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Präsidentschaftswahl in Litauen: | bpb
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15.5.2019

Präsidentschaftswahl in Litauen:

Stichwahl am 26. Mai

In der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen, die am 12. Mai stattfand, kam keine absolute Mehrheit zustande. Darum wird am 26. Mai – parallel zu der Europawahl – in einer Stichwahl über das neue Staatsoberhaupt Litauens abgestimmt. Entscheiden müssen sich die Wählerinnen und Wähler zwischen der früheren litauischen Finanzministerin Ingrida Šimonytė und dem Ökonom Gitanas Nausėda. Sie waren mit je rund 31 Prozent der Stimmen die erfolgreichsten Kandidierenden des ersten Wahlgangs.

Die gelb-grün-rot gestreifte Fahne von Litauen auf dem Präsidentenpalast in der historischen Altstadt in VilniusDie gelb-grün-rot gestreifte Fahne von Litauen auf dem Präsidentenpalast in der historischen Altstadt in Vilnius. (© dpa, Zentralbild)

Ein Ergebnis stand vor der Wahl schon fest: Litauen wird ein neues Staatsoberhaupt bekommen. Nach zwei Amtszeiten muss die seit 2009 amtierende Staatspräsidentin Dalia Grybauskaitė verfassungsgemäß aus dem Amt scheiden. Grybauskaitė, die auch als "Eiserne Lady" oder "Eiserne Magnolie" von Litauen bezeichnet wird, war das erste weibliche Staatsoberhaupt Litauens. Außenpolitisch galt sie als Garantin der Westorientierung Litauens und eines harten Kurses gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Insgesamt waren neun Kandidatinnen und Kandidaten von der zentralen Wahlkommission im Vorfeld der Wahl offiziell bestätigt worden. Bereits in den Vorwahlumfragen zeichnete sich ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der früheren litauischen Finanzministerin Ingrida Šimonytė und dem Ökonom Gitanas Nausėda ab. Daher überraschte es nicht, dass die beiden Kandidierenden aus dem konservativen Lager, mit je etwa 31 Prozent, die meisten Stimmen auf sich vereinen konnten. Nach dem Ergebnis der vorläufigen Endauszählungen, konnte Šimonytė einen sehr knappen Vorsprung von wenigen tausend Stimmen gegenüber ihrem Kontrahent Nausėda erzielen. Da die erforderliche absolute Mehrheit im ersten Wahlgang somit von keinem der Kandidierenden erreicht wurde, müssen sich Šimonytė und Nausėda am 26. Mai – parallel zu der Europawahl – einer Stichwahl stellen.

Der derzeit amtierende Ministerpräsident, Saulius Skvernelis, der sich ebenfalls zur Wahl für das Präsidentschaftsamt gestellt hatte, erhielt rund 20 Prozent der Stimmen und schied somit aus dem Rennen um das oberste Staatsamt aus. Er zeigte sich enttäuscht über sein Wahlergebnis und kündigte seinen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten an.

Wahlsystem und Staatsoberhaupt Litauens

Litauen ist eine parlamentarische Demokratie mit Präsidialelementen, in der die Präsidentin oder der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert und alle fünf Jahre direkt vom Volk gewählt wird. Laut Verfassung hat das Staatsoberhaupt spezifische Exekutivrechte im Bereich der Außen- und Verteidigungspolitik, die beispielsweise über die Kompetenzen des deutschen Bundespräsidenten hinausgehen. Das litauische Staatsoberhaupt hat den Oberbefehl über die Streitkräfte, ernennt und entlässt mit Zustimmung des Parlaments den Ministerpräsidenten und entscheidet über den Kurs der Außenpolitik. Gemäß der litauischen Verfassung kann das Amt des Staatsoberhauptes maximal zwei aufeinanderfolgende Wahlperioden von der gleichen Person besetzt werden. Wahlberechtigt sind alle Staatsbürgerinnen und -bürger Litauens, die am Wahltag mindestens 18 Jahre alt sind.

Zudem wurde am 12. Mai erfolglos über zwei Verfassungsreferenden abgestimmt. Zum einen sollte über die Verringerung der Abgeordnetenanzahl im litauischen Parlament und zum anderen über die Einführung einer doppelten Staatsbürgerschaft entschieden werden.

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Litauen – Das Land in Daten

Litauen, das südlichste und größte der drei baltischen Länder, grenzt im Norden an Lettland, im Osten an Weißrussland und im Süden an Polen und die russische Oblast Kaliningrad. Es liegt an der östlichen Grenze der EU, in die es 2004 aufgenommen wurde.

Hauptstadt: Vilnius
Amtsprache: Litauisch
Staats- und Regierungsform: Republik, Verfassung von 1992
Parlament (Seimas) mit 141 Mitgl., Wahl alle 4 J.
Direktwahl des Staatsoberhaupts alle 5 J. (einmalige Wiederwahl)
Wahlrecht ab 18 J.
Fläche: 65.286 km2 (Weltrang: 121)
Bevölkerungszahl (2017): 2.828.000
Bevölkerungsdichte: 43 je km2
Anteil ausländischer Bevölkerung (2017): 0,7%
Ethnische Zusammensetzung (2001): 84,2% Litauer, 6,6% Polen, 5,8% Russen, 1,2% Weißrussen, 0,5% Ukrainer; Lipka-Tataren, Karäer u.a.
Religionen (2006): 77% Katholiken, 4% Orthodoxe; Minderheiten von Protestanten und Muslimen, 6% religionslos
Arbeitslosenquote (2017): 7,1%
Bruttoinlandsprodukt: 41,9 Mrd. Euro; realer Zuwachs: 3,8%
Währung: Euro
Außenhandel: Import: 28.8 Mrd. Euro (2017); Export: 26.4 Mrd. Euro (2017)
Inflationsrate (in %) Ø 2017: 3.7%

Quelle: Der neue Fischer Weltalmanach 2019 © Fischer Taschenbuch Verlag in der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2018.

Nausėdas Bekenntnis zur NATO

Nausėda vertritt wirtschaftspolitisch marktliberale Ansichten. Der ehemalige Chefökonom der SEB Bank (2008 - 2018) wird von keinem größeren Parteienbündnis unterstützt und tritt als unabhängiger Kandidat an. Außenpolitisch verfolgt er eine dezentral organisierte Europäische Union (EU) souveräner Nationalstaaten, eine engere wirtschaftliche Beziehung mit China und einen kritischen Dialog mit Russland. Während er sich einerseits für diplomatische Lösungen mit dem russischen Nachbarn und die Beibehaltung von Wirtschaftsbeziehungen ausspricht, schließt er eine Ausweitung der EU-Sanktionen gegen Russland nicht aus. Nausėda betont außerdem die zentrale Bedeutung der NATO für die Sicherheit Litauens und begrüßt die derzeitigen Überlegungen, den Verteidigungsetat Litauens auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben.

Šimonytė möchte Beziehungen zum Westen stärken

Die frühere litauische Finanzministerin (2009 - 2012) Šimonytė geht als Kandidatin des konservativen Vaterlandsbundes – Christdemokraten Litauens (TS-LKD) ins Rennen um die Präsidentschaft. Sie selbst ist parteiloses Mitglied des litauischen Parlaments. Die Wirtschaftswissenschaftlerin ist seit 2013 die stellvertretende Vorsitzende der litauischen Zentralbank und wirbt mit einem liberal-konservativen Programm um Wählerstimmen. Sie will einen Bürokratieabbau erreichen und das Investitionsklima im Land verbessern. Außerdem möchte sie die Beziehungen zum Westen stärken. Kritisiert wird sie von ihren politischen Gegnern und Gegnerinnen unter anderem dafür, dass sie als litauische Finanzministerin während der globalen Finanzkrise keine Unterstützungskredite beim Internationalen Währungsfond (IWF) beantragte, sondern als Vertreterin der damaligen christdemokratischen Regierung eine umfassende Austeritätspolitik umsetzte.

Skvernelis: Mehr Transparenz

Auf Platz drei in den Umfragen liegt der amtierende Ministerpräsident Skvernelis, der derzeit zwischen 14,6 bis 16,6 Prozent der Stimmen erhalten würde. Der parteilose Politiker wird vom Bund der Bauern und Grünen (LVŽS) in Litauen unterstützt, einer Partei mit ökologisch-konservativem Profil, die im Jahr 2016 überraschend die Parlamentswahlen gewann. Skvernelis wird vor allem von der Landbevölkerung unterstützt. Der frühere Innenminister (2014-2016) und ehemalige Polizeichef der litauischen Polizei (2011-2014) steht für nationale Sicherheit, Wirtschaftswachstum und mehr Transparenz. Ähnlich wie in der Ukraine will er ein Anti-Korruptionsgericht schaffen. Außenpolitisch gilt er mehr als zwei Jahre nach seiner Vereidigung jedoch immer noch als unerfahren. Für Schlagzeilen sorgte Skvernelis jüngst, weil er seit einer Kabinettsumbildung Anfang 2019 ausschließlich mit männlichen Ministern regiert – die einzige rein männliche Regierung in ganz Europa. Ebenfalls umstritten ist die von Skvernelis signalisierte Bereitschaft die politischen Beziehungen zu Russland auszubauen. Gleichzeitig betont er jedoch auch die Rolle der NATO und spricht sich dafür aus, die bilateralen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten auszubauen.

Wahlkampfthemen

Auf Platz drei in den Vorwahlumfragen lag der amtierende Ministerpräsident Skvernelis. Der parteilose Politiker wurde vom Bund der Bauern und Grünen (LVŽS) in Litauen unterstützt, einer Partei mit ökologisch-konservativem Profil, die im Jahr 2016 überraschend die Parlamentswahlen gewann. Der frühere Innenminister (2014-2016) und ehemalige Polizeichef der litauischen Polizei (2011-2014) steht für nationale Sicherheit, Wirtschaftswachstum und mehr Transparenz. Ähnlich wie die beiden anderen führenden Kandidaten ließ sie jedoch offen, wann und in welcher Form es eine Entschädigung für jüdisches Privateigentum geben könnte. Vor der Besatzung Litauens durch die Nationalsozialisten von 1941 bis 1944 lebten bis zu 230.000 Juden in Litauen. Mehr als 90 Prozent von ihnen wurden während der Besatzungszeit von Nationalsozialisten und litauischen Kollaborateuren ermordet.

Ein weiteres wichtiges Thema waren die Folgen der Austeritätspolitik im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, die in Litauen eine der weltweit schwersten Rezessionen hervorrief. Viele Beschäftigte, die damals ihren Job verloren, verließen Litauen, um im Ausland Arbeit zu finden. Die meisten von ihnen sind bis heute nicht zurückgekehrt. Skvernelis hatte das Thema auf die Agenda gehoben, um Šimonytė und Nausėda, die in den Krisenjahren beide in wirtschaftspolitisch wichtigen Positionen tätig waren, auf ihrem eigenen Fachgebiet anzugreifen. Skvernelis wies Mitte April 2019 Staatsanwälte an, die damaligen Entscheidungen von Zentralbank und Regierung rechtlich zu prüfen.

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