussten Großgemälde „Junge Männer am Meer“ sogleich den Villa-Romana-Preis.

Max Liebermann und dessen Kunstgefährten waren fortan von Beckmanns Malweise begeistert, nicht aber mächtige Zeitungskritiker, von denen die einen noch der Salonkunst anhingen und andere dem aufkommenden Expressionismus huldigten. „Pervers hässlich“ oder „groteske Fleischwühlerei“ hieß es über die Badenden. Und drei Jahre später verriss Julius Elias gallig Beckmanns lustvoll-existenzialistisches Gemälde „Sintflut“ von 1908 als „blutrüstige Phantasie ...“.

„Beckmann ist das neue Berlin“

Obwohl zumindest der Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe damals enthusiastisch schrieb: „Beckmann ist das neue Berlin“, fühlte sich der Betroffene nicht anerkannt und zweitrangig behandelt hinter der „Flächenkunst“ (O-Ton-Beckmann) der expressiven Maler der Brücke oder des „Blauen Reiters“. Es kam gar zu einer öffentlichen Kontroverse mit Franz Marc.

Und wenngleich Beckmann zum jüngsten Mitglied im Vorstand der Berliner Secession gewählt wurde und in der Stadt gleich drei ihm überaus geneigte Galeristen hatte, machten ihm die Secessions-Kämpfe und die Angriffe auf seine eigene Malerei mürbe. „Alle sind geteilt zwischen Begeisterung und Zorn“, schrieb er verbittert an seine erste Frau Minna. Als der Erste Weltkrieg begann, meldete er sich als Sanitäter. Aber dieser Exkurs brachte ihm einen veritablen Nervenzusammenbruch ein; vom Militär entlassen, übersiedelte er nach Frankfurt, lehrte später an der Städel-Schule. Wie sehr er indes mit Leib und Seele an Berlin hing, belegen das von der Nationalgalerie 1928 angekaufte, einer Vivisektion gleichkommende „Selbst mit Smoking“ und der bereits im Kistenstil (vertikal dicht gedrängte Figuren) gemalte „Leiermann“ aus dem Jahr 1935.

Später hat Beckmann die Berliner Zeit einmal „meine Lehrjahre“ genannt. Diesen Stationen widmet sich nun – zum ersten Mal in der internationalen Beckmann-Rezeption überhaupt – die Berlinische Galerie. Elf Beckmann-Werke gehören dem Haus. Vierzig weitere Bilder und Grafikzyklen wurden aus deutschen und internationalen Museen und Privatsammlungen geliehen – dazu Bilder von Beckmanns Gefährten wie Max Liebermann und Edvard Munch sowie Rivalen wie Ernst Ludwig Kirchner und Franz Marc.

Kuratorin Stefanie Heckmann gelang es, Schlüsselwerke zu versammeln, die gewissermaßen Beckmanns besonderes Berlin-Verhältnis beleuchten. Bis heute nämlich wird dieser Künstler im Ausland als ein „typisch Berliner Maler“ gesehen. Was er auf die Leinwand setzte, zeichnete oder radierte – seien es die arrogant-sarkastischen Selbstinszenierungen, die Frauenporträts, die melancholischen Stadtlandschaften und Straßenszenen, die unheimlichen Mythen des Nachtlebens oder die krisenhaften Paraphrasen des Zeitgeschehens – belegt sein Lebensthema: das Pathos und die Nervenstränge der Metropole zwischen Kaiserreich, Erstem Weltkrieg, Weimarer Republik und der Katastrophe durch Naziherrschaft und Zweiten Weltkrieg.

Mit Politik habe er nichts zu tun, wehrte Beckmann so manche Interpretation ab, gerade die seiner metaphorischen Ikonen wie „Der Leiermann“ oder der in Berlin nicht ausgestellten Triptychen – die dürfen aus New York und München nicht mehr reisen.

Es ist eine sehr besondere, eine starke Ausstellung, die uns Beckmann, dessen Liebe für, dessen Enttäuschung von Berlin tief in unsere Sinne dringen lässt. Wir sehen, wie er die Gemengelage vor 1914, das große, auch bizarre, nervöse, brutale „Menschenorchester“ der Großstadt fasst, von hier aus zu Weltruhm kommt – doch ein zutiefst Isolierter wurde. Beckmann wollte „die Idealität, die sich hinter der scheinbaren Realität befindet“. Er suchte aus der Gegenwart die Brücke zum Unsichtbaren, wollte die Magie der Realität erfassen und diese Realität in Malerei übersetzen. Für ihn war dies das eigentliche Mysterium des Daseins.

Landesmuseum Berlinische Galerie: bis 15. Februar. Der Katalog (Kerber) kostet im Museum 34,80 Euro. www.berlinischegalerie.de

[ Die Entwicklung Frankfurts zum Nachlesen - in fünf Heften. Unsere Sonderreihe FR-Geschichte. ]

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