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Amtsgericht Frankfurt: Bewährungsstrafe für „Antänzer“ | Gericht - Frankfurter Rundschau
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Gericht
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29. Februar 2016

Amtsgericht Frankfurt: Bewährungsstrafe für „Antänzer“

 Von 
Schauplatz der Verhandlung: das Amtsgericht Frankfurt.  Foto: Andreas Arnold

Mohammed H. wird zur Last gelegt, einen 21-Jährigen angetanzt und um 70 Euro erleichtert zu haben. Im Amtsgericht liest die Richterin dem geständigen Täter die Leviten: „Leute wie Sie schüren Vorurteile“.

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Mohammed H. wird Antanzen zur Last gelegt. Laut Anklage hat der 24 Jahre alte Algerier am frühen Morgen des 19. September 2015 in der Allerheiligenstraße den 21 Jahre alten Niko A. angetanzt und um 70 Euro erleichtert. Auf seiner Flucht trat er Niko A. vor die Brust. H. wurde festgenommen, 60 Euro wurden A. retour gegeben, der materielle Schaden beträgt zehn Euro.

Der ideelle ist weit höher. Niko A. tut der Tritt immer noch weh, wenn auch „mehr innendrin“, vor allem, wenn „ich mir die Nase putze“. Er sei zum Tatzeitpunt tüchtig besoffen gewesen, gibt Niko A. zu (2,1 Promille), und habe gar nicht gemerkt, dass der Fremde, der ihn penetrant angetanzt habe, sein Geld geklaut habe. Das hätten die beiden 24 und 25 Jahre alten Frauen bemerkt, mit denen er an diesem Abend unterwegs war.

Und die Frauen seien es auch gewesen, berichtet A., die den flüchtigen Antänzer etwa eine Stunde durch das nächtliche Frankfurt gejagt und ihn schließlich hinter einer Mülltonne kauernd gestellt hätten. Dort sei diesem nach dem Tritt erneut die Flucht gelungen, aber die beiden Frauen hätten erneut die Verfolgung aufgenommen, die Polizei angerufen und Mohammed H. schließlich in die Enge getrieben.

Mohammed H. gibt die Tat bis auf den Tritt zu und entschuldigt sich vielmals, es solle nicht wieder vorkommen. Er sei erst seit acht Tagen in Deutschland gewesen, wo er Asyl beantragt habe, weil er in Spanien seinen Job als Zeitungsausträger verloren habe. Er sei an diesem Tag „von irgendwelchen Jungs“ zu Wein, Bier und Haschisch eingeladen worden und habe erstmals in seinem Leben alles auf einmal genossen. Was zu einem Zustand geführt habe, den sein Verteidiger einen „Moment der Entpersönlichung“ nennt. Darum habe er auch beim Haftrichter beteuert, er sei unschuldig, denn er habe das Gefühl gehabt, ein ganz anderer Mensch habe die Freveltat begangen.

Jedenfalls sei er durch die Allerheiligenstraße spaziert, als plötzlich Niko A. dahergekommen sei und ihn aggressiv mit dem Geld angewedelt habe. Da habe er, durch die Drogen von Sinnen, sich die Scheine geschnappt und sei gerannt. Auf der Flucht habe er das Geld verloren. Als die zwei Frauen ihn geschnappt und der wütende Niko A. sein Geld gefordert habe, habe er diesem gesagt: „Ich bitte um Verzeihung. Ich habe Ihr Geld verloren. Wir können zusammen suchen, dann kann ich Ihnen Ihr Geld zurückgeben, und Sie gehen Ihren Weg und ich den meinen.“ Was an ein Pfingstwunder grenzt, denn H. spricht lediglich Arabisch, A. lediglich Saarländisch. Dann habe ihn A. gewürgt, er habe ihn lediglich „mit den Beinen weggestoßen“. Die Zeugen stützen eher A.s Version.

Sein letztes Wort nutzt Mohammed H., um sich zu beschweren. Seit der Tat sitze er in U-Haft, dabei sei in seinem Falle doch höchstens „eine Geldstrafe angemessen“. Er habe sich im Gefängnis „ein Augenleiden“ zugezogen, zudem sei er besonders haftempfindlich, da er der deutschen Sprache nicht mächtig sei. Das Amtsgericht verurteilt Mohammed H. zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten. Der Haftbefehl wird aufgehoben, H. kann gehen. Wohin auch immer, denn gemeldet ist er nirgendwo.

Dann liest ihm die Richterin noch die Leviten. „Leute wie Sie schüren Vorurteile“, sagt die Richterin. „Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, verhalten sich nicht so.“ Sie habe schon etliche Antänzer abgeurteilt, sagt die Richterin, aber „einen echten Asylbewerber hatte ich hier noch nie sitzen“. Stattdessen die immergleichen Tagediebe, die hier angeblich Arbeit suchten und dann doch antanzend durch die Lande zögen, weil ihnen das karge Taschengeld hinten und vorne nicht reiche. „Den Syrern reicht’s doch auch!“

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