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Wegen IS-Unterstützung: Bundesstrafgericht verurteilt Dschihad-Schwestern

Islamismus
Bundesstrafgericht verurteilt Dschihad-Schwestern: Der minderjährige Sohn spielte eine entscheidende Rolle

Zwei Schwestern lassen sich ins Gebiet des IS nach Syrien schleusen. Jetzt haben sie vom Bundesstrafgericht die Quittung kassiert. Und sie müssen sich behandeln lassen.

Kari Kälin
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Der Ausflug ins Gebiet des Islamischen Staats mutierte zum Horrortrip. Sie habe die ganze Zeit geweint, ihren Sohn zurückgewollt, nie irgendwelche Attentatspläne geschmiedet. Das sagte eine 51-jährige Frau aus dem Kanton Waadt am 7. Mai bei der Verhandlung vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona. Gemäss dem «Tages-Anzeiger» erlitt sie eine Panikattacke und wurde vorübergehend aus dem Saal geführt.

Die Bundesanwaltschaft warf der Frau mit tunesischer Staatsbürgerschaft, die seit rund dreissig Jahren in der Schweiz lebt, Unterstützung der Terrororganisation vor. Sie gelangte Anfang Februar 2015 zusammen mit ihrem damals fünfzehnjährigen Sohn und ihrer drei Jahre älteren Schwester via Mittelsmänner nach Syrien ins Reich des Islamischen Staats (IS); ein erster Versuch nur mit ihrem Sohn war im Vorjahr gescheitert.

Die beiden Angeklagten betreten das Bundesstrafgericht in Bellinzona zur Eröffnung des Prozesses wegen Unterstützung einer Terrororganisation.

Die beiden Angeklagten betreten das Bundesstrafgericht in Bellinzona zur Eröffnung des Prozesses wegen Unterstützung einer Terrororganisation.

Bild: Alessandro Crinari/Keystone/TI-Press

Gemäss zwei Zeuginnen, die zur gleichen Zeit im Kalifat weilten, schmiedeten die beiden Schwestern Attentatspläne auf eine Pride in Bern oder Zürich und gegen die UNO in der Schweiz. Und sie sollen eine Weiterbildung angestrebt haben: im Bombenbasteln. Die Mutter alimentierte den IS sodann mit rund 6400 Franken. Die Bundesanwaltschaft beantragte für sie eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren inklusive Landesverweis. Für die ältere, eingebürgerte Schwester, forderte sie zwanzig Monate bedingt. Deren Neffe war bereits längere Zeit davor von einem Jugendgericht verurteilt worden.

Sie müssen zur Psychotherapie

Am Donnerstag hat das Bundesstrafgericht die beiden Schwestern wegen Verstosses gegen das Al-Kaida-/IS-Gesetz verurteilt. Die Mutter kassierte achtzehn Monate bedingt und muss eine Psychotherapie besuchen. Ausgeschafft wird sie nicht; das Gericht taxiert sie nicht als Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Das Rückfallrisiko sei gering. Strafmildernd wirkte sich unter anderem aus, dass sie einen Teil der Zahlungen für den IS auf Druck ihres Sohnes tätigte.

Überhaupt war in den Augen des Gerichts klar, dass der radikalisierte Teenager die Dschihadreisen initiierte. Es hielt aber auch fest: Der Mutter und der Tante konnte nicht verborgen geblieben sein, was für ein Schreckensregime der IS aufgezogen hatte.

Die jüngere Schwester kam mit vierzehn Monaten bedingt davon. Auch sie muss eine Psychotherapie machen. Keine Beweise fand das Bundesstrafgericht für die angeblichen Attentatsideen. Die Schwestern hätten weder konkrete Pläne erarbeitet noch Vorbereitungshandlungen getroffen, liess es verlauten. Über mögliche Anschläge zu fantasieren, zumal in einem islamistischen Umfeld, sei nicht strafbar.

«Die Reise war die schlimmste Erfahrung meines Lebens»

Der Urteilsverkündung blieben die Angeklagten fern. Bei der Verhandlung hatte die Mutter betont, sie sei keine strenggläubige Muslimin. Sie habe ihren radikalisierten Sohn nach Syrien begleiten wollen. Und: «Die Reise war die schlimmste Erfahrung meines Lebens.» Kaum hatten die drei IS-Boden unter den Füssen, wurden sie voneinander getrennt. Der Sohn landete in einem Männerhaus, einer Zwischenstation auf dem Weg zu einem IS-Militärausbildungscamp. Die Schwestern fanden sich in einem IS-Frauenhaus wieder. Nach drei Tagen im Kalifat wollten sie und der Teenager – unabhängig voneinander – schon wieder zurück in die Schweiz.

Was beim IS offenbar Misstrauen weckte. Die Terrororganisation verdächtige Dschihadreisende mit helvetischem Hintergrund der Spionage, hielt sie fest und verhörte sie. Später wurde die Familie in Rakka zusammengeführt, der inoffiziellen Hauptstadt des Kalifats. Nach vierzig Tagen schliesslich entliess die Terrorgruppe das Trio. Am 15. März 2015 flog es zurück in die Schweiz. Die Schwestern wurden erst zwei Jahre später verhaftet.

Gefahr weiterhin erhöht

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) erfasst seit 2001 Personen, die von der Schweiz aus mit dschihadistischen Motiven in ein Gebiet reisen. Am meisten (78) begaben sich nach Syrien und in den Irak. 16 Dschihad-Touristen kehrten wieder zurück, 32 sind gestorben, 30 sind Schweizer Staatsbürger, die Hälfte davon Doppelbürger.

Der NDB erachtet die Gefahr eines islamistischen Anschlags in der Schweiz nach wie vor als erhöht. Der Messerangriff eines fünfzehnjährigen Schweizers mit tunesischen Wurzeln von Anfang März auf einen orthodoxen Juden lieferte die traurige Bestätigung für diesen Befund. Aktuell führt die Bundesanwaltschaft rund hundert Verfahren im Bereich des Terrorismus, Tendenz steigend. Meistens geht es dabei um dschihadistisch motivierten Terrorismus.