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Formel 1 Melbourne: Der Feind im eigenen Stall | Motorsport - Frankfurter Rundschau
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Motorsport
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17. März 2016

Formel 1 Melbourne: Der Feind im eigenen Stall

 Von 
Nico Rosberg nimmt eine Kurve in Barcelona.  Foto: REUTERS

Der Kreisverkehr startet in Melbourne in die neue Saison. Es drohen Langeweile an der Spitze, Zickenkrieg bei Mercedes und Verwirrung ob des neuen Regelwerks - Probleme, von denen die meisten hausgemacht sind.

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Am Wochenende geht es wieder rund. Die Formel 1 beginnt ihre Erdumrundung fast schon traditionell in Melbourne beim Großen Preis von Australien. Das von Chefvermarkter Bernie Ecclestone und vielen hundert Pferdestärken angetriebene Karussell hatte zuletzt einigen Sand im Getriebe. Bei den Fernsehsendern gingen die Quoten zum Teil dramatisch zurück und niemand aus dem inneren Zirkel der dröhnenden Road-Show würde behaupten, dass die Fans die Kassenhäuschen an den 21 Strecken nur so stürmen.

21 Rennen sind Rekord in der Formel-1-Geschichte, darüber freuen sich eigentlich nur die Fahrer. Für das in den Garagen und Fabriken werktätige Proletariat, das im Gegensatz zu den Millionarios hinter dem Steuerbügel in der Holzklasse statt First Class um den Globus düst, wird die Saison 2016 zur Schwerstarbeit. Unfreiwillig Schweiß vergießen werden auch die leitenden Angestellten einiger Teams, die manchmal vergeblich gegen die drohende Pleite Vollgas geben. Als Wackelkandidat Nummer eins gilt die schweizerische Schrauberwerkstatt von Peter Sauber. Dessen Teamchefin Monisha Kaltenborn kann daher der Aufblähung nicht sehr viel Positives abgewinnen: „Wir dürfen den Markt nicht übersättigen. Wir beklagen uns jetzt schon, dass die Zuschauerzahlen zurückgehen. Glaubt man, dass man mit 21 Rennen mehr kriegt? Oder ist es dann zu viel Formel 1? Das sind Fragen, die man berücksichtigen muss.“ Unmittelbar vor Inbetriebnahme der roten Ampeln im Albert Park hat der Technische Direktor von Sauber, Mark Smith, „aus familiären Gründen“ die Flucht in seine britische Heimat angetreten.

Mallya auf der Flucht

Eine noch viel prickelndere, wahrlich viel schillerndere Flüchtlingskrise muss das Team Force India überstehen. Der indische Ex-Milliardär Vijay Mallya ist untergetaucht. Der Mann, der gerne große Sonnenbrillen trägt, der sich ein Konglomerat aus Bierbrauereien, Whiskey-Destillen, einer Fluggesellschaft und eben jenem Rennstall mit dem patriotischen Namen zusammengekauft hatte, hat in seiner Heimat nicht nur ein ökonomisches Trümmerfeld, sondern auch angeblich Schulden in Höhe von einer Milliarde Dollar hinterlassen. Mallya, der laut „Forbes“ nur noch über ein Vermögen von 750 Millionen Dollar verfügt, hat sich vor der indischen Justiz ins mondäne Anwesen nahe London abgesetzt. Da es in der Formel 1  kein Insolvenzgeld gibt, sollte der deutsche Pilot von Force India, Nico Hülkenberg schon mal an einen Riester-Sparplan denken.

Großer Preis in Baku

In entgegengesetzte Richtung setzt der mittlerweile 85-jährige Pate des Asphalt-Zirkus‘ Bernie Ecclestone die Flucht der Formel- 1 aus dem ehemaligen Kernland Europa weiter fort. Dabei erfüllt sich der Brite immer wieder gerne den Wunsch, rechtsstaatliche und demokratische Gepflogenheiten auf der asiatisch-pazifischen sowie der nahöstlichen Route zu umkurven.

Die Drei vom Podium: Weltmeister Lewis Hamilton (mi.), Zweitplatzierter Nico Rosberg (li.) und Drittplatzierter Sebastian Vettel (re.).  Foto: dpa

Ecclestone lädt gerne zum Boxenstopp in Staaten ein, in denen Scheichs, Viertel-Demokraten und Despoten für Ruhe sorgen und Leute, die unangenehme Fragen stellen, draußen vor den Streckentoren bleiben müssen. Fündig geworden ist der Direktor in Baku in Aserbaidschan. Es steckt ganz sicher eine bitter-böse Ironie dahinter, dass ausgerechnet der Grand Prix auf asiatischem Boden den Namen Großer Preis von Europa trägt. 1995 gab es in der alten Motorsportwelt bei 17 Saisonrennen noch 11 europäische Gastgeber, 2016 sind es bei 21 Rennen nur noch acht. An Bewerbern gibt es offensichtlich keinen Mangel. Denn obwohl über den einst brandneu errichteten Kursen in Istanbul, in Südkorea und in Neu-Delhi schon wieder das Steppengras wuchert, reihen sich immer wieder neue Bittsteller in die Schlange vor dem unverwüstlichen Formel-1-Mogul ein.

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Tatsächlich soll es 2016 aber auch wieder echten Motorsport geben. Neben der Frage, ob Sebastian Vettel endlich die von den überlegenen Mercedes verursachte Langeweile brechen kann, erregt der neue Qualifikationsmodus die Gemüter. Die Regelhüter, Ecclestone wurde da einfach überrollt, wollten das ermüdende Taktieren der großen und schnellen Teams einschränken. Herausgekommen ist ein zunächst etwas verwirrender Modus: Ab Samstag scheidet in allen drei Qualifikationsrunden nach einer bestimmten Zeit alle 90 Sekunden der jeweils langsamste Fahrer sofort aus. Die Zuschauer sollen dadurch die Piloten länger auf der Strecke erleben dürfen. „Das war es nicht, was ich wollte“, schimpfte Ecclestone. Der Chefvermarkter hatte ein System mit Zeitstrafen vorgezogen. „Ich habe das Format in den vergangenen Jahren gemocht, deshalb ergibt es für mich derzeit keinen Sinn“, sagt Weltmeister Lewis Hamilton. „Vielleicht werden wir aber positiv überrascht.“ Vettel ist da viel skeptischer. „Jeder Fan, der auf der Tribüne sitzt und vorm Fernseher, sieht seinen Fahrer. Mal öfter, mal weniger. Mit dem neuen Format wird das alles nicht besser, im Gegenteil“, kritisierte er.

Hamilton ist heiß

Bedeutend wichtiger für die Motorsportenthusiasten ist das, was sonntags auf der Strecke passiert. In den vergangenen zwei Jahren hat Mercedes die Rennen derart dominiert, dass viele Fans den Fernseher zwar zum Start eingeschaltet haben, aber nicht einmal bei Rennende wieder reinschauten. Für die meiste Unterhaltung sorgte der Zoff zwischen den Ex-Freunden und aktuellen Teamkollegen Lewis Hamilton und Nico Rosberg. Der gebürtige Wiesbadener geriet dabei, mit Ausnahme der letzten drei Rennen, regelmäßig unter die Breitreifen des Briten. Hamilton holte sich mit großem fahrerischen Können und noch größerem Selbstbewusstsein die WM-Titel zwei und drei. Und der Glamourboy ist heiß darauf, in diesem Jahr mit Vettel gleich zu ziehen. Der vierfache Champion hat 2015 mit gleich drei Siegen im Auto seines neuen Dienstherren Ferrari aufhorchen lassen. Für mehr als die Mercedes ein wenig zu ärgern, hat es aber nicht gereicht. Das soll diesmal anders werden. Bei den Tests hat der Heppenheimer mit einigen Bestzeiten die ohnehin hohen Erwartungen der Ferraristi noch geschürt. Sergio Marcchione, der Präsident der Roten, fordert denn auch von seinem Primus nichts anderes als den Titel. Vettel tritt da noch ein bisschen auf die Euphoriebremse. „Wenn man im Jahr zuvor Zweiter wird in der Konstrukteurwertung, will man den entscheidenden Schritt machen“, sagt der Hesse und verteilt die Last mit dem dezenten Hinweis auf die Teamleistung nicht ungeschickt auf mehrere Schultern.

Allerdings gilt nur der frühere „Rote Bulle“ gilt als ernsthafter Herausforderer der Sternfahrer. Die Tests haben den 28-Jährigen und seinen Rennstall zuversichtlich gestimmt, die Kluft zu Hamilton und Rosberg weiter geschlossen zu haben. „Mein Ziel ist es, Weltmeister zu werden und Rennen zu gewinnen. Alles andere ist für mich nicht gut genug“, erklärt Vettel, lässt aber offen, wann er das große Ziel erreichen will.

Mercedes nimmt die Kampfansagen ernst. „Wir wissen, dass wir nicht jedes Rennen und jede Weltmeisterschaft gewinnen können. Aber wir wollen eine großartige Show abliefern. Wir erwarten in diesem Jahr härtere Konkurrenz als jemals zuvor. Ferrari scheint zuversichtlich zu sein und es werden wahrscheinlich noch andere Teams mitmischen“, sagt der Teamchef Toto Wolff.

Die Stuttgarter haben bei den Testfahrten in Barcelona mehr Wert auf lange Distanzen und damit auf Zuverlässigkeit gelegt, dennoch gerät der dreifache Champion Hamilton geradezu ins Schwärmen: „Die Testfahrten waren absolut unglaublich – soweit ich mich erinnern kann, waren es die besten in meiner Karriere. Das Auto fühlt sich noch besser an als das letztjährige – sowohl mit Blick auf die Performance als auch auf die Zuverlässigkeit.“

Geht es nach Sebastian Vettel, ist das der Blickwinkel, aus dem ihn die anderen Formel 1 Fahrer in der anstehenden Saison sehen sollen.  Foto: REUTERS

Der „Feind“ in seinem Stall, der auch gegen das ihm verpasste Image, in entscheidenden Situationen zu weich zu sein, pflichtet ihm bei: „Ich denke, es sieht erneut nach einem guten Jahr für uns aus. Es ist richtig beeindruckend, wie das Team weiter pusht und sich ständig verbessern möchte.“ Rosberg will aus Übersee „mit einigen Siegen zurückkehren.“ Eine Stallregie wird es wie bisher nicht geben. Im Gegenteil: der noble Rennstall hat die Benimm-Regeln noch ein wenig gelockert. Star-Wars geht also in die nächste Runde: „Man wird sie wohl kaum herum schmusen sehen“, hat Wolff mit einem Augenzwinkern das komplizierte Verhältnis seiner beiden Hauptdarsteller beschrieben.

Wehrlein beeindruckt

Große Entwicklungsschritte, so der Österreicher, habe Mercedes aufgrund der im wesentlichen stabil bleibenden technischen Regeln nicht machen können. Möglicherweise mehr Einfluss auf das Renngeschehen hat das weitgehende Verbot, die Fahrer per Funk zu unterstützen. Die Ingenieure dürfen während des Rennens keine Anweisungen oder Erinnerungen mehr geben, die Einfluss auf die Performance haben könnten. Dadurch müssen sich die Piloten viel mehr merken. Selbst ein Strategiewechsel während des Rennens darf den Fahrern nicht mitgeteilt werden.

Neu im Haifischbecken Formel 1 bewähren müssen sich der US-amerikanische Rennstall Haas F1 und Debütant Pascal Wehrlein. Der DTM-Champion ist mit einem Cockpit im Manor belohnt worden, der von einem Mercedes-Motor angetrieben wird. Dem smarten 21-Jährigen trauen viele zu, sich eines Tages bis hinter das Lenkrad eines „richtigen“ Mercedes vorzukämpfen. Das immer wieder an der Pleite vorbeigeschrammte Team hat jedenfalls bei den Tests eine überraschend viel versprechende Leistung gezeigt. Am frühen Sonntagmorgen heißt es für alle, die Karten auf den Tisch zu legen. (mit sid/dpa)

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