Die Geschichte des Kolonialismus und seiner Folgen wird immer wieder neu ausgehandelt. Seit den 1990er-Jahren rücken Sichtweisen der ehemaligen Kolonialherren in den Hintergrund und die Perspektiven der Menschen, die in den Kolonien lebten, in den Vordergrund. Zu den Zielen der neueren Kolonialgeschichte gehört es nicht nur, Gewalt, Zwangsarbeit und Rassismus in den ehemaligen Kolonien aufzuarbeiten, sondern auch das Wirken derer, die sich Kolonialherrschaft entgegenstellten. Die Postkoloniale Theorie verschärfte zudem den Blick für ihre Langzeitfolgen. Welche Gegenerzählungen zur westlichen Kolonialgeschichte gibt es, die im Kampf um "historische Wahrheiten" häufig an den Rand gedrängt wurden? Was kennzeichnet die Grundbegriffe "Kolonialismus" und "Postkolonialismus"? Wie wirkt das koloniale Zeitalter in ehemaligen Kolonialstaaten und anderen Gesellschaften nach?
ReMIX. Africa in Translation
Welche Rolle spielt die koloniale Vergangenheit für die afrikanische Gegenwart? Dies ist die zentrale Fragestellung der ReMIX-Doku-Serie, die in Togo, Kamerun, Tansania und Namibia zu Erinnerungsorten von Versklavung und antikolonialem Widerstand führt. Das Projekt vollzieht den Perspektivwechsel hin zu jenen, die die deutsche koloniale Erfahrung in ihren Ländern erbten und schafft einen Dialog zwischen afrikanischen Expertinnen und Experten.
Sebastian Conrad
Kolonialismus und Postkolonialismus: Schlüsselbegriffe der aktuellen Debatte
Wo hört Kolonialismus auf und wo fängt Postkolonialismus an? Haben sich die Imperien aus unserer Welt schon verabschiedet? Sebastian Conrad erläutert wichtige Begriffe und die Besonderheiten des modernen Kolonialismus.
Carola Lentz
Unabhängigkeit und Erinnerungspolitik
Unabhängigkeit ist für ehemalige Kolonien ein vielgestaltiges und durchaus konfliktträchtiges Konzept. Die Erinnerung an die Unabhängigkeit ist, so zeigt Carola Lentz, nicht nur zeitlich und räumlich flexibel, sondern auch personell divers — wer erinnert und an wen erinnert wird, ist das Ergebnis politischer Aushandlung.
Andreas Eckert
Herrschaft und Verwaltung
Der koloniale Staat war zugleich rational und absurd, gewalttätig und ohnmächtig. Insofern spiegelte sich in ihm das Wesen des Kolonialismus: die ambivalente Beziehung zwischen emanzipatorischem Diskurs einerseits und der Herrschaft von Gewalt, Zwangsarbeit und Rassismus andererseits.
Robert Kramm
Geschlecht und Sexualität
Geschlecht und Sexualität waren in ihrer kolonialen Verbindung mit "Rasse" und Klasse besonders wirkmächtig. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Sexualmoral zeigt: Geschlecht und Sexualität sind niemals ahistorische, biologisch festgelegte Konstanten, sondern sie sind verhandelbar.
Patricia Purtschert
Postkolonialismus und intellektuelle Dekolonisation
Widerstand gegen den Kolonialismus war auch ein intellektuelles Projekt: Zum einen mussten Analysen des Kolonialismus entwickelt werden, welche dessen Gewalt und Ungerechtigkeit sichtbar machten. Intellektuelle und politische Dekolonisation waren darum eng verwoben. Zum anderen umfasste Kolonisation ebenfalls die Produktion und Verbreitung von Wissen.
Nikolay Kamenov
Globale Geld- und Warenströme
Kolonialisierungsprozesse hatten in nahezu all ihren Erscheinungsformen eine wirtschaftliche Dimension. Die Warenketten von Silber, Zucker, Tee, Baumwolle und Getreide verdeutlichen zentrale Aspekte des Kolonialismus und der Globalgeschichte zwischen dem 16. und 20. Jahrhundert.
Fabian Klose
Koloniale Gewalt und Kolonialkrieg
Vom Eroberungsfeldzug mit überlegenen Waffen über den Handel mit Menschen als Ware bis zur planmäßigen Auslöschung ganzer Bevölkerungsgruppen: Entgrenzte Gewalt war nicht nur Mittel imperialer Expansion, sondern diente auch dazu Herrschaft im kolonialen Alltag zu festigen.
Sebastian Jobs
Sklaverei und Sklavenhandel
Die Ausbeutung von Menschen durch Sklaverei ist eng mit der Geschichte des Kapitalismus, mit Rassismus, aber auch mit dem Widerstand gegen Sklaverei verbunden. Sklaverei ist zwar keine Erfindung des europäischen Kolonialismus, durch seine transatlantische Ausprägung bekam sie jedoch eine fundamental entmenschlichende Dimension: Ein Individuum und seine Nachkommen wurden zur Ware.
Bernhard Schär
Wissenschaft und Kolonialismus
Welche Rolle spielten die Kolonien für die Herstellung von Wissen(schaft)? Mit dem Blick auf die Expertise indischer Munshis, karibischer Sklavinnen und ayurvedischer Heilpraktiker wird deutlich: Die Menschen in den Kolonien waren trotz ungleicher Machtverhältnisse nicht bloß passive Opfer, sondern aktiv an der Wissenschaftsgeschichte beteiligt.
Harald Fischer-Tiné
Antikolonialismus
Kolonialherren gelang es nur selten, eine völlige politische und kulturelle Hegemonie zu etablieren. Verschiedene Formen des Widerstandes, der Verweigerung und der Subversion gehören von Anfang an ebenso zur Geschichte der kolonialen Begegnung wie Expansion und Ausbeutung.
Can the Subaltern Speak?
Netzfundstück: Mit ihrem Werk "Can the Subaltern Speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation" problematisiert die indische Literaturwissenschaftlerin Gayatri Spivak, dass an den gesellschaftlichen Rand gedrängte Gruppen meist ungehört bleiben, wenn sie ihre Interessen äußern. Diese englischsprachige Animation erklärt ihre Theorie verständlich.
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Paulette Reed-Anderson
"Ein Platz an der afrikanischen Sonne"
Ein ausführlicher Einblick in die deutsche Kolonialgeschichte ist bis heute ausgeblieben. Dabei besteht ein Zusammenhang zwischen diesem historischen Zeitabschnitt von 1847 bis 1945 und dem Rassismus, den Schwarze Deutsche hier zu Lande alltäglich erleben. Mit einer detaillierten Chronologie aller wichtigen Daten.
Katharina Oguntoye
Afrikanische Zuwanderung nach Deutschland zwischen 1884 und 1945
Wie haben die Menschen afrikanischer Herkunft bis 1945 in Deutschland gelebt? Wer waren sie und unter welchen Bedingungen meisterten sie das Leben in einer Gesellschaft, die sie als 'das Fremde' betrachtete? Eine Analyse von Originaldokumenten und Fotografien.
Andreas Zangger
Empire at Home
Der Imperialismus veränderte nicht nur die Kolonialgesellschaften grundlegend. Auch die Zentren der Macht, die "Mutterländer", formte er. Mittlerweile setzen sich Menschen in London, Berlin und Madrid kritisch mit den Relikten ihrer jeweiligen Kolonialgeschichte auseinander. Nicht zuletzt dank der wissenschaftllichen Disziplin der "Postcolonial Studies".
Ursula Lehmkuhl
Ambivalenzen der Modernisierung durch Kolonialismus
Kolonialismus und Modernisierung sind untrennbar miteinander verbunden. Die Erfahrungen des Kolonialismus haben Innovationsprozesse ausgelöst – allerdings auch eine Modernisierung ohne Entwicklung produziert.
Susan Arndt
Kolonialismus, Rassismus, Sprache
Um das politische Konzept der Sklaverei und des Kolonialismus moralisch zu legitimieren, erfand Europa sein eigenes Afrika. Der Kontinent sei das homogene und unterlegene Andere und bedürfe daher der "Zivilisierung". In diesem Prozess war Sprache ein wichtiges Kriterium.
Harald Fischer-Tiné
Kolonialismus und Migration (1800 – 1960)
Außer der Zwangsmigration durch Sklavenhandel gab es zu Kolonialzeiten weitere bedeutende Wanderungsbewegungen. Und zwar sowohl von den imperialen Zentren in die Kolonien, als auch in die entgegengesetzte Richtung. Noch heute sind die Großstädte der ehemaligen "Mutterländer" geprägt von dieser Migration.
Harald Fischer-Tiné
Dekolonisation im 20. Jahrhundert
Nach dem Zweiten Weltkrieg erkämpften sich viele Kolonien ihre Unabhängigkeit. Dekolonisation ist jedoch keine klare Zäsur, die einen abrupten Neustart nach sich zog. Sie ist als Fortsetzung der Geschichte des Kolonialismus zu verstehen.
Nikita Dhawan
Postkoloniale Staaten, Zivilgesellschaft und Subalternität
Die Globalisierung schafft neue Herausforderungen für Eliten in postkolonialen Gesellschaften. Der Beitrag analysiert die Dynamiken zwischen postkolonialen Staaten, ihren Zivilgesellschaften und Subalternen.
Dietmar Rothermund
Postkoloniales Erwachen: Die enttäuschten Hoffnungen der neuen Nationen
Es war kein Happy End, mit dem sich die neuen Nationen von den Kolonialmächten lösten: Die Geschichte des Postkolonialismus ist geprägt von Krieg und Vertreibungen. Durch das koloniale Erbe schienen ehemalige Kolonien oft zum Scheitern verurteilt.
Daniel Speich Chassé
(Post)koloniale Entwicklungshilfe
Entwicklungshilfe als gutes Werk oder als Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln? Gedacht als Hilfe zur Emanzipation ist die Entwicklungshilfe seit Jahrzehnten auch dem Vorwurf ausgesetzt, die wirtschaftliche und kulturelle Dominanz der Industrieländer zu festigen und neokolonial zu wirken.
Kien Nghi Ha
Die fragile Erinnerung des Entinnerten - Essay
Nach einer langen Phase der Entinnerung ist der postkoloniale Diskurs fast im akademischen Mainstream angekommen. Damit beginnt der schwierige Lernprozess, koloniale Kultur und Geschichte in Deutschland zu vergegenwärtigen.
Netzfundstücke: Videos
Wie soll man mit Museumsexponaten umgehen, die während der Kolonialzeit erbeutet wurden? Ist Mahatma Gandhis tragende Rolle in der Unabhängigkeitsbewegung Indiens ein Mythos? Und was ist eigentlich "der Westen"? Auf diese Fragen finden sich im Netz auch audiovisuelle Antworten. Eine redaktionelle Auswahl von Videos, die sich mit dem Kolonialismus und seinen Folgen beschäftigen
Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 44–45/2012)
Kolonialismus
Die Epoche des neuzeitlichen Kolonialismus beginnt im Zeitalter der “Entdeckungen” im 15. Jahrhundert und erreichte im 19. und 20. Jahrhundert ihren Höhepunkt als weite Teile der Welt unter direkter oder indirekter europäischer Herrschaft standen. Gerechtfertigt wurde das europäische Ausgreifen häufig damit, den Rest der Welt durch und für europäische Werte zu “zivilisieren”.
Dossier Das Deutsche Kaiserreich
Außenpolitik und Imperialismus
Bismarcks Außenpolitik konzentrierte sich auf die Erhaltung des europäischen Friedens. Ein massiver Kurswechsel erfolgte erst nach seiner erzwungenen Abdankung am 18.3.1890: Bündnisse wurden auf ihre Kriegstauglichkeit hin geprüft. Und Deutschland forderte einen "Platz an der Sonne".
Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 4/2005)
Deutschland in Afrika. Der Kolonialismus und seine Nachwirkungen
Dass Deutschland einmal Kolonien in Afrika besessen hat, ist aus dem nationalen Gedächtnis weitgehend verdrängt worden. Dabei war die imperialistische Expansion für Generationen von Deutschen eine nationale Schicksalsfrage.
Hintergrund aktuell (10.01.2014)
Januar 1904: Herero-Aufstand in Deutsch-Südwestafrika
Vor 110 Jahren lehnte sich die Bevölkerungsgruppe der Herero in Namibia gegen die deutschen Kolonialherren auf. Diese antworteten auf die Angriffe mit einer bis dahin ungekannten Brutalität. Zehntausende Menschen fielen dem Vernichtungsfeldzug zum Opfer.
Dossier
Afrikanische Diaspora in Deutschland
In Texten und Bildern spiegelt dieses Dossier eine eigenständige Schwarze Geschichte wider, die einen integralen Bestandteil der deutschen Vergangenheit und Gegenwart darstellt.
Aus Politik und Zeitgreschichte (APuZ 1-2/2008)
Europäische Nationalgeschichten
Kolonialismus, zwei Weltkriege, Völkermord an den Juden, kommunistische Gewaltherrschaft und Teilung Europas: Kann vor dem Hintergrund eines solchen Erbes überhaupt eine gemeinsame europäische Identität heranreifen?