Durch Künstler wie Robbie Williams, Jamie Cullum, Michael Bublé oder Tom Gaebel erfreut sich der gute alte Swing einer neuen Beliebtheit, die ihn schnurstracks in die Popcharts hievt. Das ist bemerkenswert, handelt es sich im Kern doch um unmissverständliche Jazz-Kost. Aber 'Die Jugend von Heute' hat ja glücklicherweise vor nichts mehr Respekt, und so vereinnahmt sie sogar altehrwürdige Jazzstilistiken für ihre 'niederen' Zwecke des Party-Machens und Abtanzens.
So ganz falsch liegt sie damit auch nicht. Swing war in seiner Blütezeit, den 30er und 40er Jahren, mit allerlei wilden Tanzmoden verbunden. Fast wöchentlich entstanden neue Tänze, die Jitter Bug (Zitternder Käfer) oder Lindy Hop hießen und das Lebensgefühl einer ganzen Generation wiederspiegelten.
Swing entwickelt sich in der zweiten Hälfte der 20er Jahre vor allem in den schwarzen Jazz-Bands von Fletcher Henderson und Duke Ellington. Zum Massenphänomen wird der groovige Sound Mitte der 30er durch die Orchester von Benny Goodman und Count Basie.
Historisch hängt seine Entwicklung mit der Erweiterung kleinerer Jazzensembles zu größeren Orchestern, sogenannten Big Bands zusammen. Zu der Standard-Rhythmus-Gruppe aus Drums, Bass und Piano gesellen sich in einer Big Band ein Unmenge an Bläsern, deren Zusammenspiel gut aufeinander abgestimmt sein will. Das jazztypische Verhalten des spontanen (improvisierten) Aufeinander-Reagierens, kann in einem großen Orchester nicht aufrecht erhalten werden, ohne im Chaos zu enden. Die Lösung ist einfach. An die Stelle der Improvisation tritt das Arrangement.
Hinter jeder erfolgreichen Swingband steht deshalb ein profilierter Arrangeur, der die Kunst des Töne-Setzens nicht nur beherrscht, sondern um innovative Aspekte erweitert. Auf harmonischer und melodischer Ebene macht sich das in immer komplexeren Arrangements bemerkbar. Rhythmisch kristallisiert sich im Swing ein deutlich erkennbarer, triolischer Groove heraus, der durch die Betonung der Off-Beats seine Charakteristik erhält. Einige Musikwissenschaftler, darunter Jazzpapst Joachim Ernst Berendt, erkennen im Swing-Rhythmus gar das Resultat des Konflikts aus europäischem und afrikanischem Zeitempfinden, die im Swing eine überlagerte Koexistenz eingehen.
Beflügelt durch den kommerziellen Erfolg machen zunehmend auch weiße Orchester Kasse mit dem neuen Hype. Der Posaunist und Arrangeur Glenn Miller ist das wohl berühmteste Denkmal des weißen Swing. Das Ende der Swing-Ära leitet der Eintritt Amerikas in den 2. Weltkrieg ein. Kurioserweise machen es die sich häufenden Einberufungen unmöglich, den Personalbestand einer Big Band zu sichern. Nach dem 2. Weltkrieg bleibt Swing kommerziell zwar erfolgreich, in der Entwicklung des Jazz wird er jedoch durch den aufkeimenden Bebop abgelöst. Seit dieser Zeit ist Swingmusik aus der musikalischen Gesamtlandschaft nicht mehr wegzudenken. Ohne je ernsthaft zu Grabe getragen worden zu sein, erfreut er sich dank einer Genregrenzen-resistenten Jugend einer neuen Beliebtheit. Und das ist auch gut so!