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„Luther“, ZDFneo: Im Windschatten des Mörders | TV-Kritik - Frankfurter Rundschau
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01. Juli 2016

„Luther“, ZDFneo: Im Windschatten des Mörders

 Von 
DCI John Luther (Idris Elba) kämpft allein auf weiter Flur für Gerechtigkeit und gegen das Böse.  Foto: ZDF und Steffan Hill

Die preisgekrönte britische Krimiserie „Luther“ geht als Zweiteiler in die Verlängerung. Wie gewohnt beherrscht Hauptdarsteller Idris Elba den Bildschirm. Doch es gibt Schwächen.

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Lange Zeit will John Luther (Idris Elba) es nicht wahrhaben. Und der Zuschauer ebensowenig. Alice Morgan (Ruth Wilson) soll tot sein. Der belgischen Polizei zufolge trieb sie nach einem Verkehrsunfall in der Schelde. Ertrunken, ohne erkennbare Anzeichen von Fremdeinwirkung. Luther zweifelt mit gutem Grund, denn Alice Morgan ist – oder war? – eine hochintelligente Soziopathin. Es wäre ihr ein Leichtes, überzeugend den eigenen Tod vorzutäuschen. Und sie ist skrupellos genug, zu diesem Zweck das Leben anderer einzusetzen.

Alice Morgan gehört von Anbeginn zu den wiederkehrenden Figuren der britischen Krimiserie „Luther“. In der ersten Folge hatte Detective Chief Inspector John Luther sie als Mörderin ihrer Eltern ausgemacht, konnte ihr die Tat aber nie nachweisen. Alice Morgan fand Gefallen an diesem ihr intellektuell ebenbürtigen Mann. Die verbalen Duelle, später die gemeinsamen Tatanalysen gehören zu den Besonderheiten und den besten Momenten der 2010 gestarteten Serie „Luther“. Denn Morgan und Luther wurden zu Verbündeten. Er zog sie zu Rate, wenn ein Fall ihm Rätsel aufgab, sie sprang ihm zur Seite, wenn, was sehr häufig vorkommt, wieder einmal intern gegen ihn ermittelt wurde oder ihm von anderer Seite Gefahr drohte.

Eine Serienkillerin als Schutzengel eines Polizisten – das ist mal eine Idee. Und sie funktioniert über drei Serienstaffeln, sofern die Parts dermaßen gut gespielt werden wie von Ruth Wilson und Idris Elba. Elba sammelte als Luther-Darsteller Auszeichnungen sonder Zahl, darunter einen Golden Globe.

Grenzüberschreitungen

Mit zwei einstündigen Filmen – von einer Staffel mag man da nicht sprechen – knüpft Serienautor Neil Cross an die bisherigen Geschehnisse an. John Luther hat nach dem Mord an seinem treuen Partner Justin Ripley ein Häuschen an der englischen Kreideküste bezogen, nur wenige Schritte – Achtung, Symbolik! – von der steil abfallenden Klippe entfernt. Hier erfährt er von Morgans Tod. Außerdem wird bei ihm eingebrochen. Zusammen genommen Anlass genug, die Plane vom Volvo zu ziehen und nach London zurückzukehren.

Dort geht gerade ein blutrünstiger Serienkiller mit grausigen Neigungen um. Während Luther mit seiner neuen Partnerin Emma Lane („Game of Thrones“- und „Downton Abbey“-Aktrice Rose Leslie) in dem Fall ermittelt, zieht er Erkundigungen über Alice Morgans Verbleib ein und er legt sich mit einem Londoner Gangster an, der prompt ein Kopfgeld auf ihn aussetzt. Der Beginn einer wunderbaren Feindschaft.

„Luther“, die Figur wie die Serie, waren seit je anfechtbar. Für John Luther sind Vorschriften und selbst Gesetze unmaßgeblich, sofern sein Handeln das in der Serie geltende Konstrukt von Gerechtigkeit bedient. Selbst Alice Morgans Morde werden auf eine Weise erzählt, die sie akzeptabel erscheinen lassen.

Trotz dieser fragwürdigen Inhalte hatte es einen gewissen Reiz, wie dieses Paar jenseits gesellschaftlicher Grenzen operierte, anfangs gegeneinander, dann nebeneinander oder auch miteinander – der Reiz des Verbotenen, der auch Thomas Harris‘ „Hannibal Lecter“-Romane und TV-Serien wie „Dexter“ oder „The Blacklist“ kennzeichnet. Das übereinstimmende Merkmal: den Figuren wird eine überdurchschnittliche Intelligenz zugebilligt, die es ihnen erlaubt – oder sie gar berechtigt –, ungestraft zu morden.

Abnutzungserscheinungen

Ein problematisches Sujet, mit noch dazu einem erheblichen handwerklichen Nachteil: Es nutzt sich ab. Die aktuellen „Luther“-Folgen sind das beste Beispiel. Autor Neil Cross, der vordem unter anderem für die wegweisende, weil unerhört sinistre Agentenserie „Spooks“ geschrieben hatte, erhöht merklich die Reizschwelle, wo früher neben der dem Genre geschuldeten Action vor allem die Psychoduelle für Spannung sorgten. Immer schon wurde die Serie invertiert erzählt; der Täter war dem Publikum früh bekannt. Wie in dem Serienklassiker „Columbo“ und bisweilen auch in „Kojak“ war es Aufgabe des Titelhelden, den begründeten Verdacht in eine hieb- und stichfeste Beweislage umzumünzen. In den neuen Episoden von „Luther“ geschieht dies kaum noch mit intellektueller Raffinesse. Mord reiht sich an Mord; die Täter- wird zur atemlosen Schnitzeljagd, die die Ermittler im Windschatten des Täters kreuz und quer durch Londons vielfältige Milieus treibt.

Die Parallelhandlungen – Luther muss sich der auf ihn angesetzten Handlanger erwehren und trifft eine seltsame Hellseherin – sind nicht logisch entwickelt, sondern nurmehr Mätzchen, um John Luther, dessen geschmeidige Präsenz bisweilen an Richard Roundtrees Verkörperung des New Yorker Privatdetektivs John Shaft erinnert, andauernd in Bewegung zu halten. Nicht der einzige billige Kniff. Da gehen Polizisten ohne Rückendeckung vor, missachten Warnungen, stolpern in entscheidenden Momenten – kurzum, man nimmt den Urhebern ihre Geschichte nicht mehr ab.

Das Finale deutet eine Fortsetzung mit veränderten personellen Konstellationen an – aber erst eine wirksame Neubesinnung würde eine solche Weiterführung rechtfertigen.

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