Gastkommentar

Im Energiebereich geht es mit der Subventionitis weiter

Das neue Stromgesetz, über das wir im Juni abstimmen, wird als grosser Wurf gelobt. Eigentlich ist es aber nichts anderes als ein Ausbau der bisherigen Subventionspolitik über deren Ablaufdatum hinaus.

Martin Föhse 40 Kommentare 3 min
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Subventionen für Solaranlage haben einen Haken. Sie müssen finanziert werden.

Subventionen für Solaranlage haben einen Haken. Sie müssen finanziert werden.

Christian Ohde / Imago

Das Stromgesetz (auch genannt Mantelerlass), über welches wir im Juni abstimmen werden, ist grauenhaft. Grauenhaft und gleichzeitig grauenhaft alternativlos, denn sein Hauptzweck, die Begünstigung des Zubaus von Winterstrom- und Speicherkapazitäten, ist fraglos eine Notwendigkeit.

Der Zweck heiligt die Mittel

Grauenhaft ist das Stromgesetz deshalb, weil die Bundesversammlung damit mehrfach gegen die Verfassung verstossen hat. Es geht dabei um Eingriffe in kantonale Kompetenzen, um rechtlich nicht vertretbare Grundrechtseingriffe, in erster Linie gegenüber weniger gut Situierten, und um ein geradezu brachiales, handwerklich missratenes Wüten im Raumplanungs- und Umweltrecht – notabene ohne Gewissheit hinsichtlich der erwünschten Wirkung im Ziel.

In der Schweiz herrscht der Primat der Politik. Es gibt keine richterliche Kontrolle gegenüber Bundesgesetzen. Der Respekt vor der Verfassung ist bei Mitgliedern der Bundesversammlung wohl deshalb mitunter nicht allzu stark ausgeprägt.

Der Zweck heiligt die Mittel, möchte man sagen. Das kann in besonderen Situationen vielleicht gerechtfertigt sein. Allerdings nur unter drei Bedingungen: eindeutig überwiegende öffentliche Interessen, keine Alternativen und bestmögliche Beseitigung des Problems. Gerade Letzteres ist nicht erfüllt. Als grosser Wurf gepriesen, ist das Stromgesetz nichts anderes als die Weiterführung der bisherigen Subventionspolitik, die das Volk durch Annahme der ersten Etappe der Energiestrategie 2050 eigentlich mit einem Ablaufdatum versehen hatte.

Das kann man nun gut oder schlecht finden – ohne den Willen zum Wechsel in ein Lenkungssystem sind die Alternativen zu Subventionen lediglich Gebote und Verbote, da ist es einfacher, Geld zu verteilen.

Subventionen haben nur einen Haken. Sie müssen finanziert werden. Im Strombereich geht das wunderbar. Ein kleiner Aufschlag auf dem Netznutzungsentgelt, und die Millionen sprudeln. Immerhin muss dies auf der Stromrechnung transparent gemacht werden. Mittlerweile greift man den Leuten aber auch noch über die Stromtarife (d. h. die Energiekomponente) in die Tasche, um – hier nun intransparent – allerlei Gelüste zu befriedigen.

Möglich macht dies das Monopol in der Grundversorgung. Darüber hinaus gibt es eine seit Jahren stärker werdende Entsolidarisierung bei den Netzkosten, weil sich immer mehr Photovoltaik-Betreibende teilweise selbst versorgen und sich somit aus der Mitfinanzierung des Stromnetzes verabschieden, obwohl auch sie darauf angewiesen bleiben. Diese Mechanismen haben auch eine sozialpolitische Dimension. Sie kommen v. a. Gutbetuchten mit eigenen PV-Anlagen zugute.

Paradox ist deshalb, dass sich ausgerechnet der Gewerkschaftsbund (SGB) gegen eine vollständige Strommarktöffnung wehrt. Er klammert sich an eine Grundversorgung, die seiner Klientel nur eines bringt, nämlich höhere Stromrechnungen. Bei weitem die Mehrheit der Endverbraucherinnen und Endverbraucher in der Schweiz ist schon heute mittelbar über den Markt versorgt.

Kompromiss wird zum Murks

Aufgrund der Regulierung und der Beschaffung schlagen diese Preise allerdings immer nur verzögert durch. Das verzerrt die Wahrnehmung: Private, insbesondere solche ohne eigene PV-Anlage, bleiben dem lokalen Energieversorger, seiner Beschaffungsstrategie und seinem Kraftwerksportfolio auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Sie werden obendrein noch durch das versteckte Subventionsregime, das Energieversorgern, PV-Eigentümerinnen und -Eigentümern zugutekommt, benachteiligt.

Dass die selbst aus subjektiver Perspektive nicht nachvollziehbare Haltung des SGB obendrein die Verhandlungen mit der EU über ein Stromabkommen massiv beeinträchtigt, setzt dem Ganzen noch die Krone auf.

Unter dem Strich ist das Fazit, dass man einen grossen Preis zu bezahlen bereit war, um sich bestenfalls über die nächsten Jahre zu retten. Man muss sich fast fragen, ob unser politisches System, das oft auf den berühmten Kompromiss hinausläuft, geeignet ist, die hier anstehenden Herausforderungen zu meistern und etwas anderes als Murks zu produzieren. Es bleibt dabei: Das Stromgesetz ist grauenhaft – und man muss ihm trotzdem zustimmen.

Martin Föhse ist Jurist und war von 2011 bis 2015 als Rechtsdienstleiter im Bundesamt für Energie (BFE) für die rechtliche Umsetzung der Energiestrategie 2050 des Bundes verantwortlich.

40 Kommentare
Markus Saurer

Wie man aufgrund dieses guten Kommentars noch mit gutem Gewissen ein JA empfehlen kann, ist mir schleierhaft. Mit diesem JA bleibt die Politik noch lange auf dem aktuellen energiepolitischen Irrweg. Mit einem NEIN muss sie sich davon verabschieden. Und Alternativen gibt es immer: Gaswerke im Übergang... zu neuer Atomkraft. Neue Erneuerbare ev. in Nischen.

Manfred Müller

Ein sehr wichtiger Aspekt wird hier von Martin Föhse eingebracht, nämlich der, dass "sich immer mehr Photovoltaik-Betreibende teilweise selbst versorgen und sich somit aus der Mitfinanzierung des Stromnetzes verabschieden". Für den Fall des solaren Blackout, vornehmlich bei Hochnebeldecken über Europa im November, oder banalerweise jede Nacht, erwarten sie jedoch das Einspringen des Netzbetreibers und Stromproduzenten. Der muss dafür seltener genutzte, aber teure Reserveleistung vorhalten, welche der nichtsolare Dauerabnehmer durch erhöhte Strompreise und Aufschläge zahlt. Es kann noch so viele Stromgesetze geben, an der Bereitstellung der Reserveleistung kommt niemand vorbei. Die Produktion auf die privaten Dächer zu verlagern löst nicht das Versorgungsproblem, schon gar nicht im Winter. So ganz nebenbei sollte man auch nicht vergessen, dass Hochnebel über Europa auch eine Windflaute bedeutet. Da wird dann beim deutschen Nachbar auch das Licht ausgehen.

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