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Interview Speer und Kornmann | Offenbach
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Im Gespräch: Stadtplaner Albert Speer und Stefan Kornmann über Offenbachs Entwicklung und den Masterplan

Speer / Kornmann
© Montage: Stadt Offenbach, Foto: Uwe Dettmar

Was ist das Besondere an einem Masterplan?

Speer: Der Masterplan ist zum Glück kein rechtlich vorgeschriebenes Verfahren, wie man sich mit der Zukunft einer Stadt beschäftigen soll. Ein solcher Plan wird zwar gemeinsam mit den Ämtern aber über Behördengrenzen hinweg erarbeitet. Wichtig ist, dass sich viele Bürger am Masterplan-Prozess beteiligen. In Offenbach war das der Fall. Wir wollen mit dem Masterplan Offenbach attraktiver machen und ins Gespräch bringen.

Eröffnet Ihnen der Masterplan Möglichkeiten jenseits des herkömmlichen Regelwerks?

Speer: Ja. Wir können Dinge diskutieren, die in einer Stadt teilweise tabu sind oder an die man nicht gedacht hat. Der Masterplan hat rechtlich zunächst keine Konsequenzen wie ein Bebauungsplan oder ein Flächennutzungsplan. Aber die Ergebnisse können in diese rechtlichen Verfahren einfließen und sollten das zu einem großen Teil auch.

Albert Speer
Albert Speer © AS&P - Albert Speer & Partner GmbH, Foto: Uwe Dettmar

In Offenbach hat die Erarbeitung des Masterplans neun Monate gedauert. Das ist doch recht sportlich, oder?

Speer: Ja, aber es ist notwendig, einen solchen Prozess zügig durchzuführen, sonst erlahmt das Interesse der Beteiligten. Wir sagen den Städten immer: Ein Jahr ist das Maximum. Danach geht es an die Umsetzung.                   

Kornmann: In Offenbach war auch viel Vorarbeit für den Masterplan geleistet worden. Und im ganzen Prozess war Drive, Energie drin. Wir spürten, man will es machen. Das erleben wir nicht in jeder Stadt. Offenbach hat mehr Qualitäten, als viele seiner Einwohner sehen.

Woran lässt sich das erkennen?

Kornmann: Die hohe Wertschätzung Offenbachs zeigt sich daran, dass auswärtige Investoren in Offenbach bauen, auch dass viele Leute zuziehen. Wir denken, das ist ein Prozess, der noch in den nächsten 10 bis 15 Jahren weitergehen wird. Offenbach kann sich als Wohnstandort hervorragend profilieren. Auf diesem Gebiet sehen wir große Chancen.

Welche Vision von Offenbach haben Sie?

Speer: Offenbach hatte lange Zeit ein Problem mit seinem Image, und hat es teilweise heute noch. Aber allein dadurch, dass wir mit dem Masterplan bestimmte Dinge in den Vordergrund stellen, verändert sich das Image.

Kornmann: Was die Vision von Offenbach betrifft, haben wir das im Masterplan so zusammengefasst: Offenbach ist kompakt, kreativ, lebendig.

Was heißt das genau?

Kornmann: Es gibt in der Stadt kurze Wege, man hat alle Einrichtungen und Unternehmer sind schnell bei einem Kunden in Frankfurt. Auch ist Offenbachs kompaktes Stadtgebiet sehr „grün“. Jetzt geht es darum, die Grünflächen, die vorhanden sind, miteinander zu verbinden: entlang des Mains und am Grünring.

Stichwort „Urbanität“. Wo steht dabei Offenbach?

Kornmann: Wir bringen Offenbach als „kleine globale Großstadt“ ins Gespräch. Aktive, junge Leute wollen urban leben. Für diese Gruppe kam früher nur Frankfurt als Wohnort in Frage, etwa Stadtteile wie das Nordend, Bornheim und Sachsenhausen. Mittlerweile ist es aber üblich, auch nach Offenbach zu ziehen. Offenbach ist in der Lebenswirklichkeit dieser jungen Leute angekommen. Das ist der entscheidende Umbruch. Was wir im Masterplan propagieren – die kleine urbane Stadt -, das wollen diese jungen Leute in Offenbach erleben.

Offenbach will „Kreativstadt“ sein. Wie passt das zum Masterplan?

Kornmann: In Offenbach gibt es viele Kreative, Designer, Künstler, IT-Leute, die Hochschule für Gestaltung (HfG). Aber Kreativität begreifen wir umfassender: Offenbach sollte als Stadt kreativ sein. In Sachen Kultur, in dem unkonventionellen, schrägen Segment, ist Offenbach gut aufgestellt. Das kommt bei jungen Leuten gut an. Wir haben gesagt, da setzen wir noch eins drauf und machen daraus das Projekt „Nordkap“. Das kann für Offenbach ein Aushängeschild werden. Es sollen dort Skaterpark, Freizeiteinrichtungen und kulturelle Angebote entstehen.

Wird Offenbach zum Wohnvorort von Frankfurt?

Kornmann: Nein, Offenbach ist ein eigener Wohnkosmos. So verstehen sich die Leute auch. Man wohnt in Offenbach und arbeitet in Frankfurt oder anderswo in der Region. Es wird viel über das Wohnen in den Vororten geredet. Wir aber reden jetzt über das Wohnen auch in der Innenstadt.

Gibt es da überhaupt noch Platz?

Kornmann: Die Zeit ist reif für das Wohnen in der Innenstadt, für das „City-Wohnen“. Wir haben in der Offenbacher Innenstadt einige Orte untersucht, an denen Wohnungen geschaffen werden könnten. Würden diese Vorhaben verwirklicht, könnten zwischen 500 und 1000 Leute zusätzlich in der City wohnen. Das ist eine Größenordnung, die sich sehen lassen kann.

Was haben Sie vor?

Kornmann: Es gibt schon einige Projekte, etwa der Umbau der „City-Passage“ an der Frankfurter Straße. Das ist für uns ein Pilotprojekt. Im Erdgeschoss wollen wir Einzelhandel unterbringen und darüber Wohnungen errichten. Auch haben wir den Bau eines Wohnhochhauses in der Innenstadt vorgeschlagen, und zwar zwischen Rathaus und City Tower an der Berliner Straße.  

Wie hoch soll das City-Wohnhochhaus werden? Das Rathaus bringt es schon auf 70 Meter Höhe.

Kornmann: Vielleicht in ähnlicher Höhe oder etwas niedriger als das Rathaus.

Dadurch würde Offenbachs kleine Skyline komplettiert.

Kornmann: Ja, mit einem Gebäudetyp, der mehr Leben in die Innenstadt bringt. Es handelt sich um einen wunderbaren Standort. Man kann über den Büsing-Park hinweg zum Main blicken, mit der Fähre, die wir vorschlagen, zum Fechenheimer Ufer in Frankfurt fahren, oder vielleicht auch über die neue Brücke, die wir anregen, um dorthin zu gelangen.  

Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer des Masterplans?

Kornmann: Gewinner sind alle. Verdrängen müssen und wollen wir niemanden. Klar ist: Die Einwohnerschaft in Offenbach tauscht sich, statistisch betrachtet, aufgrund des Zu- und Wegzugs alle neun Jahre aus. Wichtig ist, Einwohnergruppen, die dauerhaft als Träger der Stadtgesellschaft wirken können, in die Stadt zu holen oder in Offenbach zu halten.

Was schlagen Sie vor?

Kornmann: Wir wollen, dass neue Wohngebiete entstehen. Die Stadt wirbt um einkommenskräftige Bürger, um Leute, die zur Mittelschicht zählen. In den bestehenden Wohngebieten schlagen wir eine behutsame Sanierung vor. Das muss sein, damit diese Gebiete nicht verkommen. Aber auch dort geht es nicht darum, Bewohner zu verdrängen.

Speer: Das Phänomen der „Gentrifizierung“, also der Verdrängung der ansässigen Bevölkerung durch Leute, die zuziehen und ein höheres Einkommen haben, das gibt es in manchen deutschen Städten, aber es gibt dieses Phänomen nicht in Offenbach.

Der Bau neuer Wohnungen läuft derzeit gut. Wie sieht es mit der Ansiedlung von Gewerbetrieben aus?  

Kornmann: Wir hoffen, dass sich aufgrund der Dynamik, die man durch die Wohninvestitionen erhält, auch der Gewerbesektor profilieren wird.

Lange Zeit hieß es aber, dass die Grundstücke in Offenbach zu teuer seien und es kaum zusammenhängende Flächen gebe.

Kornmann: Die Standorte in Offenbach sind gut. Das Kaiserlei-Areal hat eine hervorragende Anbindung, ist regional präsent, muss aber innerhalb des Gebiets neu gestaltet und ergänzt werden. Zwar leidet das Areal unter der Flächenkonkurrenz zu Frankfurt, weil dort zur Zeit viele Büroflächen angeboten werden. Wir denken aber, dass man sowohl regionale wie internationale Nutzer für das Kaiserlei-Gebiet interessieren kann.

Was haben Sie dabei im Blick?

Kornmann: Bei der Neupositionierung des Kaiserlei-Gebiets sollte man nicht an eine reine Büronutzung denken. Es gibt auch gewerbliche Firmen, die in der Lage sind, die höheren Grundstückspreise an diesem Standort zu erwirtschaften.    

Stefan Kornmann
Stefan Kornmann © AS&P - Albert Speer & Partner GmbH, Foto: Uwe Dettmar

Sehen Sie bei der Ansiedlung von Gewerbetrieben in Offenbach einen Nachholbedarf?   

Kornmann: Ja. Offenbach ist zwar, was die Standortvorteile betrifft, gut aufgestellt. Aber: Offenbach verliert trotz aller Anstrengungen Arbeitsplätze.
Sehr positiv ist die Entwicklung in der Sparte der  „unternehmensbezogenen Dienstleistungen“, etwa Rechtsanwaltskanzleien, Beratungsfirmen oder Ingenieur- und Architekturbüros. Offenbach als einstige Industriestadt hatte in der Vergangenheit das Pech, dass es große Betriebe und viele Arbeitsplätze verloren hat. Künftig stehen große Gewerbeflächen zur Verfügung, die auch überregional Interesse entfalten können.

An welchen Gewerbestandorten sehen Sie Entwicklungschancen für Offenbach?

Kornmann: Es gibt im Westen das Kaiserlei-Gebiet, das für den Verkehr gut erschlossen ist, ob über Autobahn oder S-Bahn, und im Osten die großen Gewerbegebiete. Doch wenn man in die Gewerbeareale im Osten Offenbachs gelangen will, muss man durch das gesamte Stadtgebiet fahren, über den südlichen Ring oder die Berliner Straße und Mühlheimer Straße.

Was regen Sie an?

Kornmann:  Wir schlagen vor, den Offenbacher Osten besser an das übergeordnete Verkehrsnetz anzubinden. Damit erhöht sich die Standortqualität für die Gewerbegebiete. Und durch die Verlagerung des Verkehrs werden die Bewohner an den Hauptstraßen erheblich entlastet.

Sie planen eine Verbindungsstraße von der Bundesstraße 448 zur Laskabrücke mit Anbindung an den Lämmerspieler Weg?

Kornmann: Ja, das haben wir vorgeschlagen. Die Bundesstraße 448 soll weiterhin am Bieberer Berg enden. Aber wir wollen, eine zweispurige Verbindungsstraße schaffen, die von dieser Straße über die Laskabrücke zur Mühlheimer Straße führt. Als Ausgleichsmaßnahme schlagen wir vor, am Bieberer Berg asphaltierte Flächen zurückzubauen.

Würde die Verbindungsstraße quer durch den Lohwald führen? Das ist ein beliebtes Naherholungsgebiet.

Kornmann: Nein, das gäbe einen Aufschrei in Offenbach. Die neue Straße soll am Rand des Lohwalds, nicht mittendurch geführt werden. Wir wollen den Straßenverlauf an die S-Bahn-Strecke anschmiegen, dann unterhalb des Schneckenbergs fortsetzen und zur Laskabrücke leiten.

Warum schauen Sie so sehr in den Offenbacher Osten?

Kornmann: Der Offenbacher Osten bietet für die Gewerbeansiedlung die meisten Flächenpotentiale: Da ist das ehemalige Allessa-Gelände, die Fläche für das früher vorgesehene Südwerk von MAN Roland, außerdem Flächen in der Daimlerstraße, das Areal am früheren Güterbahnhof. Das muss jetzt als Gesamtheit sehr aktiv vermarket und vor allem besser erschlossen werden.

Was versprechen Sie sich von der neuen Verbindungsstraße?

Kornmann: Die neue Verbindungstraße hat einen weiteren großen Vorteil. Heute gibt es in Offenbach die höchste Verkehrsbelastung an der Unteren Grenzstraße. Dort wohnen aber viele Menschen. Auf dieser Straße werden alle Grenzwerte überschritten, zum Beispiel beim Feinstaub. Wenn wir die Verbindungsstraße bauen, können wir den Lastwagenverkehr aus der Unteren Grenzstraße weitgehend herausziehen. Wir wollen auch die Bieberer Straße und die Untere Grenzstraße verkleinern und Bäume pflanzen, damit die Wohnqualität verbessert wird.

Der Bau dieser Verbindungsstraße wird viel Geld kosten. Sie wissen, wie es um die städtischen Finanzen steht.

Kornmann: Das wissen wir. Aber wenn Offenbach höhere Einnahmen aus der Gewerbesteuer erzielen will, muss die  Kommune mit dem Bau dieser Straße in Vorleistung treten.

In Kürze wollen die Offenbacher Stadtverordneten den Masterplan beschließen. Wer kontrolliert die Umsetzung?

Speer: Das ist eindeutig die Aufgabe der Politik. Ein Masterplan ist eine Art Regiebuch, das es auszufüllen gilt.

Kornmann: Der Masterplan soll alle fünf Jahre bewertet werden. Der Plan kann sich verändern, aber Abweichungen müssen bewusst erfolgen. Wir als Büro schlagen vor, dass man jedes Jahr einen „Tag des Masterplans“ veranstaltet. Das soll eine Veranstaltung für die Stadtgesellschaft sein.

Das Gespräch führte Anton Jakob Weinberger