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„Szene Deutschland – Unter Hooligans“: Erklärungen: Mangelware | TV-Kritik - Frankfurter Rundschau
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06. Juli 2016

„Szene Deutschland – Unter Hooligans“: Erklärungen: Mangelware

 Von 
Sascha Bisley erkundet die "Szene Deutschland".  Foto: ZDF und Ekki Wetzel

Das ZDF lässt den ehemaligen Straftäter und heutigen Autor Sascha Bisley in das Milieu der Schläger auf den Fußballplätzen blicken

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Der Mann weiß, wovon er spricht. Er war selbst Schläger, hat einen anderen so zugerichtet, das der später an den Folgen starb, und büßte dafür im Knast. Dass ihm sein Opfer vergab, brachte ihn zur Einsicht. Heute ist Sascha Bisley Autor des Buches „Zurück aus der Hölle“ und macht Filme. Wie jetzt zwei Produktionen für das ZDF unter dem Motto „Szene Deutschland“. „Unter Junkies“ lief am 24. Juni, und nun: „Unter Hooligans“. Auch da kennt sich Bisley aus. Und so reist er durch das Land zu den einschlägigen „Fan“-Gruppierungen der Fußballvereine und hört sich um. Er will von aktiven und ehemaligen Schlägern wissen, wie sie dazu gekommen sind, sich in Gewalt zu suhlen, wie sie heute dazu stehen. 

Er bekommt einen vor die Kamera (anonym allerdings), der immer noch dabei ist: Alex, „gewaltsuchend“ nach der  härtesten der drei von der Polizei definierten Kategorien für Hooligans, „rein rechtlich nicht vorbestraft“, aber mit vierseitigem Führungszeugnis wegen schwerer Körperverletzung.  Der will sich weiter prügeln. Warum? Er weiß es auch nicht genau, außer vielleicht, dass sich „die Aggression von Woche zu Woche in den Alltag überträgt“, wenn es mal beim Fußbal nicht rund läuft. 

Auch beim Berliner Alt-Hooligan „Hübi“ zieht Bisley eine Verbindung zum Fußball – ohne zu diskutieren, inwieweit die Kickerei bloß den Anlass für Gewaltexzesse  bietet. Der bullige Hertha-Fan „Hübi“, 57, wollte früher anderen vor allem den Schal klauen und empfand zumal Auswärtsspiele als „großes Abenteuer“. Bisley selbst war als 19-Jähriger „eher Mitläufer“.

Doch so aufschlussreich die Skizzen und Selbstdarstellungen auch sein mögen – auf tiefer gehende Erklärungen wartet der Zuschauer vergebens. Journalist Christoph Ruf beobachtet  das üble Treiben, das früher im Stadion stattfand, heute aber seiner Darstellung nach in „irgendwelchen Wäldern“ – davon zeigt der Film sogar eine Szene.  Die Folge der Schlägereien: In der Saison 2014/15 1200  Verletzte und 8300 Strafverfahren.  Eine Spur der Gewalt zieht sich offenbar durch Deutschlands Fußballligen, und nach Schätzungen ist die Mehrzahl der Schläger rechtsextrem. Der Film zeigt denn auch Nazis auf dem Fußballplatz eines Siebtliga-Spiels in Leipzig.

Aber wer wird Hooligan und aus welchen Motiven? Es genügt dann doch nicht, von der eigenen Vergangenheit zu erzählen oder darauf hinzuweisen, dass einer wie Alex „sein Studium abgeschlossen hat“. Das ist das Problem des Films: Autor Nils Folta und Präsentator Bisley liefern nur Beschreibungen, kaum Erklärungen. Vielleicht wollen sie das auch gar nicht, doch die Authentizität von Bisley und seinen Gesprächspartnern suggeriert genau das. Aber für eine relevante Aufarbeitung des Themas hätte es doch einiger wissenschaftlicher Hilfe und Erklärungen bedurft.

Vielleicht ist Bisley an diesem Punkt  seine eigene Vergangenheit in die Quere gekommen. Leute wie er hätten damals anderen den Spaß am Fußball kaputt gemacht, sagt er. Das klingt denn doch nach Verharmlosung, denn  „um ehrlich zu sein, ich kann die Jungs ein Stück weit verstehen“, sagt er am Ende. Aber wer diese Erfahrungen nicht gemacht hat, würde vielleicht gerne etwas mehr wissen, wie es dazu kommt, dass junge Männer  – Kriminelle  – meinen, sie müssten andere Menschen regelmäßig und rücksichtslos demütigen und verletzen.

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