"Gundermann" – Ein Abend über Musik, die DDR und ostdeutsches Lebensgefühl
Die Bundeszentrale für politische Bildung und das Haus der Geschichte präsentieren Film, Gespräch und Konzert in Bonn
Am 27. November 2018 zeigte die Bundeszentrale für politische Bildung gemeinsam mit dem Haus der deutschen Geschichte den Spielfilm „Gundermann“ im Haus der Geschichte, diskutierte ihn anschließend und würdigte das musikalische Werk des „singenden Baggerfahrer“.> Direkt zu den Videos und Bildern
"hier bin ich geborn / wo die kühe mager sind wie das glück / hier hab ich meine liebe verlorn / und hier krieg ich sie wieder zurück", dichtete Gerhard Gundermann.
Kaum war der geplante Abend über Musik, die DDR und ostdeutsches Lebensgefühl annonciert, folgte für die Verhältnisse beider Häuser, ein wahrer Ansturm. Schnell waren die etwas mehr als 300 Plätze vergeben. Stündlich wuchs die Warteliste. Immerhin, die Ankündigung versprach einen spannenden Abend.
Gundermann? Gerhard Gundermann war Bürger der DDR, stolzer Bürger. Früh begann er zu musizieren, wurde bekannt und Teil der staatlichen Singebewegung. In der Lausitz fand er sein zu Hause, als Facharbeiter im Tagebau. Selbstverständlich war er Parteimitglied. Doch er eckte an. Der einstige Zuträger der Stasi geriet selbst zu einem Beobachtungsobjekt. Nach der Wende, als viele Landschaften partout nicht blühen wollten, fanden sich viele in seinen Liedern wieder. Sie nannten ihn den ostdeutschen Bob Dylan, in dessen Vorprogramm er in Berlin auch spielte. 1998 starb Gerhard Gundermann, 43 Jahre alt.
Bei der Begrüßung im großen Saal des Hauses der Geschichte betonte Prof. Dr. Harald Biermann, dass Geschichte nicht schwarz-weiß zu betrachten sei, vielmehr präsentiere sie sich in unterschiedlichsten Grautönen. Diese unterschiedlichen Töne in Szene zu setzen, dass wäre Andreas Dresen mit "Gundermann" gelungen. Anna Hoff und Martin Langebach von der Bundeszentrale für politische Bildung betonten im Anschluss die Bedeutung des Films für die Auseinandersetzung mit der Geschichte Ostdeutschlands, die sie auch für den Westen für wichtig und bedeutsam erachten. Der Abend über und zu Gerhard Gundermann wäre ein Puzzlestück dabei.
Tatsächlich waren die Kinosäle zwischen Sassnitz und Plauen, zwischen Halberstadt und Görlitz in den Wochen nach der Premiere von "Gundermann" im August 2018 gefüllt, das Publikum begeistert. Freunden im Westen der Republik munkelten sie zu, dass das der ostdeutsche Film sei, den man sehen müsse. Er erklärt so viel, was hier falsch gelaufen ist. Doch von dort kam oft nur Schulterzucken: Wer ist dieser Gundermann? Und oft suchte man in westdeutschen Kinoprogrammen vergeblich.
Dabei zeigt der Film von Andreas Dresen den Künstler in all seinen Facetten. Musiker, Liebender, Baggerfahrer, IM für die Stasi, Opfer der Stasi. Ein Porträt, nicht in schwarz-weiß, sondern eben in vielen Grautönen. Besser als mit Gundermann lässt sich das Leben in der DDR nicht zeigen, sagte die Kritik und sagten auch viele Besucherinnen und Besucher nach dem Film im Haus der Geschichte. Gleichzeitig zeichnet Dresen ein Bild der DDR ohne zu dämonisieren und ohne zu verklären. Es räumt auf mit einer verzerrten Vorstellung, die DDR-Bürger auf Opfer, Mitläufer oder Täter reduziert.
Entsprechend drehte sich die anschließende, von Frank Olbert, stellvertretender Ressortleiter "Kultur" beim Kölner Stadtanzeiger, moderierte Diskussion im Foyer um den Film. Der Regisseur erinnere an die lange Entstehungsgeschichte und an die aufwendige Arbeit am Drehbuch, das Laila Stieler verfasste. Sie hatte früh den Kontakt zu Witwe Conny Gundermann gesucht, die in Berlin lebt und mit auf dem Podium saß. Ein wenig wehmütig blickte sie zurück auf das Leben ihres verstorbenen Mannes, freute sich aber gleichwohl über das wieder entfachte Interesse an seinem Leben und Werk. Gerne hatte sie der Drehbuchautorin und dem Regisseur beratend zur Seite gestanden. Der Schauspieler Alexander Scheer, der für den Film in die Rolle von Gerhard Gundermann schlüpfte und ihn im Aussehen und mit der Stimme sehr nahe kommt, blickte immer wieder an diesem Abend liebevoll herüber zu Conny Gundermann. Die Lieder ihres Mannes, denen er erst richtig begegnet sei in Vorbereitung für den Film, haben ihn merklich berührt. Die Publizistin Maike Nedo schließlich betonte die Bedeutung des Films für die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Ostdeutschen. Viel zu oft würde sie immer nur auf Stasi und Diktatur verkürzt werden, wenn sie überhaupt in der Öffentlichkeit zur Sprache käme. Denn, so kritisiert sie, deutsche Geschichte zwischen 1949 bis 1989 meint leider in der Regel westdeutsche Geschichte.
Die Lieder von "Gundi", wie ihn seine Frau bis heute liebevoll nennt, erklangen anschließend auf der Bühne im Saal.
Gut eingestimmt startete die Band um Andreas Dresen und Alexander Scheer mit dem Lied "Leine los": "Alle Filme, die ich drehen wollte, sind schon gedreht. Alle Kleider, die ich nähen sollte, sind schon genäht. Alle Lieder, die ich machen wollte, singt schon der Boss. Ich bin nur n armer Hund, aber wer, Iieß mich von der Leine los", heißt es in der ersten Strophe. Andreas Dresen muss aber auch sogleich loslachen, kaum hatte er die erste Zeile angestimmt: "Ja, der Text ist original Gundermann". In gelöster Stimmung ging es weiter durch das Repertoire. Mit Klassikern wie "Linda", "Brunhilde", "Kann mich nicht erinnern" oder "Zweibester Sommer". Im Laufe des Konzerts kam schließlich auch Conny Gundermann auf die Bühne und stimmte in den Gesang ein. Der Saal bejubelte Lied um Lied, was Scheer dazu schließlich dazu verstieg zu rufen: "Die Stimmung ist hier ja besser als im Osten". Jubel folgte.
Besetzung der Band:
- Andreas Dresen, Gesang, Gitarre
- Alexander Scheer, Gesang, Gitarre
- Conny Gundermann, Gesang
- Jens Quandt, Keyboards, Mundharmonika, Percussion, Gesang
- Jürgen Ehle, E-Gitarre, Gesang
- Harry Rosswog, Bass
- Lizzy Scharnofske, Schlagzeug
Pressestimmen
"So ist 'Gundermann' in gewisser Weise der reife Gegenentwurf zu Florian Henckel zu Donnersmarcks Oscar-Gewinner 'Das Leben der Anderen' von 2006: nicht verurteilend und nicht simplifizierend, präzise in der Ausstattung, ohne Kulisse zu sein, und mit einer Sicherheit im Ton, die zumindest in Ostdeutschland warme Wiedererkennungswellen durchs Kino schickt. Und gleichzeitig kein Nischenfilm für Ostalgiker, sondern eine komplexe, unbequeme Geschichte über Verrat und Rückgrat, und wie beides zusammengehen kann in einem Leben. Ein Film für Erwachsene" (Neue Züricher Zeitung, 11.9.2018)."Ein vielschichtiger Charakter, Rebell und überzeugter Sozialist, unangepasst und Stasi-Spitzel, der selbst bespitzelt wurde. Anhand der Biografie dieses Mannes wechselt Andreas Dresen die Perspektive auf die DDR und liefert mit 'Gundermann' einen der wichtigsten deutschen Filme seit Jahren" (Kölner Stadtanzeiger, 1.8.2018)
"'Gundermann' mit dem brillanten Alexander Scheer in der Hauptrolle ist ein DDR-Drama ohne 'Täter' - oder 'Opfer' –Schubladen" (General-Anzeiger, 19.8.2018).
"Ich glaube, man kann ins Kino gehen, einfach ohne Gundermann zu kennen und lernt ihn halt kennen. (… ) Also wir haben versucht, einen prallen, sinnlichen Spielfilm zu drehen, der auch Spaß macht" (Andreas Dresen, DLF Kultur, 18.08.2018).
"Der Film ist eine Standortbestimmung aus einer anderen Himmelsrichtung. (… ) Es ist gut, dass man sich dem Thema nochmal annimmt und sich Zeit nimmt für einen differenzierteren Blick. Es gab nicht nur schwarz und weiß, wie man das aus anderen Filmen kennt, sondern auch sehr viel Grau, aber auch sehr viel bunt" (Alexander Scheer, RBB, 20.08.2018).