(Translated by https://www.hiragana.jp/)
Gelähmt nach Velosturz, Roboter lässt ihn sogar an einem Rennen teilnehmen

Cybathlon ETH
Ein Velosturz lähmte sein Leben – am Cybathlon kann er eine Zahnbürste benutzen: Warum sind diese Roboter noch nicht alltagstauglich?

Mit Neuralink will Elon Musk Chips in Hirne einpflanzen, um damit Roboter zu steuern. Am Cybathlon der ETH Zürich konnten Gelähmte Äpfel und Zahnbürsten an den Mund führen. Doch der Fortschritt geschieht langsamer als erwartet.

Bruno Knellwolf Jetzt kommentieren
Drucken

Exklusiv für Abonnenten

Der schwerst gelähmte Fritz Eichholzer führt mit dem Roboterarm am Cybathlon der ETH Zürich eine Zahnbürste an den Mund.

Der schwerst gelähmte Fritz Eichholzer führt mit dem Roboterarm am Cybathlon der ETH Zürich eine Zahnbürste an den Mund.

Bild: ETH Zürich

63 Jahre war Fritz Eichholzer alt, Personaldirektor bei einer grossen Schweizer Heizungsfirma. Seine Pensionierung hatte er zusammen mit seiner Frau achtsam vorausgeplant. Doch dann veränderte sich sein Leben im Jahr 2018 fundamental. Er stürzte bei einer Velotour schwer, der zweite und dritte Halswirbel wurde schwer beschädigt. Er konnte nicht mehr atmen, ist seither schwer gelähmt. Atmen kann er nur noch dank eines Zwerchfell-Simulators mit vier Elektroden im Bauch, die Impulse für die Beatmung geben.

Jetzt sitzt er zufrieden in seinem Rollstuhl in der Klotener Eishalle, in der er soeben als Pilot an einem Roboterrennen im Rahmen des dritten Cybathlons der ETH Zürich teilgenommen hat. Dieser hat von Freitag bis Sonntag gedauert.

Hopp Schwiiz wie bei einem Fussball-Länderspiel hallt es durch die Halle, als Eichholzer zum ersten Rennen startet. Die beiden Gegner kommen aus Hongkong und Deutschland und sind ebenfalls schwerst gelähmt. In diesem Wettbewerb geht es um den Einsatz von Assistenzrobotern.

Zehn Aufgaben muss Eichholzer in seinem Rollstuhl mit dem daran befestigten Roboterarm lösen. Zum Beispiel einen Apfel an seinen Mund führen, Gewürzdosen aus dem Regal nehmen und den Geschirrspüler leeren. Der Teller entgleitet Eichholzer leider, trotzdem erreicht er 80 von 100 Punkten. «Morgen schaffe ich im Finale 90 Punkte», sagt er zuversichtlich. Ein solcher Anlass wie dieser gebe ihm Lebensmut, den er nach seinem tragischen Unfall aber auch dank seiner Familie und den Fussballfreunden aus dem FC Thalwil nicht verloren hat.

Entwicklung der Fachhochschule Bern

Seinen Roboter hat die Fachhochschule Bern entwickelt, bei dessen Entwicklung ist er seit zweieinhalb Jahren mit dabei. Vier Mal ist Eichholzer nun nach Bern gefahren, um jeweils drei Stunden zu trainieren. Den Roboterarm bedient er mit Sprache. «Er ist ein intelligenter Roboter, der weiss, was zu tun ist, wenn ich Apfel sage», sagt der 69-Jährige. Den Rollstuhl selbst steuert er mit seinem Kinn.

Im Alltag kann er den Roboterarm leider noch nicht brauchen. Wünschen würde er sich das für viele Alltagsdinge. «So wie der Roboter, der im Werbespot für Roger Federer den Kaffee holt.» Oder Teil der Arbeiten übernimmt, die heute bei seiner 24-Stunden-Betreuung acht Personen erledigen. «Ich bin nun ein Kleinunternehmer», sagt er scherzhaft. Seine «Angestellten» entlasten seine Frau, die deswegen 2,5 Tage arbeiten kann.

Die Idee sei, die Alltagstauglichkeit der Roboter zu erhöhen, und das werde hier am Cybathlon spielerisch getestet. «Ein gutes Beispiel ist der Rollstuhl, der Treppen steigt. Das wurde hier am Cybathlon erstmals gezeigt und wird nun dank eines Start-ups europaweit verkauft», sagt Eichholzer. «Beim ersten Cybathlon vor acht Jahren konnte das zuverlässig nur ein Rollstuhl, jetzt alle», sagt dazu ETH-Professor Robert Riener, Gründer des Cybathlons.

KI kann den Bewegungswunsch besser umsetzen

Es gebe einige Fortschritte in der Roboter- und Assistenztechnik, die man aber oft nicht gleich sehe. Der Rollstuhl hat immer noch vier Räder. Aber trotzdem sei enorm viel passiert. «Zum Ersten wird heute sehr viel künstliche Intelligenz integriert in Prothesen und Roboter. Die sind deshalb viel autonomer und können den Bewegungswunsch von den Piloten besser aufnehmen», sagt Riener vom Labor für Sensomotorische Systeme der ETH.

Das Rob-Race, an dem Eichholzer teilgenommen hat, ist eine der zwei neuen Disziplinen am Cybathlon. Die andere ist die Sehassistenz. «Blinde können dank der Technik sehen, wo das gelbe T-Shirt im Kasten ist. Oder einen freien Platz im Zug finden», sagt Riener. Am Cybathlon gehen die Blinden durch einen Parcours mit zehn Hindernissen. Dabei übersetzt die Kamera in einem Smartphone das Bild in Text oder in Töne. Das erlaubt den Piloten, optische Informationen zu erkennen und in Bewegungsaufgaben umzusetzen.

Spannend ist auch der Laufroboter Animal der ETH Zürich. Eingesetzt wird der auf Ölplattformen. Jetzt wurde Animal umgebaut, damit der für Menschen mit Beeinträchtigungen eingesetzt werden kann. Weil diese sich aber oft nicht bewegen können, schafft es die künstliche Intelligenz, dass die Bewegungsintention des Piloten in konkrete Servicefunktionen umgesetzt wird. Der Roboterhund kann über Mund und Kinnbewegungen oder durch Sprachbefehle gesteuert werden. So setzt er seinen langen Hals und die Schnauze ein, um eine Zahnbürste an den Mund zu führen oder Geschirr aufzuräumen.

Robert Riener, Professor am Sensory-Motor Systems Lab der ETH.

Robert Riener, Professor am Sensory-Motor Systems Lab der ETH.

Bild: ETH Zürich / Giulia Marthaler

«KI kommt bei fast allen Disziplinen vor. Es ist keine generative KI wie Chat GTP, die neuen Inhalt generiert auf der Basis von Informationen», sagt Riener. Eingesetzt wird klassische KI, und da geht es vorrangig um Mustererkennung. Zum Beispiel erkennt ein Brain-Computer-Interface die elektrischen Muster auf der Hirnoberfläche, und erkennt, ob damit links oder rechts fahren gemeint ist.

Künstliche Intelligenz ist nicht zuverlässig

«Die Programme sind immer noch sehr verbesserungsfähig, sie funktionieren noch nicht zuverlässig», sagt Riener. «Dieses Level müssen wir aber erreichen.» Denn wenn im Alltag ein Befehl falsch verstanden wird, kann das zu Unfällen führen. «Vieles geht erst für Hollywood und im Labor, aber nicht im Alltag», sagt Riener. Oder in Federers Werbespot.

Man sei zwar auf dem Weg, Gelähmte zum Laufen zu bringen. Mit elektrischer Muskelstimulation und Robotern, die von Gedankenkraft gesteuert würden. «Es ist sehr emotional, wenn jemand aus dem Rollstuhl aufsteht und wieder auf Augenhöhe mit dir sprechen kann», sagt Riener. Allerdings gehe es bei der Robotik nicht nur darum, dass Gelähmte wieder laufen lernten. Es gehe auch darum, dass beeinträchtige Menschen dank der Technik auch in der Schule, in der Ausbildung und in der Freizeit weniger benachteiligt seien. Auch um andere körperliche Probleme zu lösen wie bei der Blasen- und Sexualfunktion.

«Die Entwicklung der Technologie ist exponentiell, aber immer noch weit weg von menschlichen Fähigkeiten», sagt Riener. Das sieht man auch in der Eishalle in Kloten. Mit Gedanken müssen die Piloten einen Rollstuhl durch einen virtuellen Raum steuern – und kollidieren dabei oft mit Wänden.

Mit Gedanken steuern will auch Elon Musks Neuralink-Projekt. Menschen wird dabei ein Chip ins Hirn eingepflanzt zur Kommunikation zwischen Gehirn und Computern. «Die Versprechungen von Neuralink sind sehr gross, zu gross», sagt Riener. Ursprünglich wollte man Menschen ohne Beeinträchtigung im Hirn chippen, damit sie einfacher Geräte bedienen können. «Aber niemand öffnet so ohne weiteres gesunden Menschen das Hirn, um einen Chip zu implantieren, weil das viel zu riskant ist und die Langzeitwirkungen nicht bekannt sind», sagt Riener. Bei Patienten mit hochgradigen Lähmungen wurde ein Chip eingesetzt, was dann nach Riener gerechtfertigt ist, weil diese einen deutlichen Mehrwert davon haben, der das Risiko rechtfertigt. «Aber die Zielgruppe ist klein.»

Auch am Cybathlon nahm ein Team aus Pittsburgh teil, mit einem Piloten, der einen Chip im Hirn implantiert hatte. Chips werden auch in Oberschenkel implantiert, zusammen mit Elektroden zur Stimulation der Muskulatur. Andere Teams arbeiten mit Chips ausserhalb des Körpers.

0 Kommentare