Die deutsche Einigung ist eine Erfolgsgeschichte. Aber auch 20 Jahre nach dem Einheitsvertrag ist eine schnelle Angleichung der Verhältnisse in Ost- und Westdeutschland nicht zu erwarten. Das belegen Ergebnisse aus Forschung und Bevölkerungsbefragungen. Zwar sehen sich 45 Prozent der Deutschen im Jahr 2010 eher auf der Gewinnerseite. Aber immerhin fast ein Viertel rechnet sich zu den Verlierern der Einheit.
Vor allem in Ostdeutschland hat der Systemumbruch von 1990 zu teilweise schockartigen Umwälzungen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und persönlichen Lebensumständen geführt. Diese Veränderungen und deren längerfristige Folgen können von Betroffenen wie verantwortlich Handelnden nur mit hohem Aufwand, der Fähigkeit zur Anpassung und kreativer Energie bewältigt werden.
Deutschland nach der Einigung – das ist eine besondere Ausprägung einer "Risikogesellschaft": Zwar werden die Unwägbarkeiten und Risiken des Einigungsprozesses mit der Zeit kleiner und besser beherrschbar. Und auch die Menschen in Ost und West haben gelernt, mit Herausforderungen des Umbruchs besser und effizienter umzugehen. Dennoch bleibt das Risikomanagement der Einigung bis auf weiteres eine Daueraufgabe.
Drei Beispiele veranschaulichen dies: Zur Bewältigung der wirtschaftlichen Krise wurden ostdeutsche Betriebe verschlankt. Damit sank aber auch die Anzahl an Ausbildungsplätzen, was heute den Mangel an Nachwuchskräften verschärft. Gleichzeitig entstehen neue innerdeutsche Divergenzen, wobei der Osten Deutschlands teilweise "moderner" ist als der Westen, etwa bei der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Schließlich wächst die gefühlte Distanz zwischen sozialmoralischen Leitbildern und der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Vor allem Ostdeutsche sehen das "fit gemachte" Deutschland häufiger kritisch.
Mit den hier präsentierten Beiträgen zeichnen Wissenschaftler eines Sonderforschungsbereiches der Universitäten Jena und Halle die "langen Wege" der deutschen Einigung nach. Mehr als 60 Wissenschaftler erforschen seit nunmehr neun Jahren die gesellschaftlichen Entwicklungen nach dem Systemumbruch. Vergleichend untersucht werden Erscheinungsformen des Elitenwandels, die Strukturprobleme des ost- und westdeutschen Arbeitsmarktes sowie bürgerschaftliches Engagement und Formen individueller Bewältigung von sozialem Wandel.
Aus der Mediathek
Lange Wege der Deutschen Einheit
Teil 1: Hauptstraße der Einheit
Die deutsche Einigung ist eine Erfolgsgeschichte. Aber auch mehr als 20 Jahre nach dem Einheitsvertrag ist eine schnelle Angleichung der Verhältnisse in Ost- und Westdeutschland nicht zu erwarten. Vor allem in Ostdeutschland hat der Systemumbruch von 1990 zu teilweise schockartigen Umwälzungen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und persönlichen Lebensumständen geführt.
Lange Wege der Deutschen Einheit
Teil 2: Hauptstraße der Einheit
Lange Wege der Deutschen Einheit
Teil 4: Sichtweisen der Generationen
Dossier-Kapitel
Kontexte
Der Umbruch in Ostdeutschland vollzog sich eingebettet in die Auflösung der jahrzehntelang starren Frontlinien des Ost-West-Konflikts. Die Dominoeffekte von Glasnost und Perestroika führten zu Demokratiebewegungen in allen Staaten des Ostblocks.
Dossier-Kapitel
Kontraste
Deutschland stellt unter den Transformationsstaaten einen Sonderfall dar. Hier fiel der politische und ökonomische Systemwechsel mit der Wiedervereinigung zusammen. Die Kontraste, welche die Situation der Zeiten vor und nach 1990 beschreiben, sind entsprechend deutlich.
Dossier-Kapitel
Konturen
Im gesamtdeutschen Alltag haben die Vorgänge der Umgestaltung und Erneuerung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft alsbald konkrete Umrisse angenommen. Derartige Konturen der Einigung werden unter anderem erkennbar in Infrastruktur, Arbeits- und Lebensbedingungen und politischer Beteiligung.
Dossier-Kapitel
Kontroversen
Der Verlauf, den die deutsche Einheit genommen hat und nimmt, hat auch immer wieder zu öffentlichen Debatten geführt. Solche "Kontroversen der Einheit" sind beispielsweise die Streitthemen "Blühende Landschaften" oder "DDR – ein Unrechtsstaat?".
Zeitleiste
Chronik der Mauer
Wie kam es zum Fall der Berliner Mauer, dem Zusammenbruch des SED-Regimes und der Wiedervereinigung Deutschlands? Hier finden Sie Monats-Chroniken von April 1989 bis Oktober 1990.
Die äußeren und inneren Faktoren der deutschen Wiedervereinigung
Unverhofft, unvorhergesehen und erstaunlich schnell verlief die deutsche Einigung. Dabei standen Entwicklungen innerhalb und außerhalb der DDR in einem engen Wechselverhältnis zueinander, bis schließlich das "window of opportunity" offen stand.
Der Beitrag der Bürger auf dem Weg zur Einheit
Montagsdemos, Massenflucht, Botschaftsbesetzung: Während die Weltpolitik die Einheit Deutschlands noch verhandelte, stimmten die Menschen in der DDR darüber mit den Füßen ab.
Langlebige regionale Disparitäten
Die Systemdifferenz zwischen Ost und West entwickelte und verfestigte bestimmte Disparitäten. Aber: 20 Jahre nach der Einheit treten immer deutlicher regionale Unterschiede hervor, deren Entstehung sich bis in das 16. Jahrhundert zurückverfolgen lässt.
Zug nach Westen – Anhaltende Abwanderung
Die DDR war zeitlebens ein Auswanderungsland. Dieser Trend hat sich auch nach 1990 fortgesetzt. Vor allem gut ausgebildete junge Frauen kehren ihrer ostdeutschen Heimat den Rücken – mit negativen Effekten für die "Bleibegesellschaft".
Der Niedriglohnsektor in Ost- und Westdeutschland
Etwa 20 Prozent der Vollzeitbeschäftigten arbeiten in Ost und West zu Niedriglöhnen. Sind Frauen stärker betroffen als Männer? Und in welchen Branchen werden besonders viele Niedriglöhner beschäftigt?
Kirchennähe und -ferne
Gut 60 Prozent der DDR-Bürger gehörten im Jahr der Einheit keiner Religion an. Bis heute spielt im Osten Religion eine untergeordnete Rolle. Aber auch im Westen verlieren die Kirchen an Bindungskraft. Was sind die Gründe dafür?
13. August 1961: In den frühen Morgenstunden beginnt der Bau der Mauer, die Deutsche Teilung wird zementiert. Am Abend des 9. November 1989 kommt es zum Mauerfall. Bald 30 Jahre danach ist Deutschland in vielem noch immer ein Land mit zwei Gesellschaften.
Ostzeit
Die Fotografen der Agentur Ostkreuz erzählen in ihren Bildern Geschichten aus einem vergangenen Land – authentisch und ungeschönt. Sie zeigen den Alltag, die Arbeit und die Menschen hinter der DDR.
Chronik der Mauer
28 Jahre war die Berliner Mauer Symbol der deutschen Teilung und des Kalten Krieges. In zeitlicher Abfolge werden Ursachen, Verlauf und Folgen von Mauerbau und Mauerfall durch Texte, Film- und Tonmaterial, Fotos und Zeitzeugeninterviews dargestellt.
Freiheit und Einheit
"Freiheit und Einheit" ist die Internetseite der Bundesregierung zur Erinnerung an die Ereignisse rund um Friedliche Revolution und Wiedervereinigung. Hier finden Sie eine Chronik der Ereignisse, Veranstaltungshinweise sowie eine umfangreiche Mediathek.