Patent auf Versions-Verwaltungssystem für nichtig erklärt

Das Bundespatentgericht hat einen gewerblichen Schutzanspruch von Siemens auf ein Verfahren zum Abgleich von Datenbeständen auf Antrag eines Potsdamer Programmierers wegen fehlender Technizität widerrufen.

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Das Bundespatentgericht hat ein Patent von Siemens auf ein Verfahren zum Abgleich von Datenbeständen wegen fehlender Technizität widerrufen. Dies berichtete der Potsdamer Software-Programmierer Jan Kechel, der den Einspruch gegen den gewerblichen Rechtsschutz erhoben hatte, nach der Verhandlung in München gegenüber heise online. Er hatte vorgebracht, dass der Gegenstand des im April 2003 beantragten deutschen Patents mit der Nummer DE 10319887 B4 mit einem Anspruch auf ein "Verfahren zum Angleichen eines auf einer Client-Datenverarbeitungseinrichtung angezeigten Datenbestandes an einem auf einer Server-Datenverarbeitungseinrichtung gespeicherten Quelldatenbestand" wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht schutzfähig sei.

Zur Begründung hatte Kechel ausgeführt, dass die beschriebene Methode seit vielen Jahren in so gut wie allen Verwaltungssystemen für unterschiedliche Softwareversionen der Welt wie etwa CVS (Concurrent Version System) eingesetzt werde. Jedes ernsthafte Entwicklerteam verwende entsprechende technische Hilfsmittel, um etwa den gemeinsamen Zugriff auf Quelltexte zu kontrollieren. Dafür würden alle laufenden Änderungen erfasst und sämtliche Versionsstände der Dateien in einem Archiv mit Zeitstempel und Benutzerkennung gesichert. Nichts anderes leiste prinzipiell das von Siemens beanspruchte Verfahren.

Der Elektrotechnik-Konzern hielt das Einspruchsbegehren in einer Erwiderung zunächst für "nicht ausreichend substanziiert". Später monierte ein Patentanwalt der Münchner, dass Kechel kein Dokument angegeben habe, aus dem zweifelsfrei hervorgehe, dass das im Juli 1986 öffentlich zugänglich gemachte CVS und der damit verfügbare Update-Befehl zum Anmeldezeitpunkt wirklich zum Stand der Technik gehörte. Die Urteilsbegründung des Patentgerichts liegt noch nicht vor.

Weniger Erfolg hatte Kechel mit einem zweiten gestern verhandelten Einspruch, der sich gegen ebenfalls von Siemens gehaltene Patentansprüche auf ein "Verfahren zur Erstellung von Computer-Programmen mittels Spracherkennung" richtete. Der im Anspruch DE 10115899 B4 und der zugehörigen Patentfamilie Anfang 2001 angemeldete Sachverhalt sei bereits 1999 auf der Konferenz "HCI International" zur Mensch-Maschine-Interaktion in München behandelt und beschrieben worden, legte der Programmierer dar. Der in diesem Zusammenhang eingereichte Forschungsbericht "INTERACT ­ Intuitive and fault-tolerant machine control and programming by multimodal interaction techniques" gehe auf die Erfindung bereits umfassend ein und beinhalte sämtliche Ansprüche des Patents.

Trotz der ausführlichen Darstellung wies der Richter diesen Widerspruch aus formalen Gründen zurück. Kechel sei in zumindest einem Punkt nicht der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Anforderung nachgekommen, die Ansprüche eines angegriffenen Patentes im Einzelnen und sehr genau zu zerlegen. Der Software-Entwickler will hier eventuell noch einmal nachbessern, zunächst aber die voraussichtlich erst 2010 stattfindenden Verhandlungen zu zwei weiteren Patenteinsprüchen abwarten.

So hat Kechel derzeit noch einen gewerblichen Schutzanspruch von T-Mobile auf ein "Verfahren zur empfängerseitigen automatischen Behandlung von unerwünschter elektronischer Post in Kommunikationsnetzen" sowie ein von Hewlett-Packard gehaltenes Patent auf ein "Fingerabdruck-Adressersystem und -verfahren" auf seiner Liste. Die Patentanwälte der Kalifornier greifen den Einspruch aber unter anderem damit an, dass der Entwickler kein schutzwürdiges Interesse habe. Er betätige sich nicht auf dem Gebiet der Erfindung wirtschaftlich und betreibe sinnfreie Verfahren, die die Allgemeinheit und die Patentinhaberin belasteten.

Kechel gibt als Motivation für seine Anträge dagegen an, das Patentwesen verbessern und darauf aufmerksam machen zu wollen, dass vom Deutschen Patentamt erteilte Ansprüche gerade im Bereich Datenverarbeitung doch häufig "sehr trivial" oder überhaupt nicht neu seien. Er fühle sich dadurch selbst in seiner wirtschaftlichen Freiheit behindert, Softwareprodukte ohne die automatische Verletzung zahlreicher Patente entwickeln und verkaufen zu können. So sei der Entschluss gereift, "etwas Handfestes" gegen die Bedrohung durch Softwarepatente zu unternehmen und dafür auch die anfallenden Kosten zu tragen. (Stefan Krempl) / (jk)