Ein Staubsauger ist ein Staubsauger. Zun&auml;chst einmal hat er nichts anderes zu erledigen als Staub zu saugen. Doch man kann aus der g&auml;ngigen Produktpalette nat&uuml;rlich nicht nur ein Modell mit der gew&uuml;nschten Ansaugkraft w&auml;hlen, sondern auch eins, das ideal zur Einrichtung passt: k&uuml;hles, futuristisch gegl&auml;ttetes Silber f&uuml;r den Loftresidenten, fr&ouml;hliches, knuffig gerundetes Rot f&uuml;r die junge Familie. Indem Gegenst&auml;nde f&uuml;r den t&auml;glichen Gebrauch - nach dem Vorbild der saisonal variierenden Mode - immer wieder neu gestaltet werden, w&auml;chst zugleich die Bereitwilligkeit des Kunden, sie nicht nur nach ihrer bestm&ouml;glichen Funktionalit&auml;t zu erw&auml;hlen.Vielmehr wird ihnen ein &auml;sthetischer Mehrwert zugesprochen, der die Qualit&auml;t des Produkts fast nachhaltiger definiert als seine technische Leistung: Der K&auml;ufer kann damit das eigene Ego st&auml;rken, denn so signalisiert er, dass er Luxus verdient - wenn man der Definition folgt, dass damit alles gemeint ist, das den Sinnesorganen schmeichelt. Indem er das sch&ouml;ne Design dem schlicht Praktischen vorzieht, hat er teil an einer Kultur des Konsums: Der Wille, den eigenen Lebensstandard best&auml;ndig zu verbessern, manifestiert sich darin, dass mittlerweile selbst banalen Objekten wie Eiszerkleinerern oder Tesa-Abrollern nach Jahresfrist die Abl&ouml;sung durch neue Modelle droht - dann n&auml;mlich, wenn der Landhausstil vom Fifties-Revival verjagt wird oder auf den zu Hause gerade vollzogenen Clean Chic j&auml;h die orientalische Opulenz folgt.Jedem Kaufprozess geht eine Verf&uuml;hrung voraus, die inszeniert wird f&uuml;r den Verbraucher, basierend auf der Tatsache, dass Menschen sich Dinge nicht nur kaufen, um sie zu besitzen, sondern sie auch erwerben in der &quot;Hoffnung auf das, was ihre Waren f&uuml;r sie zu Stande bringen&quot;. Diese Erkenntnis erfolgte bereits in den sp&auml;ten 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts, und zwar auf einer Konferenz amerikanischer Schauwerbegestalter. Wenig sp&auml;ter kritisierte der Journalist James Rortry Designer als &quot;pathetische Apostel eines Produkt-Fetischismus&quot; - ein Misstrauen, das am Erfolg dieses neuen, wie selbstverst&auml;ndlich mit der Industrie kooperierenden Berufszweiges indes nicht kratzen konnte. Die Kombination aus optimistischem Anspruch und &ouml;konomischer Berechnung hat eigentlich bis heute G&uuml;ltigkeit.Das Bauhaus und der Konstruktivismus hatten in Europa - wie zuvor schon William Morris &quot;Arts and Crafts&quot;-Bewegung - in &auml;hnlich sozialreformerischer Absicht versucht, durch formstrenge, funktionale Gestaltungen dem Alltag ein sch&ouml;neres Gesicht zu verleihen. Nur nannte man dieses Anliegen damals noch Kunsthandwerk, au&szlig;erdem schlug es sich in kleineren, exklusiveren Auflagen nieder. Erst als in Amerika neue synthetische Werkstoffe (etwa Bakelit) entwickelt wurden und dank neuer Technologien auch leichter verarbeitet werden konnten, erlebte die unbegrenzte Massenproduktion ihre Geburt. Die Herausforderung bestand zugleich darin, G&uuml;ter ohne Geschichte layouten zu k&ouml;nnen - wie das gerade erfundene Radio.Der fl&auml;chendeckende Absatz dieser Produkte konnte nach dem B&ouml;rsenkrach 1929 nur gelingen, indem man den gesteigerten Konsum als m&ouml;glichen Ausweg aus der Weltwirtschaftskrise formulierte. &quot;Sell the hope&quot; lautet die Werbe-strategie der drei&szlig;iger Jahre, aus individuellem Gl&uuml;cksstreben wurde so ein kollektiv verwaltbares Begehren geschmiedet: Konsum standardisiert das Volk. Durch ein von Raymond Loewy gestaltetes Geh&auml;use konnte Anfang der 30er-Jahre der Absatz eines Rundfunkempf&auml;ngers versiebenfacht werden; er dr&uuml;ckte in seinem Entwurf eine Innovationskraft aus, an der jeder teilhaben wollte. Es ging l&auml;ngst nicht mehr um ein Aufrechterhalten der Tradition. Die im 19. Jahrhundert noch stark l&auml;ndlich gepr&auml;gte Bev&ouml;lkerung Amerikas siedelte nun scharenweise in die St&auml;dte der Westk&uuml;ste &uuml;ber, auch um der Arbeitslosigkeit zu entgehen - dort standen die meisten Fabriken.Im Wolfsburger Kunstmuseum untersucht eine Ausstellung das amerikanische Industriedesign von 1930 bis 1955. Es ist die Hochzeit des sogenannten &quot;Streamline&quot;-Stils, der den Tropfen als aerodynamisch ideale Form verherrlichte und Forschungsergebnisse der Flugzeugindustrie f&uuml;r jedes Zuhause nutzbar machte. Selbst ein Eiszerkleinerer ist so schnittig gestaltet, als k&ouml;nne man in seinem Geh&auml;use in nullkommanix zum Mond reisen. &quot;Streamline&quot; ist der Gestalt gewordene Glaube an eine glorreiche Zukunft, und seine Protagonisten waren die &quot;Big Five&quot;: Raymond Loewy, Norman Bel Geddes, Harold van Doren, Henry Darwin, Walter Dorwin Teague. Sie waren bis in die mittleren 50er erfolgreich mit ihren k&auml;uflichen Metaphern dynamischer Bewegung.Europas Kunsthandwerker sahen mit einer gewissen Zur&uuml;ckhaltung dabei zu, wie ihre amerikanischen Kollegen nicht nur Designobjekte schufen, sondern sich zugleich zu Propheten des &quot;American Dream&quot; machten. Grob gesagt, waren deren hygienisch geschlossene, robuste Produktoberfl&auml;chen Symbole f&uuml;r die unangreifbare politisch-technologische Macht der USA. Sie dienten propagandistisch dem Wohl des Landes - wie sp&auml;ter auch die M&ouml;bel von Charles und Ray Eames, die seit 1941 zusammen arbeiteten. Eames Designanspr&uuml;che, die derzeit das Vitra Museum in Berlin pr&auml;sentiert, griffen in ihrer Reduktion und Transparenz auf die Str&ouml;mungen vor &quot;Streamline&quot; zur&uuml;ck. Zudem war die Behauptung von Luxus w&auml;hrend des Zweiten Weltkriegs nicht gerade opportun. Das Ehepaar wollte seinen Landsleuten gerade dank des Verzichts auf alle &uuml;berfl&uuml;ssigen Details Komfort bieten und damit ihren Geschmack verbessern - letzteres verb&auml;te sich der Konsument von heute wohl energisch. Allerdings traf sich bei ihnen der Anspruch auf die bestm&ouml;gliche Erscheinung mit einer Bereitschaft, jene durch die h&ouml;chstm&ouml;gliche Fertigungsqualit&auml;t zu erzielen. Die Eames waren die ersten, die mit der dreidimensionalen Verformung von Schichtholz experimentierten und endlose Reihen von Prototypen fertigen lie&szlig;en mit dem Ziel, einen ergonomisch korrekten Stuhlsitz in einem Arbeitsgang fertig zu biegen. Ihre Modernit&auml;t bediente sich s&auml;mtlicher verf&uuml;gbarer Technologien, huldigte ihnen jedoch nicht in Zitaten, sondern brachte eine v&ouml;llig neue Formensprache hervor - sie wirkt bis heute nach. Weil Charles und Ray Eames nicht krampfhaft nach originellen Innovationen fahndeten, sondern Design als spielerische Probleml&ouml;sung ansahen, ist die ideologische Attit&uuml;de nun nahezu vergessen.Design - die Ausstellungen // Die Welt von Charles und Ray Eames ist bis zum 26. Juni im Vitra Design Museum Berlin zu sehen. Kopenhagener Stra&szlig;e 58, Di-So 11-20, Fr bis 22 Uhr. Der Eintritt betr&auml;gt 5,50, erm&auml;&szlig;igt 3,50 Euro. Der Katalog mit 208 Seiten kostet 29,90 Euro.Streamline - Amerikanisches Design 1930 bis 1955 gastiert bis zum 16. Juni im Kunstmuseum Wolfsburg. Porschestra&szlig;e 53, Di 11-20, Mi-So 11-18 Uhr. Im Eintrittspreis von 6, erm&auml;&szlig;igt 3 Euro ist eine 20seitige, bebilderte Brosch&uuml;re enthalten.KUNSTMUSEUM WOLFSBURG Von beispielhafter Form und garantiert weltraumtauglich: ein Eiszerkleinerer anno 1935 (anonymer Entwurf).

Warum amerikanisches Design seit den dreißiger Jahren immer auch an die Wirtschaft denkt: Konsum standardisiert das Volk

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Erwachsen zu werden ist oft peinlich. Dann zum Beispiel, wenn man in einem zu gro&szlig;en Anzug steckt, in einen riesigen Saal mit etwa tausend Menschen einmarschiert und wei&szlig;, dass man dabei gefilmt wird. Das eigene Gesicht, das in einem Biologiebuch ausgezeichnet die Merkmale pubert&auml;rer Haut illustrieren k&ouml;nnte, auf einer riesigen Leinwand, und Eltern und Tanten klatschen dazu. 196 M&auml;dchen und Jungen sitzen am Sonnabendmorgen fein gemacht im Stella Musical Theater am Potsdamer Platz. Man sieht einigen an, dass sie lieber woanders w&auml;ren. Es ist die erste von 18 Jugendfeiern, die der Humanistische Verband bis Mai ausrichtet.Ein Junge hat &uuml;ber dem schwarzen Anzug seine weite Jacke im HipHopper-Stil angelassen, die Kamera zeigt aber auch das. Der Vater springt von seinem Sitz und befiehlt dem Sohn mit erregten Handzeichen, die Jacke auszuziehen. Dabei ist eines der Dinge, die das eineinhalbst&uuml;ndige B&uuml;hnenprogramm vermitteln soll, dass an diesem Tag die Selbstbestimmung &uuml;ber das eigene Leben beginnt. Der Tag der Jugendfeier, Ende der Kindheit, Anfang vom Erwachsensein. Ein Festakt, zu dem die Familie zusammenkommt, weil das Kind nun fast keines mehr ist, und man das in einem sch&ouml;nen Rahmen feiern will.So sieht es der Humanistische Verband, der gr&ouml;&szlig;te Veranstalter von Jugendfeiern in Berlin und Brandenburg, und so sehen es immer mehr Eltern von 14-J&auml;hrigen, die ihre Kinder f&uuml;r eine Jugendfeier anmelden. 3 900 Teilnehmer sind es in diesem Jahr in Berlin, dreimal so viele wie vor zehn Jahren. &quot;Jeder zehnte Jugendliche macht schon mit&quot;, sagt Norbert Kunz, Sprecher des Humanistischen Verbandes. Fast alle sind Kinder von Eltern, die in der DDR aufgewachsen sind. Acht Prozent kommen aus Westberliner Familien, sch&auml;tzt der Humanistische Verband, der selbst in West-Berlin ans&auml;ssig ist. In Zeiten der Mauer kamen zur j&auml;hrlichen Jugendfeier in der Philharmonie 100 bis 200 Jugendliche. Der Humanistische Verband hat vom Mauerfall also beachtlich profitiert.Jugendfeier hei&szlig;t die Veranstaltung, so grenzt man sich von der Jugendweihe der DDR ab. &quot;Richtig peppig&quot; sei das verglichen mit fr&uuml;her geworden, sagt ein Vater nach der Show im Musical Theater. Er hoffe, dass er jetzt ein wenig ernster genommen werde, sagt sein Sohn. Um Themen wie Ernstgenommenwerden, Verantwortung f&uuml;r sich und andere, Zukunftstr&auml;ume, Zivilcourage geht es auch auf der B&uuml;hne. Es gibt Sketche, Breakdance, Songeinlagen, bei denen Trockeneisnebel aufsteigt. Eine Mischung aus Show, Schultheater mit Erziehungsanspruch und Dr. Sommer-Problemberatung. Wenn jemand sich zu klein f&uuml;hle, &quot;keine Sorge, da kommen &uuml;berall noch ein paar Zentimeter mehr dran&quot;, sagt der Moderator. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Eckart Barthel fordert die jungen Menschen auf, neugierig zu bleiben. Dazwischen werden nach und nach die Namen der Jugendlichen laut vorgelesen. Als &quot;Hey Jude&quot; angestimmt wird, wissen sie, was sie zu tun haben. Sie kommen auf die B&uuml;hne und schwenken rote Rosen in Zellophan.&quot;Wir wollen im Festprogramm auch Werte r&uuml;ber- bringen. &quot; N. Kunz, Humanistischer Verband.BERLINER ZEITUNG/WULF OLM Hier klatschen keine Kinder mehr. Bei der Jugendfeier im Stella Musical Theater bejubeln vier M&auml;dchen Klassenkameraden, deren Namen die Moderatoren auf der B&uuml;hne gerade vorlesen.

Stil 17. März 2002

Warum amerikanisches Design seit den dreißiger Jahren immer auch an die Wirtschaft denkt: Konsum standardisiert das Volk

Im Stella Musical Theater begannen die diesjährigen Jugendfeiern des Humanistischen Verbandes: Erwachsenwerden als Show