Cebit

20 Jahre Centrum für "B" und "IT" (Teil 2)

Der zweite und letzte Teil des Rückblicks auf 20 Jahre CeBIT setzt im Jahr 1997 ein.

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Die CeBIT ist vorbei. Während die Deutsche Messe AG als Veranstalter mit der Schau zufrieden ist und wahlweise vom "weltweit wichtigsten ITK-Ereignis" oder der "weltgrößten Computermesse" schwärmte, grübeln die Aussteller. Nicht alle profitieren von der "La Ola im Portemonnaie", die die Unterhaltungselektroniker auf der CeBIT ausgemacht haben. Viele Aussteller, die erheblich in den CeBIT-Auftritt investieren, verzichten liebend gerne auf die Guckbesucher, die diesmal eher Fußbälle statt Prospektbeutel schleppten. Doch das scheint unvermeidlich: Gerade einmal 2000 Besucher kauften sich eine Eintrittskarte für die zusammengewürfelte Sondershow "Digital Living".

Nun ist die Kritik am Messekonzept mit Fachbesuchern, denen Guckbesucher die Wege schwer machen, so alt wie die CeBIT selbst. Vor zehn Jahren versuchte die Messe AG mit der CeBIT-Home diese beiden Besuchergruppen erstmals zu trennen. Mit diesem Versuch endete der erste Teil der Geschichte, auf die die CeBIT als eigenständige Messe zurückblicken kann. Die jüngere Geschichte mag vielleicht nicht so spektakulär ausfallen, was die abgelaufene CeBIT 2006 bestätigt: Wird sie als Messe in Erinnerung bleiben, auf der erstmals die Origami-PCs zu sehen waren, die in der Folge die Fernbedienungen aus den Wohnzimmern verdrängten? Oder als Show, auf der die deutsche Bundeskanzlerin viermal vergeblich versuchte, einen Einkaufswagen voller RFID-getaggter Waren fehlerfrei durch eine Leseschranke zu bugsieren?

Im Jahre 1997 feierte die DVD im "World Business Center Office, Information and Telecommunications" ihre Premiere. Im Computerbereich war dies ein praktisches, großes und portables Speicherformat, im Unterhaltungssektor ein System, das mit der Einführung von Regionalcodes eine völlig neue Weltkarte zeichnete, in der wir Südafrika und Japan als kulturelle Einheit zu sehen bekamen. Damals wurde auch das Content Scrambling System als reichlich unvollkommener Kopierschutz belächelt, doch heute sind wir schlauer – die Industrie aber auch. 1998 schaffte es die Messe AG zum letzten Mal, mit einer CeBIT und einer CeBIT Home die unterschiedlichen Besucher zu trennen, wobei die Fachbesucher mit Kommunikationstechnik gefüttert wurden wie selten zuvor. Die ersten Dual-Band-Handys wurden bestaunt, desgleichen Bluetooth, die GPS-Navigation und vor allem die Iridium-Telefone für einen weltumspannenden Satellitendienst. Diese Technik wurde als Flop beschrieben, existiert aber heute noch. Die CeBIT Home offerierte den Cycosmos, eine ganze Halle voller Avatare und e-Cyas, die "bald im täglichen Leben der Menschen eine wichtige Rolle spielen werden wie reale Familienmitglieder".

1999 gab sich die "World Business Fair for Office Automation, Information Technology and Telecommunications" erstmals einen englischen Slogan, und der war schlich: "No. 1 worldwide". Triple-Band-Handys waren neu, aber schon uninteressant, während erstmals die Biometrie im größeren Stil vorgestellt wurde. Siemens präsentierte eine "Maus der Zukunft" mit Fingerabdrucksystem, doch stand die gesamte CeBIT im Banne der Vergangenheit: Y2K nahte und förderte die Geschäfte der Schlangenölverkäufer, die jede Branche hat. Microsoft stellte die dritte Generation der Tablet PC vor.

Im Jahre 2000 war "World's No. 1" wirklich die Nummer 1: Mit über 7800 Ausstellern und 700.000 Besuchern war diese CeBIT die größte ihrer Art. Zum ersten Mal gab es einen Linux-Pavillon, und natürlich darf das inzwischen unverzichtbare CeBIT-Special auf heise online nicht vergessen werden, das Premiere feierte. Bundeskanzler Schröder überraschte sein Fußvolk mit einer Green-Card-Initiative genauso wie dies Kanzlerin Merkel in diesem Jahr mit ihrer "HighTech Strategie Deutschland" gelang. Microsoft präsentierte seine .net-Initiative und schenkte der Welt Windows 2000, doch für Schlagzeilen sorgten andere. Die UMTS-Auktionen gingen als die bis dato größte Geldvernichtungsaktion der ITK-Branche in die Geschichtsbücher ein. Allein in Deutschland wurden 75 Milliarden DM versteigert.

2001 wechselte die CeBIT ihr Outfit. Das noch von der Hannover Messe Industrie stammende Grün wurde durch ein sattes Rot ersetzt, der stilisierte Hermes im Logo wurde ganz abgeschafft, nur auf dem Messeturm ist er noch immer präsent. Mit dem Slogan "Get the spirit of tomorrow" waren die Messemacher nicht besonders einfallsreich, dafür aber mit der Zählweise: Erstmals wurden die Mehrfachbesucher mit Dauertickets einzeln gezählt. Dieses Blutdoping brachte die Besucherzahl auf unerreichte 830.000 Besucher und sollte der damals schon krisengeplagten Branche rosige Aussichten suggerieren. Erstmals in der PC-Geschichte gingen die Verkäufe zurück.

2002 war "The world's leading event" auf 7362 Aussteller und 674.000 Besucher geschrumpft, was angesichts der gravierenden Einbrüche der Messen in USA und Asien noch ein sehr gutes Ergebnis war. Ungewohnt zahm und freundlich eröffnete der neue Microsoft-Chef Steve Ballmer die Messe mit einem "Friedensangebot an die gesamte Branche". Microsoft stellte die vierte Generation der Tablet PCs vor und WLAN konnte in allen Hallen benutzt werden.

2003 war die letzte CeBIT, die achte Tage lang Hannover beglückte. Dennoch kamen nur noch 560.000 Besucher, ein deutliches Zeichen dafür, dass die Zeiten der Computer-Mega-Messen vorbei gehen, egal wie die Qualität der Besucher bewertet wird. Erstmals leisteten sich die CeBIT-Macher einen "Summit-Tag" vor der Messe mit illustren Rednern, der als das "Davos der IT-Branche" bejubelt wurde. Microsoft stellte die Windows XP Media Edition vor, und entsprechend viele Media-Center gab es bei den PC-Bauern, doch neu war das nicht. Die Consumer Electronics Show hatte als neue Leitmesse all das schon etwas früher gezeigt.

2004 rutschte die Zahl der Besucher unter 500.000 auf 489.000, während auf der Messe erstmals HDTV, HD-DVD und Blue-ray zum Thema wurden. Einen denkwürdigen Auftritt hatte ein als "SCO-Vizepräsident" auftretender Gregory Blepp: Er lief mit einem Koffer voller Beweise über die Messe, die zeigen sollten, das IBM von SCO Sourcecode gestohlen hatte. c't-TV durfte sogar das Öffnen des Koffers filmen. Die CeBIT 2005 freute sich schließlich bei weiter gesunkenen Gesamtzahlen über die höchste Auslandsbeteiligung aller Zeiten und hatte dafür passend das Outsourcing nach Übersee zu ihrem zentralen Thema gemacht. "Segeln im Wind der Globalisierung" wurde gefordert, egal wohin der Kurs geht. Als technische Superleistung wurde die Fertigstellung der Spezifikation der elektronischen Gesundheitskarte gefeiert. Wenn alles klappt, wird diese Karte auf der CeBIT 2007 oder 2008 im Mittelpunkt der Messe stehen. (anw)