Bookmarks: Michael Deistler
Kunst und Dosenbier
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Michael Deistler, Ägypten 1981
Was ist drin
Einfach draufhalten - so ähnlich könnte man die fotografische Philosophie des Künstlers Michael Deistler beschreiben, der in den siebziger und achtziger Jahren ein schier unendliches Oeuvre von fotografischen Skizzen, dokumentierten Aktionen, Experimenten und Fotoshootings schuf. Wo die direkten und ungestellten Aufnahmen allerdings schon für sich alleine ein gelungenes Portfolio abgeben, sind die heimlichen Stars des Bandes die Protagonisten Deistlers – so hatte der Künstler etwa Sigmar Polke, Albert Oehlen, Werner Büttner und andere berühmte Kollegen vor der Linse.
Die These
Die siebziger und achtziger Jahre waren für einen Teil der deutschen Kunstszene ein einziger Rauschzustand. Schnäpse am Vormittag gehörten ebenso zum guten Ton wie Kettenrauchen. Exzesse und Prügeleien liefen unter Image-Pflege - die daraus folgenden Erinnerungslücken werden jetzt per Foto geschlossen.
Der Fotograf
Michael Deistler (geb. 1949), der sich in den letzten Jahren hauptsächlich mit Malerei und Zeichnung befasste, zog damals sämtliche gezeigten Fotografien per Hand in der Badewanne oder in seiner Küche ab. In den frühen achtziger Jahren war Deistler DAAD-Stipendiat in Ägypten, wo viele der Fotografien entstanden.
Die schönste Seite
Ein Atelier (oder eine Wohnung) in Ägypten, drückende Hitze, Pillen-Blister im Vordergrund, die leeren Bierdosen wie Trophäen gestapelt, darauf eine kleine Adler-Skulptur - wenn schon trinken, dann mit Stil.
Wer braucht das?
Leute die dabei waren, aber entsprechend wenig davon behalten haben, Fans von Oehlen und Polke (sowie deren Kritiker!) oder einfach BRD-Nostalgiker.
![bookmarks-deistler bookmarks-deistler](https://web.archive.org/web/20161007201801im_/http://static.art-magazin.de/bilder/22/14/39792/article_image_small/bookmarks-deistler.jpg)
Das Gefällt
Auch wenn viele Fotografien sorgfältig komponiert scheinen, wirkt die Menge des Materials und die direkte Ästhetik der Handabzüge beinah manisch – viele der Bilder zeigen deutliche Spuren ihrer Behandlung, produktive Unfälle oder Fremdkörper auf dem Fotopapier.
Was ätzt der Kritiker
Auch wenn das weitgehend textlose Konzept der Philosophie des "einfach draufhaltens" entgegenkommt, wünscht man sich manchmal die eine oder andere Bildbeschreibung.
Coffee-Table-Factor (von 1 "Vorsicht Taschenbuch!" bis 5 "Sumo: So groß wie Helmut Newtons dickste Bände"):
6. Der leinengebundene Deistler ist RIESIG, hochwertig gestaltet und hat absolutes Kult-Potenzial.
Michael Deistler
512 Seiten, Leinengebunden, 220 x 300 mm, Textem Verlag, Hamburg, aktuell für 49,90 Euro - statt 149 Euro.