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Grundsätzlich Mundart im Kindergarten | NZZ

Grundsätzlich Mundart im Kindergarten

Im Kindergarten wird künftig in aller Regel wieder Mundart gesprochen. Nicht ganz überraschend hat die Initiative «Ja zur Mundart im Kindergarten» eine sichere Mehrheit gefunden.

Walter Bernet
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Die Basler haben am Sonntag mit ein paar Stimmen Differenz einer flexiblen Lösung der Mundartfrage im Kindergarten den Vorzug gegeben, die Zürcher hatten bereits eine flexible Lösung: Es war den Kindergärtnerinnen vom Lehrplan freigestellt, wie viel Mundart oder Hochsprache sie sprechen wollten, solange beide Sprachvarietäten mindestens zu einem Drittel zum Zuge kommen. Jetzt haben die Zürcher eine strenge Lösung: Unterrichtssprache im Kindergarten ist künftig nicht mehr «teilweise Hochdeutsch», wie es das Gesetz bisher vorgab, sondern «grundsätzlich Mundart», wie es die Initiative «Ja zur Mundart im Kindergarten» verlangte. 53,9 Prozent der Stimmenden haben der Initiative am Sonntag zugestimmt, 46,1 Prozent sagten Nein. Die Stimmbeteiligung lag bei 34 Prozent. Das ist ein nicht unerwartetes, aber deutliches Resultat. Offenbar hat das geballte Nein der bildungspolitischen Instanzen, der Verbände von Schulleitern und Schulpräsidenten, der Pädagogischen Hochschule, der Regierung und des Kantonsrats nicht genügend Gewicht gehabt.

Hochsprache in Sequenzen

Wie das Ja zur Initiative konkret umgesetzt wird, ist noch nicht bekannt. Wie Bildungsdirektorin Regine Aeppli am Sonntag ausgeführt hat, wird im Rahmen der Harmonisierung der Lehrpläne den Kantonen nach den Abstimmungen in Zürich und Basel wohl mehr Freiraum bezüglich der Unterrichtssprache im Kindergarten zugestanden werden müssen. Die Formulierung der Anliegen der Initianten im Lehrplan muss jedenfalls noch erarbeitet werden.

Eine genauere Vorstellung hat die Weisslinger Kindergärtnerin Gabi Fink, Co-Präsidentin des Initiativkomitees. Auch wenn sie ebenfalls noch keine ausformulierten Vorschläge für den Lehrplan hat, ist für sie klar, dass die Unterrichtssprache als Beziehungssprache generell Mundart sein soll. Als Sprachvorbilder unterstützten Kindergärtnerinnen auch die Integration. Zulassen will sie lediglich einzelne kleinere Unterrichtssequenzen in Hochdeutsch. Solche Unterrichtssequenzen seien durchaus schon im ersten Kindergartenjahr denkbar, sagt sie. Trotz der gewonnenen Abstimmung ärgert sie sich über Falschinformationen der Gegner: Es sei den Initianten nie um ein Hochdeutsch-Verbot gegangen. Sie wünscht sich einfach die Situation vor der Kantonalisierung der Kindergärten und der Einführung des Lehrplans von 2008 zurück.

Für die rund 10 deutschsprachigen von 1600 Kindergärtnerinnen im Kanton Zürich sieht sie keine Probleme, da alle mit Schweizer Partnerinnen die Stelle teilen. Sie kann sich vorstellen, dass eine Bayerin halt bayrisch spricht. Nicht das Personal sei das Problem, sondern die Sprachentwicklung. Deshalb müsse die Ausbildung der Kindergärtnerinnen an der Pädagogischen Hochschule an die neue Situation angepasst werden.

Nur Bezirk Zürich sagt Nein

Aeppli bedauerte das Ja zur Initiative am Sonntag vor den Medien. Leider seien die pädagogischen Fragen im Zusammenhang mit der Unterrichtssprache nicht im Zentrum der Debatte gestanden. Sie sieht das Abstimmungsergebnis vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Identitätssuche: Die Zuwanderung der letzten Jahre führe zu Fragen wie: «Wer sind wir?», «Wie unterscheiden wir uns von andern?» Auf dieser völlig anderen Ebene sei die Mundartfrage im Kindergarten beurteilt worden. Dass das Nebeneinander der Sprachen für die Kinder kein Problem darstelle und dass Kinder, die zu Hause kein Deutsch sprächen, eine Förderung in der Hochsprache dringend nötig hätten, um später in der Schule zu bestehen, sei zu wenig beachtet worden. Die Anstrengungen dafür würden durch den Entscheid erschwert.

Die Initiative hat einzig in Stadt und Bezirk Zürich mit nur 41,7 Prozent Ja-Stimmen eine Abfuhr erfahren. In den übrigen Bezirken ist sie angenommen worden, je ländlicher die Region, desto deutlicher. Auch die Stadt Winterthur stimmte mit 58,4 Prozent zu. Insgesamt lehnten nur 16 Gemeinden die Initiative ab. Dazu gehört Flurlingen, das mit seinen 41,3 Prozent Ja-Stimmen im Bezirk Andelfingen allein auf weiter Flur war.